Duisburg. Organisierte Kriminalität oder Einzeltäter? Und was ist mit der Beute? Was die Polizei nach den Automatensprengungen im Duisburger Norden weiß.

Eine laute Explosion zerfetzt die ruhige Nacht. Anwohner schrecken unsanft aus ihrem Schlaf. Andere rauchen auf dem Balkon und beobachten zwei Täter flüchten. Sie entkommen auf einem Motorroller. Dabei hinterlassen die Verbrecher einen gesprengten Geldautomaten und eine verwüstetes Gebäude. Gleich zwei dieser Fälle haben sich zuletzt innerhalb weniger Tage im Duisburger Norden ereignet.

Bei der Volksbank in Röttgersbach schlug ein Duo am 3. Oktober zu, und in Aldenrade ließen am 12. Oktober zwei Täter den Geldautomaten im Eingang einer Postfiliale explodieren. Solche Überfälle stellen die Polizei vor besondere Herausforderungen. Die Chance, die Verbrecher zu finden, sind mit Blick auf die Statistiken gering.

„Wir haben noch keine Erkenntnisse über die Tatverdächtigen“, sagt Polizeisprecher Jonas Tepe im Gespräch mit dieser Redaktion. „Umso mehr hoffen wir, dass sich Zeugen melden.“ Dafür nutzt die Behörde unter anderem ein Online-Portal (nrw.hinweisportal.de), auf dem auch Fotos und Videos hochgeladen werden können. Zudem werden aktuell weiterhin die beiden Tathergänge geprüft.

Automatensprenger erbeuteten in Duisburg nicht immer Geld

Bereits gesichert gilt jedoch, dass bei der Sprengung in der Postfiliale die Verbrecher gescheitert sind und keine Beute machen konnten. Dagegen wurde bei der Volksbank in Röttgersbach Geld gestohlen. Zuvor hatten Kriminelle bereits im Juli in der Volksbank-Filiale in Aldenrade den Geldautomat mithilfe von Sprengstoff geplündert.

Die Ermittlerinnen und Ermittler der Kripo gehen derzeit nicht davon aus, dass es trotz augenscheinlicher Gemeinsamkeiten bei allen drei Überfällen dieselben Automatensprenger sind. Deshalb sprechen sie nicht von einer Verbrechensserie oder von Serientätern. „Wir sprechen auch noch nicht von organisierter Kriminalität“, ergänzt Jonas Tepe.

Auch interessant

Denn die Motorroller als Fluchtfahrzeuge scheinen nicht zur Vorgehensweise zu passen, die das Landeskriminalamt für einen Großteil der Automatensprengungen in NRW ermittelt hat. Demzufolge sind bisher meist marokkanisch-niederländische Banden beteiligt, die vor allem um Utrecht, Rotterdam und Amsterdam leben. Sie nutzen besonders gerne teure, schnelle Autos; eine berüchtigte Gruppe ist daher als die „Audi-Bande“ bekannt.

Allerdings schließt die Polizei im Moment auch noch nicht gänzlich aus, dass die drei Vorfälle im Duisburger Norden mit einer dieser Banden zu tun haben.

Der Duisburger Norden ist nach Polizeiangaben nicht besonders gefährdet

Sie schätzt auch die nördlichen Stadtbezirke nicht als besonders gefährdet ein. Drei von fünf bisher in diesem Jahr gesprengte Automaten stehen im Norden; einer in Großenbaum (2. Februar) und der andere in der Altstadt (21. Februar). Allerdings sei ganz Duisburg durch die Nähe zu den Niederlanden für Automatensprenger „geografisch günstig“ gelegen.

Entsprechend arbeitet auch das Landeskriminalamt eng mit den niederländischen Behörden zusammen. Das geschieht unter anderem in der gemeinsamen Ermittlungskommission „Heat“, die sich auch über die Duisburger Fälle mit der örtlichen Polizei austauschen.

Die kürzlich von Innenminister Reul bis Ende 2023 verlängerte Sonderkommission „Begas“ ist speziell wegen Geldautomatensprengungen gegründet worden und seit April im Einsatz. Die fünfköpfige Soko nutzt neue neue kriminaltechnische Standards und tauscht sich ebenfalls mit dem Duisburger Präsidium aus.

Volksbank und Post wollen ihre gesprengten Filialen schnellstmöglich wieder öffnen

Derweil sind alle durch Explosionen gesprengten Filialen darum bemüht, schnellstmöglich wiederzueröffnen. In allen Gebäuden richteten die Täter mit dem Sprengstoff erhebliche Schäden an. Trotz einer Versicherungen seien sie immens hoch. Über die genauen Schadenshöhen möchten die Kreditinstitute jedoch nicht sprechen.

In allen drei Fällen entstand ein hoher Sachschaden. Diese Aufnahme entstand am Morgen nach der Tat in Aldenrade.
In allen drei Fällen entstand ein hoher Sachschaden. Diese Aufnahme entstand am Morgen nach der Tat in Aldenrade. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Als erstes wiedereröffnen wird die Post an Friedrich-Ebert-Straße. Bereits an diesem Samstag soll es soweit sein.

Auch interessant

Die Volksbank in Aldenrade (Friedrich-Ebert-Straße 207) wird nicht nur repariert, sondern zugleich auch umgebaut. Für die Bauzeit sind provisorische Container geplant, die zwar schon längst bestellt seien, aber nicht geliefert werden. Zudem habe die Stadt Duisburg noch nicht über den Bauantrag entschieden. Auch für die am 3. Oktober verwüstete Filiale in Röttgersbach (Pollerbruchstraße 64) kann die Volksbank noch keinen verlässlichen Wiedereröffnungstermin nennen. „Wir werden unsere Geschäftsstelle schnellstmöglich instandsetzen und kurzfristig wiedereröffnen“, betont Sprecherin Claudia Behrens. Der Schaden sei aber deutlich größer als beim Überfall auf die Aldenrader Filiale.

Die Volksbank-Filiale in Röttgersbach hat es besonders heftig erwischt.
Die Volksbank-Filiale in Röttgersbach hat es besonders heftig erwischt. © Volksbank

Banken erhöhen ihre Sicherheitsmaßnahmen

Zusätzlich werde die Genossenschaftsbank die Sicherheitsvorkehrungen erhöhen und will damit künftige Sprengungen bestmöglich verhindern. Farbbomben sehen die Sicherheitsexperten der Volksbank kritisch, weil sie lediglich „einen kleinen Bereich von Amateuren“ abschrecken. Zudem gebe es Banden, die sich auf das säubern solcher gefärbten Geldscheine spezialisiert haben. Daher liebäugelt die Bank derzeit eher mit Rolltore und zusätzlichen Sperren vor den Geldautomaten.

Dagegen setzt die Postbank, deren Gerät an der Friedrich-Ebert-Straße explodierte, auf Farbpatronen, um die Banknoten unbrauchbar zu machen. Dies sei aber natürlich nicht die einzige Sicherheitsmaßnahme, laut einem Sprecher investiere man „in aktuellste Sicherheitstechnik an unseren Geldautomaten“. Diese Maßnahmen würden „laufend angepasst“. Dabei setzt die Postbank nicht nur auf Technik, sondern auch auf Menschen. So kontrollieren auch die Filialmitarbeiter die Automaten und das Umfeld „regelmäßig und nachweislich“.

[Nichts verpassen, was in Duisburg passiert: Hier für den täglichen Duisburg-Newsletter anmelden.]

Die Polizei hat ebenfalls die Streifenfahrten an den Bankstandorten verstärkt, insbesondere die Friedrich-Ebert-Straße erfahre aktuell mehr Polizeipräsenz. Während Anwohner überzeugt sind, dass die Postfiliale verschont geblieben wäre, sofern die nahegelegene Polizeiwache nachts besetzt sei, widerspricht die Behörde dieser These deutlich. „Wachen alleine produzieren keine Sicherheit, das schaffen die Streifen“, so Jonas Tepe. So verweist er darauf, dass in Ruhrort erst in dieser Woche eine Aral-Tankstelle überfallen wurde, ob wohl die besetzte Polizeiwache nur einige hundert Meter entfernt liegt.

Um die Sicherheit an den Kreditinstituten zu erhöhen, nimmt die Kriminalpolizei mit ihnen Kontakt auf, auch präventiv, um Maßnahmen zu besprechen. Zudem bietet der Opferschutz nach den Automatensprengungen Mitarbeitern Hilfen und Beratung an, wenn sie nicht verpacken, dass ihr Arbeitsplatz verwüstet wurde. Dasselbe Hilfsangebot gilt auch Anwohnern. So soll die Explosion in der Post so laut gewesen sein, dass man sie noch in Dinslaken hören konnte.

Eigentümer wollen keine Geldautomaten in ihren Immobilien

Die Mitarbeiter der zuletzt betroffenen drei Filialen haben den Opferschutz nach Informationen unserer Redaktion nicht in Anspruch genommen. „Wir haben einen starken Mitarbeiterzusammenhalt“, lobt Volksbank-Sprecherin Claudia Behrens. Die Teams vor Ort „fangen sich gegenseitig auf“ und hätten nach den Überfallen auch sofort gemeinsam in den Geschäftsstellen aufgeräumt.

Die zunehmenden Angriffe auf Geldautomaten wirken sich jedoch nicht nur auf Kunden aus, deren Filialen vor der Haustür für Reparaturen geschlossen sind. Sie lähmen auch, dass das Automatennetz erweitert wird.

Neue Standorte für Geldautomaten zu finden, falle etwa der Sparkasse Duisburg zunehmend schwer, berichtete Sprecher Andreas Vanek kürzlich in einem Gespräch mit dieser Zeitung. „Die Besitzer der Immobilien sind skeptisch, weil sie Schäden an den Gebäuden befürchten, wenn es zu Sprengungen der Automaten kommt.“ Die mögliche Unsicherheit bei den Bewohnern der Gebäude, soweit es sich um Wohn-Immobilien handelt, führe ebenfalls zu wachsender Zurückhaltung bei den Vermietern.

>> ERFOLGE BEI DEN ERMITTLUNGEN

● Die Polizei sucht weiterhin nach Zeugen und Hinweisen für die drei Vorfälle im Duisburger Norden. Hinweise nimmt die Kriminalpolizei unter 0203 2800 entgegen, Fotos und Videos können auf nrw.hinweisportal.de hochgeladen werden.

● Obwohl die Chance gering sei, bei solchen Sprengungen die Täter zu finden, gebe es durchaus Erfolge, wie die Polizei betont. So konnten im Mai eine Bande in Meiderich festgenommen werden und im Juli wurden zwei Serientäter gefasst werden, die zehn Automaten in Duisburg und anderen NRW-Städten gesprengt hatten.