Duisburg. Erstmals seit Jahrzehnten kann man mit Mittlerer Reife wieder Polizist werden. Für einen 22-Jährigen erfüllt sich in Duisburg so ein Traum.
Mit sechs Jahren saß Noah Jäger das erste Mal in einem Polizeiauto. Ein Schnappschuss aus dem Familienalbum zeigt ein strahlendes Kinderlächeln. „Polizist ist einfach mein Traumberuf“, sagt der junge Mann 16 Jahre später. Um sein Ziel zu erreichen, ist er extra aus der schönen hessischen Provinz in die Großstadt Duisburg gezogen. Hier ist er Teil des ersten Jahrgangs Fachoberschule Polizei.
Denn seit 2022 ist es in Nordrhein-Westfalen wieder möglich, auch mit einem mittleren Schulabschluss, sprich der Mittleren Reife, Polizeikommissar zu werden.
Den fünf Jahre langen Weg hat der 22-Jährige im August gestartet. Im ersten Jahr ist sein Wochenplan zweigeteilt: Montags und freitags drückt er mit 30 Klassenkameradinnen und Klassenkameraden im Walther-Rathenau-Berufskolleg in Obermarxloh die Schulbank. In einer echten Polizeiklasse. Dort stehen neben Mathe, Englisch und Deutsch auch die Fächer Recht und Staatslehre auf dem Stundenplan.
Dienstags bis donnerstags absolviert er Praktika bei der Duisburger Polizei. In der Pressestelle und der Direktion Zentrale Aufgaben war er schon. Es folgen unter anderem auch noch Phasen im Streifendienst und bei der Kriminalpolizei. Die Polizeioberschüler durchlaufen alle Direktionen. „Der erste Monat war ziemlich intensiv. Es sind viele neue Eindrücke. Das Wichtigste muss man dann für sich herausziehen“, blickt Noah Jäger auf seinen Start zurück.
Sein Alltag wird sich im Sommer ändern: Denn im zweiten Jahr steht der schulische Teil im Fokus. Am Ende soll dann 2024 die volle Fachhochschulreife stehen – und damit der Sprung in das Duale Studium zum Kommissaranwärter.
Von Hessen nach Duisburg: Polizeioberschüler macht den Schritt
300 junge Menschen haben vor wenigen Wochen in NRW diesen Pfad eingeschlagen – an elf Berufskollegs im Land. Sie haben sich unter 2500 Bewerbern durchgesetzt. „Wenn wir die ans Ziel bringen, ist das ein Vorteil. Denn wir brauchen die Kräfte. Und es ist sicher für diese künftigen Kommissaranwärter dann kein Nachteil, dass sie die Abläufe in der Polizei bereits kennen“, verdeutlicht Michael Bach. Der Polizeihauptkommissar ist Personalwerber bei der Duisburger Behörde.
Nach jahrelanger Debatte hatten sich im NRW-Landtag CDU und FDP auf diesen Weg verständigt. Die Liberalen hatten bereits 2017 im Koalitionsvertrag durchgesetzt, dass in NRW auch Realschülern wieder der Weg zur Polizei geöffnet werden solle. Mit Einführung der zweigeteilten Laufbahn war dies in den vergangenen Jahrzehnten nur noch Abiturienten und Quereinsteigern mit abgeschlossener Berufsausbildung möglich.
„Ich sehe keinen Grund, warum Realschüler keine guten Polizisten werden können“, ist Noah Jäger überzeugt. Er ist familiär vorgeprägt: Seine Mutter ist Polizistin in der hessischen Heimat. Aber: Mit der Mittleren Reife bestand für ihn zunächst keine Chance, ihr nachzueifern. Nach seinem Schulabschluss verpflichtete er sich zunächst für 23 Monate bei der Bundeswehr.
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Doch dann öffnete sich in Nordrhein-Westfalen mit der Fachoberschule Polizei ein Türchen. Der junge Mann durchlief erfolgreich den Bewerbungsprozess mit mehreren Tests (siehe Zweittext) und nahm für die Karriere auch den Umzug in Kauf. Er lebt nun in Hochfeld. „Mich reizt die Arbeit im Team, die Abwechslung und, dass ich mich für den Beruf körperlich fit halten muss“, sagt Noah Jäger. Die Sicherheit, die der Ausbildungsweg mit der Perspektive des dualen Studiums biete, sei für ihn zudem wichtig gewesen.
Warten auf die Polizeiuniform
Bei seinen Praktika im Polizeipräsidium und in den anderen Dienststellen ist die Nachwuchskraft noch in zivil unterwegs. Die Polizeiuniform darf er erst als Kommissaranwärter tragen. Für den zielstrebigen Neu-Duisburger sei das eine enorme Motivation: „Ich möchte dann würdig sein, diese Uniform zu tragen.“