Düsseldorf. Mit einer neuen Soko verschärft Herbert Reul den Kampf gegen Geldautomatensprenger. Videos zeigen hier, wie sie arbeiten – und rasend flüchten.
Gangster haben in diesem Jahr schon 73 Geldautomaten in NRW gesprengt – zuletzt in der Nacht zu Mittwoch in Mülheim. Innenminister Herbert Reul (CDU) will den Kampf gegen die Täter mit einer neuen, fünfköpfigen Sonderkommission verschärfen. „Ich will handeln, bevor es Tote gibt“, sagte er heute in Düsseldorf. Bereits seit Anfang Februar sei die Polizei nachts landesweit „mit allen verfügbaren Kräften auf der Straße“.
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Reul betonte, es sei „pures Glück, dass bei Sprengungen oder anschließenden Verfolgungsfahrten noch niemand gestorben ist“. Die Täter seien kaltblütig und ohne Skrupel. Längst werde Festsprengstoff statt Gas benutzt, und die Polizei sei „mit waghalsigen und halsbrecherischen Fluchtfahrten“ konfrontiert.
Video zeigt halsbrecherische Flucht
In einem vorgeführten Video, das aus einem Polizeihubschrauber aufgenommen wurde, sieht man, wie ein schwarzer Audi jede Lücke auf der Autobahn nutzt, um sich zwischen Lastwagen quer über alle Spuren auf engstem Raum durchzudrängen und schließlich über den Seitenstreifen zu rasen. „Es gibt Situationen, da müssen wir sie davonfahren lassen, um keine Menschenleben zu gefährden“, räumte der Minister ein.
Zahl der Sprengungen verdreifacht
Die Zahl der Sprengungen sei in diesem Jahr „in die Höhe geschossen“, bilanzierte Reul, es gebe eine Verdreifachung. Im gesamten Jahr 2021 hatte die Polizei in NRW 152 Sprengungen von Geldautomaten registriert. Banken berichteten von doppelt so hohen Schäden wie vor fünf Jahren, die Täter hinterließen „ein Feld der Verwüstung“.
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Die neue Sonderkommission BEGAS (Bekämpfung und Ermittlung von Geldausgabeautomaten-Sprengungen) werde „alles auf den Kopf stellen, um die schlagkräftigste Antwort zu geben“, sagte Reul. Leiterin Christa Lübbers, zuletzt Chefin des Staatsschutzes beim Polizeipräsidium Düsseldorf, erklärte, dass die „Tatortarbeit künftig bei den Behörden konzentriert würden, die über eine Kriminaltechnische Untersuchungsstelle verfügen.“ Die wichtige Spurensicherung sei in den Trümmerfeldern, die man zuweilen vorfinde, immer komplizierter. „Künftig“, fügte Reul hinzu, „sollen sich Experten aus allen Disziplinen über jeden Geldautomaten beugen, der gesprengt worden ist.“
Für jeden der 11.000 Geldautomaten eine Gefahrenbewertung
Alle nötigen Bereiche, so Lübbers, sollen in der Soko systematisch zusammengeführt werden. Dazu zähle auch die Zusammenarbeit mit ausländischen, vornehmlich niederländischen Behörden und den Banken.
Beim Bankengipfel im Innenministerium im Februar sei bereits verabredet worden, dass für jeden der 11.000 Geldautomaten in NRW eine Gefahrenbewertung getroffen werde, sagte Reul. Es gehe um Zufahrtschutz, verbesserte Überwachung und auch um den Abbau an Risikostandorten.
„Aber das müssen am Ende natürlich die Banken entscheiden“, stellte der Minister klar. Diese hätten zwar mit Vernebelungsanlagen oder Farbpatronen aufgerüstet, aber es gebe „kein Wundermittel“. Selbst für „das verdreckte Geld gibt es einen Markt“, so Innenminister Herbert Reul. „Jeder Automat“, warnte er, „ist auch eine Gelegenheit.“
Die SPD hielt Reul vor, bei den Machenschaften krimineller Banden bislang weggeschaut zu haben. „Nun möchte er wenige Tage vor der Landtagswahl prüfen, wie man mit einem Problem umgehen soll, das seit langem bekannt ist“, monierte Sven Wolf, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Fraktion im Landtag. Der erhöhte Handlungsbedarf sei schon mit den enormen Fallzahlen 2020 klar gewesen.