Duisburg. Der Kinderschutz in Duisburg wird massiv gestärkt. Um Kindeswohlgefährdung schnell erkennen zu können, wird in Personal und Konzepte investiert.
Mit 1,8 Millionen Euro soll der Kinderschutz in Duisburg besser aufgestellt werden. Das fordert das seit April 2022 geltende neue Landeskinderschutzgesetz. Es stärkt die Rechte der Kinder und fordert Schutzkonzepte in allen Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe.
Im Laufe des Jahres sollen dafür neue Stellen geschaffen und Leitlinien erarbeitet werden. Zum Auftakt trafen sich die Leiterinnen und Leiter aller 80 städtischen Kitas zu einem Fachtag Schutzkonzeptentwicklung. Mit diesen Konzepten sollen Kinder vor Machtmissbrauch geschützt werden und vor körperlicher, psychischer oder sexualisierter Gewalt.
Konzepte zum Schutz des Kindeswohls in Duisburg entwickeln
Die Atmosphäre im Gertrud-Bäumer-Berufskolleg gleicht der bei einem Klassentreffen. Nicht zuletzt, weil viele hier ihre Ausbildung gemacht haben, aber auch, weil es für viele ein Wiedersehen nach langer Corona-Pause ist und der Austausch schmerzlich vermisst wurde, wie die Kita-Leiterinnen berichten.
Die meisten haben sich längst auf den Weg gemacht, Kindeswohlgefährdung ist leider kein neues Thema. Sie haben nach Vorlagen eigene Konzepte geschrieben. Diese wollen sie nun mit den Experten der Praxis für Sexualität aus Homberg abgleichen und ergänzen. Notgruppen sollten wegen des Fachtags nicht aufgemacht werden, betont Abteilungsleiterin Heike Wust, aber das Thema ist zu wichtig, als das man es wegen der allgegenwärtigen Personalknappheit verschieben könnte.
„Duisburg fängt nicht bei Null an“
„Duisburg fängt nicht bei Null an“, betont Jugendamtsleiter Hinrich Köpcke, aber es sei gut, Schutzkonzepte immer weiter zu entwickeln. Dabei könnten auch Erkenntnisse aus Fällen von Kindeswohlgefährdung helfen, die außerhalb Duisburgs geschahen. Spektakuläre Fälle wie in Lügde oder Bergisch Gladbach hätten für die politische Diskussion eine Rolle gespielt und zu den neuen Regelungen geführt.
In Duisburg werden deshalb, finanziert über den insgesamt 69,5 Millionen betragenden Belastungsausgleich des Landes, neue Stellen geschaffen: Zum einen soll es Netzwerk-Koordinatoren geben, die über die ganze Stadt hinweg die bestehenden Netzwerke weiter entwickeln sollen. Weitere Stellen sollen für eine bürgernahe Öffentlichkeitsarbeit geschaffen werden. Schließlich sollen verstärkt Fortbildungen entwickelt und angeboten werden.
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Kindertagesstätten müssen jedes Jahr nach dem Abgang der Schulkinder ihre Konzepte auf die neuen Kinder anpassen, sagt Abteilungsleiterin Heike Wust. Die Kinderschutzkonzepte ähneln sich zwar grundsätzlich, individuell sei vor allem die Risikoanalyse, die fragt: Wie alt sind die Kinder, aus welchem Umfeld kommen sie, welche Besonderheiten hat meine Kita, gibt es Zonen, in denen die Kinder unbeobachtet sind, beschreibt Wust.
Erzieherinnen und Erzieher als „Seismographen“
Auch die interkulturelle Perspektive und der unterschiedliche Umgang mit Sexualität müsse in den Blick genommen werden. Es gehe nicht darum, einzelne Stadtteile hervorzuheben. „Fälle von Kindeswohlgefährdung gehen durch alle soziale Schichten“, betont Köpcke. Er warnt davor, das Thema etwa mit der Armutsproblematik zu vermengen.
„Die Erzieherinnen und Erzieher haben eine ganz wichtige Aufgabe, sie haben einen engen Kontakt zu den Eltern, sind Seismographen“, so Köpcke. „Sie können Brücken in die Unterstützungssysteme bauen.“
Ziel der Fachtagung ist daher auch, klarer zu machen, wie man adäquat reagieren kann, wann etwa Polizei oder Allgemeiner Sozialer Dienst eingeschaltet werden müssen. Ein Leitfaden soll Kita-Mitarbeitern bei der Einschätzung helfen, sagt Köpcke. Kitas müssten ein sicherer Ort für Kinder sein, bei Bedarf aber auch ein Schutzraum, in dem sie vertrauensvoll Hilfe erhalten.
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>>KINDESWOHLGEFÄHRDUNG
- In Duisburg wurden 2021 laut IT.NRW1040 Verfahren zur Einschätzung von Kindeswohlgefährdung durchgeführt. Im Vorjahr waren es 1416.
- In 118 Fällen wurde eine akute Kindeswohlgefährdung festgestellt, in 172 eine latente. Ein Hilfebedarf wurde in 363 Fällen erkannt.
- 103 der Verfahren wurden durch Meldungen angestoßen, die aus Schulen oder Kindergärten kamen.