Duisburg. Die Ermittlungsarbeit nach Tötungsdelikten und Überfällen ist zeitaufwendig, die Zahl der Überstunden hoch. Die Lage der Duisburger Kripo.
Das stundenlange Sichten von Videomaterial bei der Fahndung nach Räubern, die Auswertungen von Hunderten von Hinweisen bei Mordermittlungen und Sondereinsätze wegen Clankriminalität und Fußballspielen – die hohen Anforderungen in Duisburg sorgen bei der Kriminalpolizei für jede Menge Überstunden. Die Gewerkschaft Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) schlägt deshalb Alarm. Ihr Duisburger Vorsitzender Arno Eich sagt mit Blick auf die Situation vor Ort: „Es ist fünf nach zwölf.“
Die prekäre Lage im Land mit einer Krankenquote von elf Prozent hat vor zwei Wochen zu einer Anhörung im Innenausschuss des NRW-Landtags geführt. Der Titel „Kripo am Limit“ lässt das vermuten, was Arno Eich auch aus Duisburg berichtet: „Die Kripobeamten haben bei uns zum Teil wochenlang keine freien Tage. Darunter leiden die Gesundheit und das Familienleben.“
Kripo in Duisburg: Aufwendige Ermittlungen und viele Überstunden
Die Belastung sei seit Jahren extrem hoch: Ermittler arbeiteten parallel in mehreren Kommissionen gleichzeitig. Und die haben es in sich: Allein in die „MK Möller“ seien laut Schätzung des erfahrenen Ermittlers Eich über 10.000 Arbeitsstunden geflossen. Die Mordkommission lässt seit 35 Jahren bei der Suche nach dem Mörder der zehnjährigen Martina Möller nicht locker.
Das kostet allerdings Zeit und Personal. Ein Beispiel: Nachdem in der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY“ ein Betrag über den Fall ausgestrahlt wurde, gingen rund 500 neue Hinweise bei der Kripo ein. „Und die müssen alle gewissenhaft überprüft werden“, verdeutlicht Carina Weymanns, ebenfalls Ermittlerin und Vorstandsmitglied beim BDK Duisburg.
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Die Folge der komplexen und intensiven Ermittlungsarbeit in den aktuellen Kommissionen und auch bei den „Cold Cases“: Trotz Corona und sinkenden Fallzahlen wurden kaum Überstunden abgebaut. Wie viele Überstunden sich tatsächlich in Duisburg angesammelt haben, ist nicht ganz klar. Der Personalrat der Polizei Duisburg, in dem der BDK nur eins von 15 Mitgliedern stellt, lehnte eine Offenlegung der Überstunden für die einzelnen Dienststellen im Jahr 2019 ab. Landesweite Zahlen belegen jedoch: In NRW werden ein Drittel der Überstunden bei der Polizei von den 8000 Kripo-Beamten geleistet.
Duisburger Polizei mit Kritik an Personalverteilung
Doch wie können diese Probleme gelöst werden? Der Ruf nach mehr Personal und einer besseren Ausbildung ist nicht nur bei der Polizei Duisburg, sondern auch bei den Kollegen aus Essen und Mülheim zuletzt immer lauter geworden. Dabei gerät auch die „Belastungsbezogene Kräfteverteilung“ (BKV), die Planrechnung zum Anspruch auf das Personalgerüst, immer wieder in die Kritik.
„Die BKV ist ein Berechnungsinstrument, um alle Behörden gleich zu behandeln. Aber Besonderheiten, wie zum Beispiel Sprachschwierigkeiten sowie Intensität und Länge der Einsätze, die wir hier in Duisburg haben, werden nicht mit berücksichtigt“, wiederholte die vor wenigen Tagen in den Ruhestand gegangenen Polizeipräsidentin Dr. Elke Bartels in ihrer Amtszeit immer wieder. Ermittler Eich fügt an: Die Arbeit in Duisburg sei durch die hohen Arbeitslosenquote und den großen Migrationsanteil mit anderen Großstädten nicht vergleichbar.
Die Schwierigkeit, die Eich und Bartels mit diesen Aussagen aufzeigen wollen: Die Planrechnung berücksichtigt nur die statistischen Zahlen. Dabei zählt ein Verkehrsunfall genauso viel wie eine Mordermittlung, die deutlich zeitaufwendiger ist. Und: Vermisstenfälle, über 1000 im Jahr in Duisburg, Gefährdersachbearbeitung und circa jährlich 1400 Todesermittlungen gehen nicht in die Polizeiliche Kriminalstatistik ein, die Grundlage für die Kräfteverteilung ist.
Kritik an einheitlicher Ausbildung
Die Gesamtsituation führt dazu, dass der Job bei der Kriminalpolizei für viel immer unattraktiver wird. Immer weniger Polizisten entscheiden sich nach Ausbildung und den ersten Jahren im Wach- und Wechseldienst für eine Laufbahn bei der Kripo. In einigen Behörden in NRW mussten deshalb bereits Beamte zwangsverpflichtet werden. „Das war in Duisburg noch nicht der Fall, auch wenn die Personalsituation nicht rosig ist“, berichtet Polizeisprecherin Caroline Schlachzig.
Mit Blick auf die vergangenen Jahre kritisiert der BDK-Vorsitzende Eich auch die Vereinheitlichung der Ausbildung. „Wir müssen wieder für die Kripo ausbilden“, fordert er. Die aktuellen Ausbildungsinhalte seien schutzpolizeilastig. Bereiten also eher auf den Streifendienst vor. Eich: „Deshalb sind die neuen Leute bei uns für die Arbeit bei der Kripo nicht hinreichend vorbereitet.“
>>Gute Aufklärungsquote trotz Personalmangel
- Trotz der angespannten Personalsituation konnten die Ermittler in Duisburg bei der Aufklärungsquote einen Zehnjahresbestwert aufstellen. 58 Prozent der Fälle wurden im Jahr 2020 aufgeklärt.
- Gerade bei den Kapitaldelikten erreichte die Kripo im abgelaufenen Kalenderjahr eine hervorragende Quote: Vier von vier Mordfällen (drei ausgeführte Taten und ein Versuch) konnten sie lösen. Auch beim Totschlag liegt die Aufklärungsquote bei 100 Prozent (acht von acht, inklusive Versuche). Insgesamt arbeiteten die Ermittler 2020 in 55 Mordkommissionen mit der Staatsanwaltschaft zusammen.