Duisburg. Der Bund der Freien Waldorfschulen prüft rechtliche Schritte gegen die Duisburger Waldorfschule. Ein Bericht beschreibt groteske Zustände.
Man traf sich bereits vor Gericht, aktuell werden erneut rechtliche Schritte geprüft: Das Verhältnis zwischen dem Dachverband „Bund der Freien Waldorfschulen e.V.“ (BdFWS) und der Ganztags-Waldorfschule Duisburg darf als mindestens schwierig bezeichnet werden.
Zuvor hatte die Landes-Arbeitsgemeinschaft der Freien Waldorfschulen in NRW die Schule in Duisburg-Hüttenheim besucht und Unterstützungsangebote gemacht, weil es angeblich zu Unregelmäßigkeiten in der Verwaltung der Schule gekommen war und zu Zerwürfnissen zwischen Eltern und Schulgeschäftsführung. Da kollegiale Beratung und Besuche nicht gefruchtet hatten, wurde der Dachverband hinzugezogen, heißt es in einer Stellungnahme. Dieser leitete 2022 ein Ausschlussverfahren ein, wogegen die Duisburger Waldorfschule klagte.
Auflagen aus gerichtlichem Vergleich habe die Waldorfschule Duisburg nicht erfüllt
Das Gericht sah keinen Ausschlussgrund gegeben und legte einen Vergleich nahe. Die Auflagen aus diesem Vergleich seien ein Jahr später allerdings „nicht erfüllt“, schreibt Nele Auschra für den Vorstand des Dachverbands. „Wir prüfen weitere rechtliche Schritte.“
Diese hätten bei Erfolg Konsequenzen für die Schule: Sie dürfte sich künftig weder Waldorf- noch Rudolf-Steiner-Schule nennen. Die Schulen sind ansonsten autonom, „der BdFWS hat keine juristische Durchgriffsrechte auf die personelle oder vereinsrechtliche Ebene“, schreibt Auschra. Die obere Schulaufsicht liegt zudem bei der Bezirksregierung Düsseldorf.
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Auf Nachfrage erklärt Geschäftsführerin Christine Kramer, dass es lediglich auf „administrativer Ebene“ Differenzen zwischen dem Bund der freien Waldorfschulen und der Ganztags-Waldorfschule gegeben habe. Der Rechtsstreit vor dem Landgericht Stuttgart sei, „wie es gute Waldorftradition ist, durch einen Kompromiss beendet“ worden. Der Austausch habe sich „wieder erheblich intensiviert“.
Geschäftsführerin soll Sohn ohne abgeschlossene Ausbildung unterrichten lassen
Ausschlaggebend für die Differenzen sind die Beobachtungen von Vertretern der Landes-Arbeitsgemeinschaft. Sie waren mit dem Ziel der Schlichtung im November 2021 in Duisburg. Der danach verfasste Bericht, der dieser Zeitung vorliegt, liest sich wie eine von Fassungslosigkeit geprägte Bestandsaufnahme.
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Obwohl der Termin mit der Geschäftsführerin Christine Kramer verabredet war, seien viele Unterlagen nicht zugänglich gewesen, „da Frau Kramer den einzigen Schlüssel zu ihrem Büro nicht immer mitnehmen würde und nicht dabei habe. Selbst die Satzungen der Vereine waren auch über die Sekretärin nicht verfügbar.“
Festgehalten wird darin unter anderem, dass der Sohn der Geschäftsführerin als Betreuer der 9. Klasse arbeite. Er sei aber ohne abgeschlossene Ausbildung, mache ein Fernstudium, das von der Schule in unbekannter Höhe finanziell unterstützt werde.
Dazu erklärt Kramer auf Nachfrage, dass „alle bei uns tätigen Lehrkräfte ausreichend qualifiziert“ seien, aber wie an anderen Schulen auch einige sich noch in der Ausbildung befinden würden. Auf wie viele das zutrifft und wie viele grundständig ausgebildete Lehrer tatsächlich im Kollegium sind, sagt sie nicht, eine Auflistung sei „aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht möglich“.
Ihr Sohn Benjamin erklärt auf Nachfrage, es sei „unrichtig, dass ich als KFZ-Mechatroniker eine Klasse leite“. Er sei KfZ-Meister, studiere an einer Fern-Uni Soziale Arbeit, krankheitsbedingt ruhe das Studium aber.
Vorstände wurden von den Mitgliedern nicht entlastet
Zwei Lehrer der Schule seien laut LAG in den Vorstand des Trägervereins gedrängt worden zu sein, um den Fortbestand der Schule zu sichern. Welche Verantwortung damit verbunden ist, sei ihnen nicht bewusst, beklagen die Autoren: In einer Ersatzschule fungieren sie als Arbeitgeber, sie haben eine Verantwortungs- und Kontrollfunktion.
Die Vorstände seien von den Mitgliedern in den Versammlungen nicht entlastet worden, Jahresabschlüsse etwa für 2020 lagen auch im November 2021 noch nicht vor.
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Die Besetzung mit Lehrern war zum Zeitpunkt des Besuchs offenbar angespannt. Es sei offen, ob bei einigen Lehrern die nötigen Unterrichtsgenehmigungen vorliegen. „Im Gespräch zeigte sich immer deutlicher, dass Frau Kramer die Genehmigungsvoraussetzungen für Lehrer an Ersatzschulen nicht sicher beherrscht“, schreibt die LAG in ihrem Bericht.
Probleme entdeckten die Besucher auch beim Thema Inklusion. „Frau Kramer schien nahezu keine Kenntnisse über die besondere Refinanzierung der Inklusion zu haben.“ Durch die „Unsicherheit in einem Kernkompetenz-Thema“ seien finanzielle Risiken entstanden.
Auf Nachfrage zu dieser dezidierten Kritik an Kramers Amtsführung erklärt die Geschäftsführerin, „eine solche Kritik“ sei ihr nicht bekannt. Auch in dem Rechtsstreit sei es „nicht um mich als Person sondern um Differenzen zwischen dem Bund der freien Waldorfschulen und der Ganztagswaldorfschule Duisburg auf administrativer Ebene“ gegangen.
Laut ihrem LinkedIn-Profil war Christine Kramer Büroleiterin in einer Rechtsanwaltskanzlei, Moderatorin für Gruppenstudien, „Traffic Manager“ bei einer Werbeagentur und zuletzt in einer Werbefilmproduktion für das Inhousemanagement zuständig.
Abschlüsse der Kinder gefährdet
Die Berichterstatter der Arbeitsgemeinschaft sahen sich verpflichtet, dem Vorstand „ganz deutlich und unmissverständlich“ deutlich zu machen, dass das Risiko einer Insolvenz bestehe sowie „die Gefährdung der Abschlüsse aufgrund fehlender und entsprechend qualifizierter Lehrer“. Daraus ergeben sich hohe finanzielle Risiken, weil der Trägerverein für nicht refinanzierungsfähige Lehrer Gelder des Landes zurückzahlen müsste. Schon 2016 seien das fast 100.000 Euro gewesen.
Den gewählten Vorständen, die eigenverantwortlich handeln, empfahlen die Vertreter der LAG der Waldorfschulen NRW, sich kurzfristig einen Rechtsbeistand zu holen und die Qualität der Geschäftsführung zu hinterfragen.
Dazu erklärt Kramer, dass sie die Schule als Elternvertreterin kennenlernte und die Zustände „katastrophal und chaotisch“ waren. „Mahnschreiben und Gerichtsvollzieherschreiben stapelten sich in zahlreichen Ecken“, als sie Ende 2014 anfing, im Büro auszuhelfen. Ein Geschäftsführer habe die Schule in die Insolvenz führen wollen, das habe der damalige Vorstand durch seine Entlassung verhindert und dann wiederum sie gebeten, die Geschäfte zu übernehmen. Seither gehe es um die Lösung der Probleme, eine externe Buchhaltung sei eingeschaltet.
Eltern streuen Verdacht einer Intrige bei der LAG NRW
In einem Brief einiger Eltern an die Redaktion wird behauptet, dass die Schule in dem Gerichtsverfahren, das mit einem Kompromiss endete, „uneingeschränkt obsiegte“. Bei den Beobachtern der LAG NRW, die die ausführliche Kritik üben, handele es sich um Teile eines „Bundes“, der eine „Hetzkampagne“ gegen die Schule betreibe.
Begründet wird das damit, dass der Ehemann einer ehemaligen Lehrkraft der Waldorfschule („maßgebliche Initiatorin dieser Intrige“) seit 40 Jahren bei der LAG tätig sei. Es gebe einschlägige Korrespondenz, die die Motivation der Hauptinitiatorin und ihrer „Erfüllungsgehilfen“ erkennen lasse.
Das sagt ein LAG-Berichterstatter
Nachgefragt bei Kai Jüde-Marwedel, dem Sprecher der LAG, in der 56 Waldorfschulen Mitglied sind. Er gehört auch zu den Berichterstattern. Konfrontiert mit den Vorwürfen sagt Jüde-Marwedel, dass er es „für ausgeschlossen hält“, dass es diese Verbindung gibt. „Mir sitzt keiner auf dem Schoß.“
Ohnehin habe er kein Interesse daran, eine Schule zu zerstören: „Wir haben weitere Hilfestellung angeboten und arbeiten an kooperativen Lösungen.“ Ihm sei lieber, wenn es nach einer Krise heißt, „Mensch, die Waldorfs haben es geschafft“. Im Fall Duisburg sei man derzeit im Dialog, um eine „gedeihliche Zusammenarbeit zu definieren“. Und da sei er „hoffnungsfroh“.