Duisburg. Den Mangel an Fachkräften in den Kitas in Duisburg spüren Eltern und Beschäftigte. Diese Erfahrungen schildern sie bei der Familienkonferenz.

Von geschlossenen Kitas, Notgruppen, reduzierten Betreuungszeiten können die meisten Eltern in Duisburg ein Lied singen, auch jene, die an der ersten Familienkonferenz der Redaktion teilgenommen haben. Der massive Mangel an Fachkräften in den Einrichtungen war deshalb ein wichtiges Thema des Abends.

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„Von sechs Monaten in der Tagespflege hat meine Tochter nur drei Monate tatsächlich erlebt, weil krankheitsbedingt immer wieder geschlossen war“, berichtet Katrin Susanna Schmidt. Seit die Tochter in der Stepke-Kita in Hochfeld ist, habe es das nicht mehr gegeben. Eva Hans, deren Kinder eine städtische Kita besuchen, erlebte schon oft reduzierte Gruppen. Da beide Eltern berufstätig sind, seien ihre Kinder meist in den Notgruppen. Dabei bräuchten die Kinder von nichtberufstätigen Eltern die Betreuung genau so sehr. „Deren Kindern fehlt was“, sagt die Rheinhauserin. Sie staunt, dass ihr die anderen Eltern nicht längst „aufs Dach gestiegen sind“.

Vor der ersten Familienkonferenz der Redaktion Duisburg erklärte Silke Meier (r.), stellvertretende Leitung der neuen Stepke-Kita Am Rheinpark in Hochfeld, das Konzept. An der Grunewaldstraße werden 160 Kinder von einem 40-köpfigen Team betreut.
Vor der ersten Familienkonferenz der Redaktion Duisburg erklärte Silke Meier (r.), stellvertretende Leitung der neuen Stepke-Kita Am Rheinpark in Hochfeld, das Konzept. An der Grunewaldstraße werden 160 Kinder von einem 40-köpfigen Team betreut. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Verdi: „Pädagogische Fachkräfte werden mit Schreibkram überfrachtet“

Ihm werde von einer dreistelligen Zahl unbesetzter Stellen allein in den städtischen Kitas berichtet, sagt Markus Renner, Gewerkschaftssekretär von Verdi. Viele pädagogische Kräfte „gehen auf dem Zahnfleisch“, stellt er fest. „Sie sind überfrachtet mit Schreibkram, ihnen fehlt Zeit für die Kinder.“ Das Problem habe auch vor Corona schon bestanden, ergänzt Christian Pollmann, der Vorsitzende des Jugendamtselternbeirats. Der Einsatz von Praktikanten und FSJ’lern allein könne den Fachkräftemangel nicht kompensieren, sagt er. „Das muss mit Augenmaß geschehen.“

Dem Bildungsauftrag könne man nicht immer nachkommen, bedauert Renner. „Der Bund gewährt einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz, kümmert sich aber nicht um die Umsetzung.“ Es sei deshalb kein Wunder, dass immer mehr Kinder nicht schulfähig seien, wenn sie phasenweise nur verwahrt würden. Ihn ärgert, dass die Gesellschaft Menschen in sozialen Berufen schlecht behandelt, ausnutzt, „in dem Wissen, dass sie sich aufopfern werden“.

Mangel an sozialen Kontakten: Kita-Personal spürt die Folgen der Pandemie

„Das ist ein harter Job“, sagt Silke Meyer. Kinder, die während der Pandemie keine sozialen Kontakte hatten und mit überforderten Eltern unter einem Dach waren, „bringen uns jetzt an unsere Grenzen“, beschreibt die stellvertretende Leitung der Stepke-Kita. Dennoch mache der Beruf Spaß, „wir erleben auch viel Dankbarkeit“.

Der jüngst von der Bundesfamilienministerin geäußerte Vorschlag, mehr FSJ’ler in die Kitas zu lenken, stößt auf geteilte Zustimmung. Renner betont, dass Praktikanten nur im kleinen Rahmen helfen könnten. „Sie dürfen keine Gruppe allein führen, sie sind keine fertigen Kräfte.“ Der Beruf der Erzieherin dürfe nicht abqualifiziert werden. Nicht mal eine Matschhose dürften Praktikanten den Kindern anziehen, ergänzt Silke Meyer von der Stepke-Kita. „Wir setzen dennoch viele Praktikanten ein, weil wir ihnen unseren Beruf schmackhaft machen wollen.“ Und: „Wenn sie sich eine Zeit lang mit einer Kleingruppe beschäftigen, habe ich mehr Zeit für die anderen Kinder.“

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Träger treiben mehr Aufwand für die Bindung ihrer Fachkräfte

„Die Träger konkurrieren um Fachkräfte, aber mit fairen Mitteln“, versichert Dr. Marcel Fischell. Für den Geschäftsführer des evangelischen Familienbildungswerks und Träger von 13 Kitas beginnt der Wettbewerb in den eigenen Einrichtungen: „Der Aufwand, Mitarbeitende zu binden, ist immens gewachsen.“ Die Bezahlung stehe dabei selten im Vordergrund, bei Themen wie Arbeitszeiten, Arbeitswegen werde aber viel Entgegenkommen erwartet. „Vielen Jüngeren ist die Work-Life-Balance wichtig , sie möchten nicht mehr voll arbeiten“, berichtet Fischell. „Mit Blick auf die möglichen Betreuungszeiten ist das jedoch ein Teufelskreis.“

Jugendamtsleiter: Zahl der Plätze ist schneller gestiegen als ausgebildet werden konnte

Jugendamtsleiter Hinrich Köpcke bestätigt, dass nicht zuletzt durch den massiven Kita-Ausbau der vergangenen Jahre Erzieherinnen fehlen. „Die Zahl der Plätze ist schneller gestiegen als Nachwuchs ausgebildet werden konnte. Außerdem sind viele Erzieherinnen in den Ruhestand gegangen.

Die Stadt tue das ihre, etwa durch die PIA-Ausbildung (praxisintegrierte Ausbildung), betont Köpcke: „Die ersten 34 seien im Sommer fertig, ab September seien 150 Pias in der Ausbildung.“ Mangelnde gesellschaftliche Wertschätzung für den Beruf spiegele sich bereits in der Vergütung während der Ausbildung, findet Silke Meier: „Schlechte oder gar keine Bezahlung – das bleibt ein Grundproblem.“

>> FAMILIENKONFERENZEN IN DUISBURG

  • Die Redaktion möchte junge Familien noch stärker als bisher in den Blick nehmen. Als erstes Projekt dazu haben wir uns entschlossen, Familienkonferenzen in Duisburg durchzuführen. Die erste stand unter dem Motto „Kita und Freizeit“. Kita-Eltern konnten sich bewerben und sagen, was sie bewegt.
  • 2023 sind in Duisburg noch zwei weitere solcher Konferenzen mit folgenden Themenschwerpunkten geplant: „Grundschulen und Wohnen“ sowie „Weiterführende Schulen und Arbeitsmarkt“. Die Redaktion wird zu gegebener Zeit jeweils wieder zu Bewerbungen aufrufen.