Duisburg. Zu seinem 75. Geburtstag gewährt Bernard Dietz sehr private Einblicke. Ein Besuch in der Heimat: So lebt die Legende des MSV Duisburg heute.

Die große Gladbach-Fahne, die in einem Garten hoch oben an einem Mast weht, wirkt wie eine kleine Provokation. Schließlich wohnt in dieser Siedlung des 3000-Seelendorfs Walstedde im Kreis Warendorf nur wenige Schritte entfernt eine MSV-Legende. Bernard „Ennatz“ Dietz hat hier, fast am Ende einer kleinen Stichstraße, sein Häuschen, das er bereits 1972 zu Beginn seiner Fußballer-Karriere als Ruhe-Oase gebaut hat. Nach über einer Stunde Autofahrt von Duisburg nehmen wir die wenigen Treppenstufen zu seiner Haustür. Drinnen gewährt uns Dietz kurz vor seinem 75. Geburtstag am 22. März exklusive, private Einblicke.

Die Begrüßung fällt herzlich aus. Dietz führt uns zunächst vom Flur geradeaus in sein uriges Wohnzimmer. Im hinteren Bereich stehen zwei helle Zweier-Sofas und zwei Sessel um einen Tisch mit Glasplatte sowie mehrere Vitrinen mit reichlich Geschirr, teils mit Goldrand, und ein silber-grauer Fernseher. Alles sehr klassisch und bodenständig – so wie Dietz selbst.

Bernard Dietz wird 75: So lebt die Legende des MSV Duisburg heute

Durch eine Fensterfront fällt der Blick auf eine große Terrasse, den Garten und einen kleinen Anbau. In den 80er Jahren hat sich Dietz dort ein Schwimmbad mit einem 4 mal 8 Meter großen Becken gegönnt. „Das ganze Haus habe ich über die vielen Jahre nach und nach mehrfach um- und ausgebaut“, erzählt er.

Im vorderen Bereich des Wohnzimmers mit massiven Holzbalken an der Decke und einem Kamin hat Ehefrau Petra (68) derweil Tabletts mit belegten Brötchen und Teilchen auf den großen Esstisch gestellt. Dazu reicht sie Wasser und Kaffee. Ihr Mann trinkt Latte Macchiato.

Seit über 50 Jahren mit Ehefrau Petra verheiratet

Im vergangenen Jahr haben die beiden Goldene Hochzeit gefeiert. Sie hat ihm immer den Rücken frei gehalten. Das Erfolgsrezept der langen Ehe? Die 68-Jährige atmet einmal tief durch und sagt trocken: „Na ja, es ist nicht immer einfach...“

Sein ganz persönlicher Rückzugsort: MSV-Legende Bernard Dietz sitzt in seinem Büro. Dort kommen Fußball-Romantiker ins Schwärmen.
Sein ganz persönlicher Rückzugsort: MSV-Legende Bernard Dietz sitzt in seinem Büro. Dort kommen Fußball-Romantiker ins Schwärmen. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann Funke Foto Services

Nur ein paar Kilometer von ihrem Eigenheim entfernt haben sie einst zueinander gefunden, in Bockum-Hövel – dort, wo Bernard Dietz geboren, aufgewachsen ist und bis zu seinem Wechsel zum MSV 1970 beim heimischen SV Fußball gespielt hat.

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„Nach dem Training ging’s gerne in die nahe gelegene Vereinskneipe“, erzählt Dietz, dem damals irgendwann ein hübsches, junges Mädchen auffällt, die Tochter des Vereinswirts. Seine Frau Petra schaut zu ihm rüber und kürzt die (Liebes-) Geschichte ab: „Ich war 14, mit 16 verlobt, mit 18 verheiratet und mit 20 kam das erste Kind.“ Sie lächelt: „Alles genau geplant.“

Auf Sohn Christian folgt fünf Jahre später Tochter Nicole. Er arbeitet heute als Lehrer, sie als Physiotherapeutin. Längst hat Dietz auch insgesamt fünf Enkelkinder, wie auf diversen Familienfotos überall im Haus zu sehen ist. Ob jemand von ihnen mal in seine großen fußballerischen Fußstapfen treten kann, wird sich zeigen. Der bald 75-Jährige ist da ganz entspannt.

Drei Enkelkinder kicken: „Da muss kein zweiter ,Ennatz’ dabei sein“

Moritz (19) sei eher an American Football interessiert, Luisa (16) musikbegeistert, dafür kicken Till, Linus (beide 13) und Nils (10) bei Vereinen im Münsterland. Bei den Partien schaut Bernard Dietz mit Bratwurst und Kaffee in der Hand regelmäßig zu. Er sagt: „Die Jungs sollen einfach ihren Spaß haben. Da muss kein zweiter ,Ennatz’ dabei sein.“ Was ihn aber sehr freut: Enkel Linus ist absoluter MSV-Fan, begleitet seinen Opa regelmäßig zu den Heimspielen nach Duisburg.

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Ein Foto der beiden bei einem Stadionbesuch steht gerahmt auf dem massiven Schreibtisch in Bernard Dietz’ Büro. Es ist sein ganz spezieller Rückzugsort. Er hat sich einen Fernseher ins Zimmer gestellt, um in aller Ruhe Fußball gucken zu können. Vom MSV bis zur Champions League. Gleichzeitig kommt hier jeder Fußball-Romantiker aus Duisburg unweigerlich ins Schwärmen. Ein Bild von der alten Haupttribüne des Wedaustadions hängt an der Wand. Genauso wie eine Bleistiftzeichnung von Dietz und einem Zebra, die ihm ein junges Mädchen geschenkt hat. Neben unzähligen Fachbüchern und Biografien von Toni Schumacher und Horst Hrubesch stehen kleine weiß-blaue Zebras in den Regalen.

Der Keller der MSV-Legende Bernard Dietz gleicht einem kleinen Fußball-Museum mit unzähligen Erinnerungsstücken: Urkunden, Pokale, alte Lederbälle und jede Menge Fotos.
Der Keller der MSV-Legende Bernard Dietz gleicht einem kleinen Fußball-Museum mit unzähligen Erinnerungsstücken: Urkunden, Pokale, alte Lederbälle und jede Menge Fotos. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann Funke Foto Services

Keller gleicht einem kleinen Fußball-Museum

Kein Zweifel: Dietz trägt seinen MSV im Herzen. Dies wird auch schnell eine Etage tiefer deutlich. Wobei sein Keller eher einem kleinen Fußball-Museum gleicht, mit unzähligen Erinnerungsstücken: Urkunden, Pokale, alte Lederbälle und jede Menge Fotos. In einem Regal hat er Videokassetten von „sämtlichen Spielen der Fußball-WM 1978 in Argentinien“. Das deutsche Team mit dem MSV-Kicker schied damals allerdings nach der „Schmach von Cordoba“ (2:3 gegen Österreich) als amtierender Weltmeister bereits nach der Zwischenrunde aus.

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Umso erfolgreicher war die EM zwei Jahre später. In einer großen Glasvitrine ist Dietz als Kapitän auf einem Foto mit Karl-Heinz Rummenigge auf einer Ehrenrunde nach dem Finalsieg gegen Belgien zu sehen. Dafür gab’s das Silberne Lorbeerblatt vom Bundespräsidenten. Die Urkunde ist dort auch ausgestellt.

Unzählige Erinnerungsstücke hat MSV-Legende Berrnard Dietz in seinem Keller, der einem kleinen Fußball-Museum gleicht. Auch dieses Foto mit Karl-Heinz Rummenigge nach dem Finalsieg bei der EM 1980 gehört dazu.
Unzählige Erinnerungsstücke hat MSV-Legende Berrnard Dietz in seinem Keller, der einem kleinen Fußball-Museum gleicht. Auch dieses Foto mit Karl-Heinz Rummenigge nach dem Finalsieg bei der EM 1980 gehört dazu. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann Funke Foto Services

Straßenmeisterschaft und eine Siegertrophäe aus Sperrholz

Dietz hat in einem Album aber auch ein Bild von seinen frühesten Erfolgen als Kicker in Bockum-Hövel aufbewahrt. „Wir haben damals als Kinder eine richtige Straßenmeisterschaft auf die Beine gestellt, die ich mit meinen Jungs von der Goethestraße dann auch gewonnen habe“, sagt er. „Es gab eine Siegertrophäe aus Sperrholz. Damit sind wir triumphierend auf den Fahrrädern unsere Straße rauf- und runtergefahren.“

Eine Aufnahme vom ersten Titel: In Bockum-Hövel gewann Dietz (oben) die inoffizielle Straßenmeisterschaft mit seinen Jungs.
Eine Aufnahme vom ersten Titel: In Bockum-Hövel gewann Dietz (oben) die inoffizielle Straßenmeisterschaft mit seinen Jungs. © rr

Übrigens: Weil ein Mädchen „Bernard“ nicht richtig auszusprechen kann, wird in diesen Kindheitstagen auch sein Spitzname „Ennatz“ geboren. Als Dietz später beim SV Bockum-Hövel erfolgreich auf Torejagd geht, haben die Zeitungsreporter allerdings so ihre Probleme mit der richtigen Schreibweise. „Anfangs war ich in jedem Artikel nur der Enners“, erzählt der bald 75-Jährige mit einem Schmunzeln und holt als Beweis ein Album mit gesammelten, alten Berichten hervor.

Von „Enners“ zu „Ennatz“: Name ist mittlerweile geschützt

Als „Ennatz“ – den Namen hat er sich mittlerweile sogar schützen gelassen – wird Dietz beim MSV zur Club-Ikone. Sogar das Vereinsmaskottchen heißt so. Ein großes Stofftier davon hat Dietz in einem Korbstuhl in seinem Keller platziert, neben einer Bar mit einem weiß-blauen Zebra auf der Theke und reichlich Spirituosen. Er selbst trinke allerdings so gut wie nie Alkohol. „Wenn überhaupt, dann nur süßen Wein“, verrät seine Frau Petra.

Ein MSV-Zebra steht auf der Theke. Reichlich Spirituosen hat Bernard Dietz in seiner Kellerbar. Er selbst trinke allerdings so gut wie nie Alkohol.
Ein MSV-Zebra steht auf der Theke. Reichlich Spirituosen hat Bernard Dietz in seiner Kellerbar. Er selbst trinke allerdings so gut wie nie Alkohol. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann Funke Foto Services

Nach einem Herzinfarkt 2018 muss ihr Mann sowieso auf die Gesundheit achten. „Ich stehe jeden Tag um 8.30 Uhr auf und stell mich erst mal auf die Waage“, so Dietz. „Dann wird gefrühstückt und danach, wenn’s passt, ein bisschen geschwommen. Mittags gibt es dann nur einen Joghurt oder einen Apfel.“ Aber nachmittags wolle er dann auf ein Stück Kuchen oder ein Teilchen nicht verzichten – genauso wenig wie auf eine gute Currywurst ab und zu oder einen Linseneintopf.

Er gehe auch gerne essen, sagt Dietz. So wie am 22. März, wenn er seinen 75. Geburtstag feiert – allerdings nicht groß. „Nur im kleinen Familienkreis“, erzählt der Jubilar, der schon immer die Bescheidenheit in Person gewesen ist. Er stammt aus einfachen Verhältnissen, der Jüngste von neun Geschwistern.

„Vergiss nie, wo du herkommst“

Nach der Schule macht Dietz eine Schmied-Schlosser-Lehre. Sein Vater war Bergmann. „Vergiss nie, wo du herkommst“ habe er ihm eingetrichtert. „Ich denke“, sagt Dietz zum Abschluss, „das ist mir bis jetzt ganz gut gelungen.“

>> Bernard Dietz: In Bockum-Hövel geboren, in Duisburg durchgestartet

  • Bernard Dietz wird am 22. März 1948 als jüngstes von neun Kindern in Bockum-Hövel geboren. Drei seiner Geschwister starben früh.
  • 1970 wechselt er zum MSV Duisburg. Dort startet er ab 1972 richtig durch, wird Stammspieler, Kapitän und aufgrund seiner Vereinstreue und konstant starken Leistungen Fan-Liebling. 1980 führt er die Nationalmannschaft als Spielführer zum EM-Titel.
  • 1982 wechselt Dietz als 34-Jähriger zum FC Schalke 04, spielt dort noch vier Jahre. Auffällig: In 495 Bundesligapartien kassiert der bis heute torgefährlichste Verteidiger der Eliteklasse nur sieben Gelbe Karten.
  • Nach seiner Spielerkarriere wird Dietz Trainer, konzentriert sich dabei auf die Jugendförderung. Als Übungsleiter der Amateure und als Vorstandsmitglied kehrt er noch einmal zu den „Zebras“ zurück.
  • Als 60.000 Anhänger vor der Spielzeit 2010/2011 die größten Zebra-Legenden aller Zeiten wählen, gewinnt „Ennatz“ mit großem Vorsprung.