Duisburg. Die Laufzeit des Zeltdorfes für ukrainische Geflüchtete wollte die Stadt Duisburg verlängern. Weshalb die Bemühungen intern scheiterten.
Der überstürzte Beginn der Räumung des Zeltdorfs für ukrainische Geflüchtete an der Hamborner Straße (wir berichteten) hat offenbar weitere Gründe, als die von der Verwaltung bisher genannten. Am Montag hatte Stadtsprecherin Anja Kopka „den bevorstehenden Winter und die Energiekrise“ angeführt. Nach Informationen dieser Zeitung fand sich aber niemand, der bereit gewesen wäre, die Verantwortung für den weiteren Betrieb der Zeltstadt bis zum 15. Dezember zu übernehmen.
Weiterbetrieb des Delta-Dorfes: Die „heiße Kartoffel“ im Verwaltungsvorstand
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Wie eine heiße Kartoffel, so heißt es aus Rathaus-Kreisen, habe Stadtdirektor Martin Murrack in den vergangenen Wochen versucht, die Verantwortung für den weiteren Betrieb des „Delta-Dorfes“ in der Verwaltung zu delegieren. Letztlich erfolglos, denn das weitere Betreiben des Lagers hätte ab Mitte Oktober möglicherweise einer Genehmigung durch die Bauaufsicht bedurft. Der Entschluss des Stadtdirektors, „den Betrieb als möglich und rechtskonform zu werten“, wie die Stadtsprecherin schreibt, reichte den Dezernaten offenbar nicht.
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Nur dank einer Ausnahmeregelung, die das NRW-Bauministerium 2015 im Zuge der Zuwanderung einer großen Zahl von Syrern verfügte und bis Oktober 2017 verlängerte, kann die Unterbringung vieler Menschen in einem Zeltdorf befristet und ohne Genehmigung der Bauaufsichtsbehörde geduldet werden. Allerdings, so die Verwaltung, gebe es eine „Unschärfe“ im Vergleich zum aktuellen Erlass des Ministeriums vom März 2022, der keine Fristsetzung für die Duldung vorsieht. „Seit April bemüht sich die Bauordnung erfolglos um eine Klärung mit dem Land“, so Anja Kopka, auch eine Anfrage des Stadtdirektors am Donnerstag habe die Rechtsunsicherheit nicht beseitigen können.
Aktueller Betreibervertrag läuft nur noch bis zum 12. Oktober
Ukraine- Warum die Stadt Duisburg den Krisenstab auflöstDer Betreiber-Vertrag von Sebastian Eimers, er ist selbst auch Feuerwehrmann, läuft nur bis zum 12. Oktober. Mit dem weiteren Betreiben des Delta-Dorfes, dem Vernehmen nach für weitere acht Wochen, hoffte sich die Verwaltung, Zeit zu verschaffen für die Vermittlung der verbliebenen rund 540 Menschen in Wohnungen. Am Dienstag sollte der Vergabeausschuss über einen Anschlussvertrag mit Eimers über den „Betrieb der Flüchtlingsunterkunft Hamborner Straße bis zur Auflösung“ entscheiden. Dazu kam es aber nicht mehr.
Denn zunächst lehnte es das städtische Immobilien-Management ab, das Zeltdorf weiterzuführen. IMD-Geschäftsführer Thomas Krützberg, so heißt es, habe auf die fehlende bautechnische Abnahme verwiesen. Sozialdezernentin Astrid Neese, zwar für die Organisation und Betreuung sowie Bildungsangebote für die Geflüchteten zuständig, sah sich mit ihrem in Bau- und Sicherheitsfragen nicht versierten Dezernat ebenfalls außerstande, den Betrieb des Delta-Dorfes zu verantworten.
Bauordnung: Kein Segen für den Weiterbetrieb ohne Rechtssicherheit
So fiel der Blick, wie Beteiligte des Prozesses berichten, auf Matthias Börger – der Dezernent für Umwelt, Kultur und Gesundheit verantwortet seit dem Abgang von Andree Haack nach Köln kommissarisch das Ordnungsdezernat und damit auch die Bauordnung. Die Aufsichtsbehörde, die seit der Loveparade-Katastrophe äußerst penibel auf die Einhaltung aller Vorschriften achtet, signalisierte allerdings umgehend, dass sie ihren Segen zum Weiterbetrieb nicht erteilen würde, solange keine ausreichende Rechtssicherheit in der Erlasslage herrsche.
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So geriet im Angesicht des auslaufenden Betreibervertrages die Auflösung des Lagers am vergangenen Freitag unter Zeitdruck. Im Sozialausschuss vermied Dezernentin Neese - womöglich in der Hoffnung auf eine Lösung in letzter Minute oder auf Geheiß des Stadtdirektors – eine klare Aussage zum Räumungsbeginn. Der wurde gleichzeitig aber schon beschlossen und organisiert – die Umzugsankündigung, auch sie trägt das Datum vom Freitag, hielten die ersten Geflüchteten am Samstag in der Hand. Der Auszug der Geflüchteten aus dem „Delta-Dorf“ werde „voraussichtlich bis Ende des Monats abgeschlossen sein“, so die Stadtsprecherin am Dienstag.
LEBEN IN ZELTEN: DAS SIND DIE SICHERHEITSBESTIMMUNGEN
- In seinem Erlass zur Unterbringung von Flüchtlingen vom 15. März formuliert das NRW-Bauministerium (MHKBG) die Brandschutzanforderungen für Zelte in einem vierseitigen Anhang.
- Zelte sollten in Länge und Breite jeweils 40 Meter nicht überschreiten, heißt es da. Während des Betriebes „ist Aufsichtspersonal ständig anwesend“. Der Mindestabstand zwischen Zelten und anderen Gebäuden muss fünf Meter betragen, die Zelt-Außenwände müssen schwer entflammbar sein.
- Die Zelte müssen zwei Ausgänge in Rettungsweg-Breite haben und entsprechend gekennzeichnet sein, ab einer Belegung mit mehr als 200 Personen brauchen sie innerhalb und außerhalb, eine Sicherheitsbeleuchtung. In den Wohnzellen innerhalb der Zelte müssen Rauchmelder installiert sein. Außerdem muss es eine Alarmsirene und genügend Feuerlöschern für das Aufsichtspersonal geben.
- Grundsätzlich stellt der Erlass zur baurechtlichen Betrachtung mobiler Einrichtungen (Container, Zelte) fest: Die Unterbringung kann grundsätzlich „für einen von der Bauaufsicht zu bestimmenden Zeitraum“ geduldet werden. Ist von vornherein nur eine kurzfristige Nutzung vorgesehen, ist nur der Zeitpunkt der Nutzungsaufgabe festzulegen.