Duisburg. Tränen, Freude und ganz viel Treue: Vereinslegende Bernard Dietz erinnert sich vor seinem 75. Geburtstag an fünf besondere MSV-Momente.

Bernard „Ennatz“ Dietz und der MSV Duisburg. Der MSV Duisburg und Bernard „Ennatz“ Dietz. Es war und ist für beide Seiten eine ganz besondere Verbindung. Der Mann aus dem Münsterland startete beim MSV Duisburg eine Karriere, in der er nie geahnte Höhen erreichte. Und der MSV? Der wurde zum „MSV Dietzburg“ und durchlebte mit dem Weltklasseverteidiger eine der erfolgreichsten Phasen der Vereinsgeschichte. Noch heute lieben die Fans „ihren Ennatz“ für seine Treue und seine Bodenständigkeit. Vor seinem 75. Geburtstag erinnert sich die MSV-Legende an fünf Momente, die eine ungewöhnliche Beziehung beschreiben.

1. Bernard Dietz und der MSV Duisburg: Weinender Familienvater verhindert den Wechsel zu Eintracht Frankfurt

Im Sommer 1975 ist der junge Mann aus Bockum-Hövel beim MSV längst voll durchgestartet. Er ist Leistungsgarant, Kapitän und auch Nationalspieler. Mit seinem Verein erreicht er das DFB-Pokalfinale gegen Eintracht Frankfurt. In einem engen Spiel verlieren die „Zebras“ mit 0:1. Dietz starke Auftritte bleiben der Konkurrenz nicht verborgen, zumal sein Vertrag zum Saisonende ausläuft.

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Über einen Berater fragen eben jene Frankfurter bei ihm an, es kommt zu einem Treffen in einem japanischen Hotel in Düsseldorf. Der Wechsel ist nahezu perfekt, die Ablösesumme bereits klar. Der wohl bevorstehende Abschied sickert zur Presse durch.

Doch dann kommt es ganz anders: Nach einem Spiel im alten Wedaustadion schlendert Dietz über den Parkplatz zu seinem Auto („Ich war immer einer der Letzten“). Er steigt ein, will losfahren, als plötzlich ein Mann an seine Scheibe klopft. „Ich dachte, dass er ein Autogramm möchte“, erinnert sich Dietz. Doch der Mann bricht vor seiner Frau und seinem Kind in Tränen aus, bittet Dietz weinend, den Verein nicht zu verlassen.

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Der damals 25-Jährige wird auf dem Nachhauseweg in Richtung seines Wohnorts in Waldstedde nachdenklich. In Duisburg-Wedau geht es auf die Autobahn. Kurz darauf sieht er in den Rückspiegel und schaut sich dabei selbst in die Augen. Da steht für Dietz fest: Er kann den MSV nicht verlassen. Seine Begründung: „Du kannst den Menschen, die so an dem Verein hängen, den Wechsel nicht antun.“

Noch am Abend, erzählt Dietz, habe er der Eintracht abgesagt. Der Berater fordert trotzdem 2000 D-Mark von ihm. „Unglaublich! Deshalb sind diese Berater für mich bis heute ein rotes Tuch“, sagt die Vereinslegende fast 50 Jahre später.

2. Der „MSV Dietzburg“ wird für den FC Bayern zum Schreckgespenst

MSV Duisburg gegen den FC Bayern: Eigentlich waren die Rollen bei dem ungleichen Duell gegen den Rekordmeister aus München immer klar verteilt. Das ändert sich aber in der Ära Dietz. Die Bayern verlieren serienweise in Duisburg. Der Höhepunkt: Am 5. November 1977 schlagen die Weiß-Blauen das Starensemble um Gerd Müller mit 6:3. Dietz, der bis heute torgefährlichste Verteidiger der Bundesligageschichte, trifft viermal. „Das war mein schönstes Spiel im MSV-Trikot“, erklärt Dietz.

Vier Tore erzielt Bernard Dietz am 5. November 1977 gegen den FC Bayern.
Vier Tore erzielt Bernard Dietz am 5. November 1977 gegen den FC Bayern. © WAZ | Rolf Preuß

Und es kommt noch besser: Wenige Wochen nach der Partie trifft er bei der Nationalmannschaft die Bayern-Starts Rummenigge, Müller und Co. wieder. Zur Begrüßung streckt er vier Finger in die Luft und freut sich auch im Jahr 2023 noch diebisch darüber.

3. Der MSV-Spieler mit dem EM-Pokal

Wie wichtig der MSV Duisburg Bernard Dietz wirklich ist, wird bei seinem wohl sportlich größten Triumph deutlich. Im Sommer 1980 führt der Verteidiger die DFB-Auswahl mit klingenden Namen wie Bernd Schuster, Horst Hrubesch und Karl-Heinz Rummenigge als Kapitän zum Titel bei der Europameisterschaft in Italien. Als er den Pokal entgegennimmt und in den Himmel von Rom stemmt, denkt er an seinen MSV. „Das war doch auch für den Verein eine riesige Geschichte: Ein Spieler aus Duisburg, der den EM-Pokal in den Händen hält.“

Bernard Dietz (links) mit „Vaterfigur“ Helmut Schön bei der Nationalmannschaft.
Bernard Dietz (links) mit „Vaterfigur“ Helmut Schön bei der Nationalmannschaft. © rr

Zwei Trainer erlebt Dietz in seiner Zeit als Nationalspieler. Helmut Schön sei eine „echte Vaterfigur“ für die Spieler gewesen. Jupp Derwall, der Schön 1978 ablöste, sei ein ganz anderer Typ gewesen. Dietz: „Der war ein Kumpeltyp.“

4. Der Abschied und ein ungewohnter neuer Arbeitsweg

Nach zwölf Jahren beim MSV Duisburg wechselt Bernard Dietz 1982 zum FC Schalke 04. Die „Zebras“ sind da gerade in die 2. Bundesliga abgestiegen, die „alten Haudegen“ wie Dietz fühlen sich nicht mehr wertgeschätzt. Was ihn besonders ärgert: Nach dem letzten Saisonspiel und dem feststehenden Abstieg präsentiert Vereinspräsident Dr. Gerhard Raab den Kickern in der Umkleide einen neuen Koordinationstrainer, anstatt das Gespräch über einen Neuanfang zu suchen.

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Dietz erzählt, er habe daraufhin den Schalke-Manager Rudi Assauer angerufen und gesagt: „Assi, ich komme.“ Mit zeitlichem Abstand betont er: „Eigentlich wäre ich nie vom MSV weggegangen. Aber so ging es nicht.“ Nach der schweren Entscheidung habe er geweint wie ein Schlosshund.

Kurios: Schon immer ist Dietz bei der täglichen Fahrt aus dem Münsterland zum Training nach Duisburg an den Heimstätten der Ruhrgebietstraditionsvereine vorbeigefahren: Dortmund, Gelsenkirchen, Oberhausen. Nach dem Wechsel heißt sein Ziel Gelsenkirchen-Schalke. Doch immer wieder steuert er in den ersten Wochen in Richtung Duisburg. „Am Autobahnkreuz Oberhausen habe ich dann gemerkt, dass ich falsch bin.“

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5. Eine besondere Geburtstagsüberraschung

Seiner Beliebtheit bei den Fans der „Zebras“ tut der Wechsel zu Schalke langfristig keinen Abbruch. Als 60.000 Fans vor der Saison 2010/2011 die größten MSV-Legenden aller Zeit wählen, landet Dietz mit großem Abstand auf Platz eins. Auch bei einer Abstimmung für den Namen des MSV-Maskottchens führt an dem Liebling der Anhänger kein Weg vorbei. Sie entscheiden sich aus mehreren Auswahlmöglichkeiten für seinen Spitznamen „Ennatz“.

Zu seinem 70. Geburtstag dann eine besondere Überraschung: 20 Fans machen sich auf den Weg nach Waldstedde, stehen mit Blumen, einer Torte und vielen weiteren Geschenken vor seiner Tür. „Manche hatten sich extra Urlaub genommen – einfach verrückt“, blickt die Ikone zurück.