Duisburg. Ein Teil der neuen Karl-Lehr-Brücke wird derzeit in Position gebracht. Ein Besuch auf der größten Baustelle Duisburgs – mit vielen Bildern.
Die Bauarbeiten am Karl-Lehr-Brückenzug kommen einen wichtigen Schritt voran: Am Samstagmittag „schwebt“ die Brücke, die an diesem Wochenende zwischen Duisburg-Ruhrort und Kaßlerfeld in Position gebracht werden soll, komplett über dem Wasser. Streng genommen liegt sie nun auf dem Schwimmponton „Louis“ auf, der das 125 Meter lange Teilstück ganz langsam Richtung Pontwert bugsiert.
Am kommenden Wochenende wird der Koloss dann schließlich über den Hafenkanal geschoben. Die Verkehrsverbindung wird auch an den kommenden beiden Wochenenden gesperrt.
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Bauleiter Arthur Brakowski ist sichtlich erleichtert: Bisher hat (fast) alles nach Plan funktioniert. Nur der Wasserstand stieg in den vergangenen Stunden langsamer als gedacht, deshalb mussten Mitarbeiter die Brücke mechanisch nach oben „klettern“ lassen. Der Schwerpunkt des 3650 Tonnen schweren Bauwerk liegt nun genau in der Mitte des Pontons Louis. „Wenn der Ponton sich in Bewegung setzt, wird es spannend. Die Brücke wird bis fünf Meter vor die alte Brücke geschwommen und anschließend Richtung Pontwert“, beschreibt Fachmann Brakowski.
Einen eigenen Motor hat der Ponton nicht, stattdessen wird er mit Hilfe von Seilen bewegt.
Der Rundbogen ist ein Markenzeichen für Brücken in Duisburg
An Land schauen einige Schaulustige zu, was sich auf der Baustelle tut. Einige stehen am Rand, andere sitzen in der Straßenbahn und haben beste Sicht.
Die Linie 901 ist das einzige Gefährt, das an diesem Wochenende den Brückenzug passieren darf. Rolf Köppen hat einen anderen Weg gewählt. Mit seiner Yacht „Oskar“ und einigen eingefleischten Ruhrortern guckt er sich das Schauspiel an. „Ich habe schon gesehen, wie der Ponton in Duisburg ankam. Das ist kein Vergleich zu den Schubleichtern. Da dachte ich: Oh, he, was wird das geben.“ Wofür das ganze Gerät allerdings benötigt wird, bleibt ihm allerdings ein Rätsel.
Millionenprojekt- Karl-Lehr-Brückenzug soll 2025 fertig seinEine Ruhrorterin meint indes: „Die Brücken in den Niederlanden sehen irgendwie schöner aus. Da könnte sich Duisburg doch auch mal was einfallen lassen, wir haben doch genug davon.“
Zumal die neuen Bauwerke nicht wieder blau und rosa angestrichen werden, sondern dezent grau bleiben sollen. Arthur Brakowski ist anderer Meinung. Die neue Brücke sei nicht nur technisch auf neuestem Stand und soll in den nächsten 100 Jahren dem zunehmenden Lkw-, Pkw- und Straßenbahnverkehr gewachsen sein, sondern er findet sie auch ästhetisch ansprechend. „Wir haben uns bewusst für einen Rundbogen entschieden, weil es solche an vielen anderen Stellen in Duisburg gibt. Das ist quasi ein Markenzeichen.“
Lasten verteilen sich auf eine Seilkonstruktion – Brücke bleibt grau
Die roten Stützen werden noch entfernt, dann verteilen sich die Lasten auf die Seilkonstruktion, die wie ein Netzwerk gespannt ist. „Die Karl-Lehr-Brücke wurde in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder verstärkt.“ Dennoch haben Experten berechnet, dass die alte Konstruktion dem Verkehr ab 2023/2024 nicht mehr standhalten könnte. Um nicht zu riskieren, dass die wichtige Verkehrsverbindung innerhalb Duisburgs gesperrt werden muss, musste schnell gehandelt werden.
Auch Vertreter der Wirtschaft sind erleichtert. „Dass der Neubau nun mit den beiden neuen Brückenelementen sichtbar wird, ist ein Fest“, erklärt Ocke Hamann, Geschäftsführer der Niederrheinischen Industrie- und Handelskammer (IHK). Er spricht von einem mehr als zehn Jahre andauernden „Ritt auf der Rasierklinge“ für Europas größten Binnenhafen, Speditionen und die Industrie.
„Denn mit A 40, A 59 und dem Karl-Lehr-Brückenzug müssen gleichzeitig drei Hauptschlagadern unserer Logistikdrehscheibe neu gebaut werden. Dass die Ruhrorter Brücke bald wieder befahrbar ist, kann man deshalb für Investitionen, Arbeitsplätze und den Klimaschutz nicht hoch genug bewerten“, so die Einschätzung vonseiten der IHK.
Nostalgiker fragen schon, ob man alte Brückenteile kaufen kann
Wenn alles klappt und der Brückenteil in Position ist, wird in der kommenden Woche der Schwimmponton Richtung Hafenkanal bewegt, damit am kommenden Wochenende das Bauwerk weiter eingeschwommen werden kann. Am übernächsten Wochenende folgt dann das 140 Meter lange Teil über der Ruhr.
Im kommenden Jahr soll die alte Brücke abgerissen werden. Da wird der eine oder andere regelrecht nostalgisch. „Es gab schon einige Anfragen, ob man Einzelteile kaufen kann. Wir werden das bei dem Unternehmen, das den Auftrag ausführen wird, ansprechen“, sagt Arthur Brakowski. Erst einmal ist er aber froh, wenn die beiden neuen Brücken an Ort und Stelle sind.