Duisburg. Monatelange Wartezeiten, Personalnot: Die Krise im Duisburger Ausländeramt verschärft sich. Die Devise unter Mitarbeitern: Rette sich, wer kann.

Das Duisburger Ausländeramt steckt seit Jahren im Krisenmodus und ein Ende ist nicht absehbar. Trotz Aufstockungen des Personals bleibt ein grundsätzliches Problem ungelöst: Zu viele erfahrene Mitarbeiter verlassen die Behörde, die unter der Überlastung durch die steigende Zahl von Duisburger Bürgern ohne deutschen Pass ächzt. Die warten, je nach Anliegen, bis zu vier Monate … auf einen Termin.

110.000 Duisburger haben keinen deutschen Pass

„Wenn ich fünf neue Leute bekomme, aber drei erfahrene gehen, hilft und das nicht weiter“, sagt Thomas Freitag. Der Leiter der Ausländerbehörde nannte am Dienstag im Ausschuss für Ordnungs- und Bürgerangelegenheiten Zahlen, Daten und Fakten zur Behörde mit Sitz im Averdunkzentrum (Mitte), die Außenstellen in den Bezirksämtern Hamborn, Süd (Sittardsberg) und Homberg betreibt. 156 Stellen gibt es insgesamt, 70 davon in den Außenstellen für 110.000 Menschen und ebensoviele Akten.

Die Einsparungen in der Stadtverwaltung trafen die Ausländerbehörde wie kaum eine andere: 60 Stellen waren 2016 unbesetzt, 30 waren es Anfang dieses Jahres. „60 Stellen, das entspricht 100.000 nicht geleisteten Arbeitsstunden“, rechnet Ordnungsamtsleiter Andreas Rudolph vor. „Das schieben wir immer noch vor uns her.“ Dabei schien im Sommer zumindest Licht am Ende des Tunnels: Das Personalamt steuerte endlich nach, erstmals seit Jahren waren alle Stellen besetzt.

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Arbeitsbelastung in der Ausländerbehörde: Einstufung als „gesundheitsgefährdend“

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Die Freude währte kurz, berichtet Freitag: „Sieben erfahrene Mitarbeiter wechselten intern.“ Die Wirkung auf die Leistungsfähigkeit ist deshalb verheerend, weil die Einarbeitung in das komplexe Ausländerrecht bis zu einem Jahr dauert: „In den vergangenen zehn Jahren hat es allein 60 Gesetzesänderungen gegeben.“ Immer neue Unsicherheiten verlangsamen die Bearbeitung, lassen die Arbeitsbelastung weiter steigen. Als „gesundheitsgefährdend“ wurde sie vom betrieblichen Gesundheitsmanagement eingestuft.

Rette sich wer kann – das scheint deshalb die Devise zu sein. In der Außenstelle Süd sei niemand länger als fünf Jahre, beschreibt Thomas Freitag das Ausmaß der Fluktuation. „Die Kollegen finden für weniger Belastung und gleiche Bezahlung andere Stellen in der Verwaltung.“ Es fehlen Anreize, in der Ausländerbehörde zu bleiben, bedauert der Leiter: „Eine Fachkarriere sollte möglich sein.“

Christian Saris, hier bei einer Aktion der Seebrücke Duisburg, engagiert sich für Zuwanderer und Geflüchtete. Der Ratsherr der Grünen fordert Verbesserungen der Personalentwicklung im Ausländeramt, um die Fluktuation bei den Mitarbeitenden zu senken.
Christian Saris, hier bei einer Aktion der Seebrücke Duisburg, engagiert sich für Zuwanderer und Geflüchtete. Der Ratsherr der Grünen fordert Verbesserungen der Personalentwicklung im Ausländeramt, um die Fluktuation bei den Mitarbeitenden zu senken. © FUNKE Foto Services | Jörg Schimmel

Schon für die Anmeldung vier Monate Wartezeit

So setzt sich das Dilemma fort: Aktuell sind wieder 16 Stellen unbesetzt, dabei wachsen die Aufgaben. Erfasst werden müssen nicht nur Geflüchtete aus der Ukraine, sondern auch so viele Zuzüge aus anderen Ländern wie selten zuvor: „In der Regel sind es etwa 2800 pro Jahr. Diese Zahl hatten wir schon im August erreicht. Wir steuern auf die 5000 zu“, sagt Freitag.

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Die Folge: Allein für die Anmeldung in Duisburg beträgt die Wartezeit auf einen Termin vier Monate, ähnlich lange dauert der Übertrag einer Niederlassungserlaubnis in einen neuen Pass. „Ist aber nicht schlimm, da passiert nichts“, erklärt Freitag. Immerhin: Die Verlängerung von Aufenthaltstiteln schafft das Amt in einer Woche – weil den Betroffenen ansonsten Ärger mit Arbeitsplatz oder Jobcenter droht.

E-Mails: Bearbeitungsrückstand vervielfacht das Aufkommen

Mirze Edis, Ratsherr der Linken, kritisiert die Überlastung der Ausländerbehörde: Es werde seit Jahren nicht besser, sondern schlimmer.
Mirze Edis, Ratsherr der Linken, kritisiert die Überlastung der Ausländerbehörde: Es werde seit Jahren nicht besser, sondern schlimmer. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Telefonisch ist die Behörde nicht zu erreichen – das koste wertvolle Bearbeitungszeit. Deshalb läuft die Kommunikation über E-Mails. Deren Zahl steigt sprunghaft, auf rund 38.000 im vergangenen Jahr. Der Grund auch hier: ein Bearbeitungsrückstand von vier Monaten. „Ich kann es verstehen“, sagt der Leiter. „Weil sie nach Wochen immer noch keine Antwort haben, schicken die Leute es doppelt und dreifach.“

Erneut gebe es Hoffnung auf Besserung, berichtet Freitag. Sechs von elf beantragten Stellen sind bewilligt und eingerichtet, beschlossen sei auch der Einsatz von 14 Hilfskräften für die biometrische Datenerfassung. Auch die Einführung der digitalen Akte – seit April werden monatlich 7000 Papierakten gescannt, denen fortan Post automatisch zugeordnet wird – zeige Wirkung. „Wir wollen die Rückstände bis Januar abarbeiten und dann in den Regelbetrieb kommen“, hofft Freitag.

Linke und Grüne: Klare Mängel an der Personalentwicklung in der Verwaltung

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Höchste Zeit, sagen Ratsherren wie Mirze Edis (Linke) und Saris (Grüne), der im Ausschuss „klare Mängel in der Personalentwicklung“ an die zuständige Dezernentin Kerstin Wittmeier adressierte. „Die Lage wird seit Jahren nicht besser, sondern schlimmer“, sagte auch Edis: „Der Verwaltungsvorstand muss endlich eingreifen.“

Selbst die Flucht in die deutsche Staatsbürgerschaft sei keine Option, bemerkte der Ratsherr mit Sarkasmus: „Die Wartezeit für eine Einbürgerung beträgt zwölf Monate.“

>> AMTSLEITER BÜRGERSERVICE: BEI UNS LÄUFT ES GUT

  • „Mit meinem Kollegen in der Ausländerbehörde möchte ich nicht tauschen“, sagt Jürgen Frost, Leiter des Amtes für bezirkliche Angelegenheiten. Er antwortete im Ausschuss auf eine Anfrage der Fraktion Junges Duisburg zu Problemen bei der Online-Terminvergabe in den Bezirksämtern.
  • In den Bezirksämtern laufe der Bürgerservice zur Zufriedenheit der Bürger, meint Frost: Eine Befragung habe ergeben, dass besonders die Altersgruppe der 60- bis 70-Jährigen sehr zufrieden mit der digitalen Terminvergabe sei. Rund 260.000 Termine werden auf diese Weise mittlerweile vergeben.
  • Schwierigkeiten habe es während der Pandemie gegeben, weil Mitarbeitende erkrankt ausfielen oder ihre Kinder daheim betreuen mussten, räumte der Amtsleiter ein.
  • Zuletzt laufe der Betrieb aber rund, in den vergangenen zwei Monaten habe ihn nur eine Beschwerde erreicht: „Und die kam von einer Mülheimerin, die dort keinen Termin bekommen hat und es deshalb in Duisburg versucht hat.“