Duisburg. In Duisburg verzeichnet das Jugendamt für 2021 dreimal so viele Inobhutnahmen wie im Jahr zuvor. Was die NRW-weit größte Steigerung erklärt.

Wenn Kinder und Jugendliche verwahrlost sind oder vernachlässigt werden, sie Opfer von Missbrauch oder anderen Straftaten sind, holen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Jugendamtes sie aus ihren Familien heraus und bringen sie zum Schutz anderweitig unter. Inobhutnahme heißt dieses schärfste Schwert im Kinderschutz. Den landesweit größten Anstieg von Inobhutnahmen gab es im Jahresvergleich jüngst in Duisburg.

Waren es 2020 noch 147 Inobhutnahmen in Duisburg, stieg die Fallzahl 2021 auf 443, dreimal so viele. Im NRW-Schnitt wurde gleichzeitig sogar ein Rückgang von 0,9 Prozent ermittelt. Gemessen an den reinen Fallzahlen gibt es im Regierungsbezirk Düsseldorf nur in Essen (677) und in Düsseldorf (696) mehr solcher Eingriffe des Jugendamtes.

[Duisburg-Newsletter gratis abonnieren + Seiten für Duisburg: Stadtseite + Blaulicht-Artikel + MSV + Stadtteile: Nord I Süd I West + Themenseiten: Wohnen & Immobilien I Gastronomie I Zoo]

Gesellschaft sensibler beim Thema Kindeswohlgefährdung

Für die Stadt Duisburg gibt es für den deutlichen Anstieg zwei Ursachen: Zum einen ist die Zahl der unbegleiteten minderjährigen Ausländer, die nach Duisburg kommen, enorm gestiegen. 2021 waren es 202 Kinder und Jugendliche, sie werden zunächst automatisch in Obhut genommen, sagt Stadtsprecherin Gabi Priem. Seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ab Februar 2022 sind bereits rund 70 Kinder und Jugendliche ohne Begleitung aus der Ukraine angekommen.

Darüber hinaus sei erkennbar, dass in den letzten Jahren die Sensibilität der Gesellschaft beim Thema „Kindeswohlgefährdung“ zugenommen habe, so Priem, und entsprechend mehr Verdachtsfälle gemeldet werden.

44-mal haben Kinder selbst gebeten, dass das Jugendamt eingreift

Grundsätzlich sind die Ursachen von Kindeswohlgefährdungen vielfältig und lassen sich nicht nur auf coronabedingte Einschränkungen zurückführen. In 121 Fällen griff nach der Statistik des Landesbetriebes IT NRW* das Jugendamt ein, weil die Eltern oder ein Elternteil überfordert waren, in 23 Fällen waren Beziehungsprobleme der Eltern der Anlass, und in 61 Fällen ging es um Vernachlässigung. In einigen dieser Fälle ging es zudem um den Verdacht auf Missbrauch, das wird in der Landesstatistik aber nicht separat ausgewiesen.

In 44 Fällen erfolgte die Maßnahme auf eigenen Wunsch des Kindes oder des Jugendlichen, 399 Inobhutnahmen wurden wegen einer akuten Gefährdungslage durchgeführt. 195 der Betroffenen waren unter 14 Jahre alt, 248 älter, 245 waren männlich, 198 weiblich.

Vor der Corona-Pandemie hatten sich die Fallzahlen bei den Inobhutnahmen auf 175 Fälle (2019) deutlich gesenkt, 2020 waren es dann 300, auch da wurde der Anstieg von Jugendamtsleiter Hinrich Köpcke vor allem einem stärkeren Zuzug von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen zugeschrieben.

Auch interessant

12.193 Kinder wurden landesweit in Schutz genommen

Auch landesweit ist die Zahl der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge 2021 angestiegen von 1796 auf 2490 Fälle, ein Anstieg um 38,6 Prozent.

Das Statistische Landesamt IT.NRW hat ermittelt, dass im vergangenen Jahr insgesamt 12.193 Kinder und Jugendliche zum Schutz aus ihren Familien geholt wurden.

>> KINDESWOHLGEFÄHRDUNG IN DUISBURG

  • Im Jahr 2020 wurden vom Jugendamt Duisburg 1416 Verfahren zur Einschätzung von Kindeswohlgefährdung durchgeführt, deutlich weniger als 2019 (1930).
  • 2021 wurden nach Angaben der Stadt 1133 Verdachtsfälle von Kindeswohlgefährdungen bearbeitet.

* Die Zahlen von IT NRW decken sich nicht zu 100 Prozent mit den Zahlen, die die Stadt veröffentlicht. Das hat mit unterschiedlichen Ständen zum jeweiligen Zeitpunkt der Abfrage zu tun, mit verzögerten Eingaben oder nachträglichen Korrekturen. Gabi Priem von der Pressestelle der Stadt erklärt, dass immer zuerst der Fall bearbeitet werde und dann erst der Eintrag in der Statistik erfolge. Schwankungen seien daher immer möglich.