Duisburg. . Er ist eine MSV-Legende und in Duisburg bis heute eine Identifikationsfigur. Fünf Leser durften Bernard Dietz (65) mehr als drei Stunden lang beim exklusiven WAZ-Talk im MSV-Clubhaus mit Fragen löchern. Das heutige Vorstandsmitglied plauderte, sympathisch-bodenständig, aus dem Nähkästchen.
Im Clubhaus an der Westender Straße hängen Bilder aus alten glanzvollen MSV-Zeiten, als Bernard Dietz in der Bundesliga von 1970 bis 1982 erfolgreich für die Zebras vor den Ball getreten hat.
Hier plaudert das heutige 65-jährige Vorstandsmitglied in uriger Atmosphäre einmal im Monat mit ehemaligen Mannschaftskollegen wie Bobbel Büssers, Michael Bella oder Ronnie Worm. An diesem Montagabend aber treffen hier fünf Leser Bernard Dietz in der WAZ-Reihe „Auf ein Pils mit...“ exklusiv.
Mehr als 100 Kilometer Fahrt hat die MSV-Legende, die mit seiner Frau Petra auf dem Land in Drensteinfurt-Walstedde lebt, dafür auf sich genommen. Über drei Stunden nimmt sich Dietz, sympathisch-bodenständig, Zeit. Mit Gudrun Landwehr (44) aus Neudorf, Reinhard Rankewitz (68) aus Rumeln-Kaldenhausen, Frank Benkert (46) aus Hochfeld, dem Hamborner Eckhardt Larson (62) und dem Neudorfer Jochen Krämer, der gleichzeitig seinen 45. Geburtstag in der munteren Runde feiert, spricht das Idol unter anderem über....
...seine Anfänge als Fußballer.
„Ich bin in Bockum-Hövel geboren und hab von der Jugend an bei der dortigen Spielvereinigung gespielt. Später dann war nach einer Schmied-Schlosser-Lehre Schichtdienst angesagt. Das bedeutete für mich: Von 6 bis 14.30 Uhr malochen, dann kurz zu Hause was essen und dann zum Spiel. Das war damals so, von Arbeit muss mir keiner was erzählen.“
...seinen Wechsel zum MSV.
"Ich bin im Frühjahr 1970 zuerst zu einem Probetraining beim 1. FC Köln eingeladen worden bin. Das war schon etwas Besonderes, zumal ich seit Kindesbeinen Köln-Fan war. Ich hab dort drei, vier Tage trainiert, als ich kurz danach einen Anruf vom Lüner SV bekam. Der spielte damals in der Regionalliga und dorthin wollte mich der 1. FC Köln wohl offensichtlich erst mal abgeben. Das hab ich nicht gemacht. Dann rief der MSV an, hab auch dort vorgespielt und ich bin letztlich Profi geworden."
...seine legendären vier Tore am 5. November 1977 beim 6:3-Sieg des MSV gegen Bayern München.
„Das war der Wahnsinn. Mein Gegenspieler Kalle Rummenigge und vor allem Torhüter Sepp Maier fanden das natürlich gar nicht so lustig, als wir uns keine drei Wochen später beim Länderspiel wiedergesehen haben. Aber das war alles kein Problem. Wir hatten damals eine super Truppe bei der Nationalelf."
...die Frage, wie er von seiner ersten Länderspiel-Nominierung erfahren hat.
Vom Buch bis zum Benefizspiel
Bei der WAZ-Reihe „Auf ein Pils mit...“ haben sich bisher Comedian Markus Krebs, Alt-OB Josef Krings, Hotelier und Gewichtheber-Olympiasieger Rolf Milser, MSV-Sportdirektor Ivica Grlic, Kabarettist Kai Magnus Sting, Peter Bursch, „Gitarrenlehrer der Nation“, und nun Bernard Dietz zum exklusiven Leser-Talk getroffen.
Beim Treffen mit Dietz gab es für die Leser auch jeweils ein handsigniertes Buch mit dem Titel „Ennatz Dietz – Vom Straßenfußballer zur Nationalmannschaft“ samt Autogrammkarten und das MSV-Maskottchen „Ennatz“ als Stofftier.
Die WAZ hatte für die Fünf zudem je zwei Karten für das Benefizspiel des Bundesliga-Topclubs Borussia Dortmund beim MSV organisiert.
„Aus dem ,Aktuellen Sportstudio’. Ich weiß, heute unvorstellbar. Aber wir haben damals wirklich immer Fernsehen geguckt und dort erfahren, wer die 16 Nominierten sind. Im Oktober 1974 war ich dann beim EM-Qualifikationsspiel gegen Griechenland zum ersten Mal dabei, saß aber nur auf der Bank. Übrigens hätte ich später beinahe mal ein Länderspiel verpasst, weil ich das ,Sportstudio’ nicht geschaut habe. Gott sei Dank hat mich der DFB einen Tag später angerufen und gefragt, wo ich bleibe. Ich bin dann noch schnell zum Flughafen...“
...den EM-Sieg 1980 als Kapitän der Nationalmannschaft.
„Das war absolut fantastisch, als MSV-Spieler den Pokal hochzuhalten. Blöd war nur die Doping-Probe nach dem Spiel. Die hat zwei Stunden gedauert. Als ich dann zur Mannschaft kam, waren schon alle besoffen...“
...die Frage, wie sich der Fußball in den vergangenen Jahrzehnten verändert hat.
„Im Vergleich zu früher sind das natürlich Welten. Es ist eine ganz andere Medienpräsenz und viel mehr Geld im Spiel. Ich hab mir das mal im Vergleich zu einem Michael Ballack angeschaut, der ja auch schon nicht mehr spielt. Das, was ich damals im Jahr bekommen habe, hat er in einem Monat verdient. Aber Fußball war mich nie Geldverdienen, sondern Leidenschaft. Mit der Truppe etwas bewegen zu können – das hat mich als Spieler, später als Trainer angetrieben und das treibt mich bis heute an.“
...die Dinge, die er im Fußball am liebsten abschaffen würde.
„Mir geht vor allem das ganze Getue, die Show einiger Spieler auf den Geist. Da wird die Eckfahne umgetreten oder bei jeder Schiedsrichterentscheidung lamentiert. Große Spieler machen so etwas nicht.“
...seine ablehnende Haltung gegenüber dem Internet.
Dass die Kinder das Internet heutzutage brauchen, ist mir schon klar. Aber ich nicht. Ich habe keine persönliche E-Mail-Adresse und sag auch beim MSV immer, dass man mich ganz einfach anrufen kann. Ich hab ein ganz altes Handy. Das reicht. Ich hebe auch an keinem Automaten Geld ab, sondern gehe noch ganz klassisch in die Bank zum Schalter. Ich mag das persönliche Gespräch, man entfremdet sich sonst zu sehr.“
...seine Fußballschule, die er mit Sohn Christian betreibt.
„Christian hatte 2007 die Idee. Ich wollte erst nicht – auch deshalb, weil solche Schulen gerne mal von Leuten eröffnet werden, die nur dreimal vor den Ball getreten haben. Aber mein Sohn hat so lange gebohrt, bis ich doch Ja gesagt habe. Wichtig ist mir bis heute, dass sich jeder anmelden kann, es nicht um Leistungssport, sondern um den Spaß am Spiel geht."
...den Lizenzentzug im vergangenen Sommer und den Zwangsabstieg des MSV in die Dritte Liga.
„Das ist für mich immer noch eine Katastrophe. Ich hätte damals alles darauf verwettet, dass wir die Lizenz bekommen. Aber damals haben sich einige wohl verpokert. Es spielten auch Eitelkeiten eine Rolle, dazu die öffentlichen Streitigkeiten und wechselnde Präsidenten. Der jetzige Vorstand hatte damals nicht die Möglichkeiten, um einzugreifen."
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...die Zukunft des MSV.
„Ich glaube nicht, dass der MSV in die Insolvenz gehen muss. Aber wir müssen den Schuldenschnitt hinbekommen. Das schafft man aber eben nicht von heute auf morgen. Das braucht Zeit. Sportlich sage ich ganz klar, dass wir jetzt den dritten Platz angreifen und versuchen sollten, den Aufstieg schon in diesem Jahr zu schaffen."
...die Frage, ob er mit seiner Frau im Mittelkreis der MSV-Arena ein Tänzchen wagt, wenn die Zebras irgendwann wieder in der Bundesliga gegen die Bayern spielen.
„Wenn das gewünscht wird, tanze ich dann mit meiner Frau. Kein Problem.“