Duisburg. Schon vor dem Zustrom von Geflüchteten aus der Ukraine war das Schulsystem in Duisburg überlastet. Nun sendet die Stadt einen Hilferuf ans Land.
Die Flucht von 1240 Kindern und Jugendlichen aus der Ukraine, eine anhaltend hohe Zuwanderung aus Südosteuropa, sowie der Umzug von syrischen Familien aus anderen deutschen Gemeinden sprengen die Grenzen des Schulsystems in Duisburg. Zum Schuljahresstart bleiben rund 700 Schülerinnen und Schüler ohne Platz. Das berichten Bildungsdezernentin Astrid Neese, Schulamtsleiter Ralph Kalveram und Marijo Terzic, Leiter des Kommunalen Integrationszentrums (KI) im Gespräch mit dieser Zeitung.
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Das Eintreffen einer hohen Zahl von Mädchen und Jungen nach dem Kriegsausbruch Ende Februar hat das ohnehin überlastete System gesprengt. „Auch ohne die Kriegsflüchtlinge hatten wir schon im vergangenen Schuljahr eine unverändert hohe Zuwanderung nach Duisburg“, berichtet Marijo Terzic. Rund 800 schulpflichtige Kinder, in der großen Mehrzahl aus Südosteuropa und Syrien, absolvierten mit ihren Eltern im KI die Erstberatung und die Schuluntersuchung. Trotz der bereits herrschenden Enge in den Klassenzimmern konnten die meisten von ihnen an Schulen zur Erstförderung in Integrationsklassen vermittelt werden. Zuletzt warteten noch rund 100 Mädchen und Jungen auf einen Schulplatz.
Dramatischer Mangel an Schulraum und pädagogischem Personal in Duisburg
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Der Versuch, zudem noch die ukrainischen Kinder und Jugendlichen (420 Grundschüler, 339 für die Klassen 5-7, 299 für die Klassen 8-10 und 182 Jugendliche für Berufskollegs) unterzubringen, sei aussichtslos, sagt Amtsleiter Ralph Kalveram: „Das ist den Schulen nicht zuzumuten.“ Es fehle nicht nur an Schulraum, sondern vor allem auch an pädagogischem Personal.
Der Stand zum Schuljahresstart: Von 1240 jungen Ukrainern haben rund 400 einen Schulplatz, weitere rund 400 warten nach Abschluss des Beratungsprozesses auf die Vermittlung, rund 400 sind noch im Beratungsprozess. Wenn’s gut läuft, werde man noch für 200 Mädchen und Jungen einen Platz finden, sagt Kalveram: „Wie viele es sind, können wir erst nach dem Start des Schuljahres klären.“ Das heißt: In Summe mit den hundert Kindern auf der Warteliste wird die Stadt insgesamt rund 700 Schülern keinen Platz anbieten können.
NRW-Bildungsministerin Dorothee Feller erstmals in der Stadt
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Einen Hilferuf wird Astrid Neese bei der neuen NRW-Bildungsministerin Dorothee Feller (CDU) platzieren, die am Mittwoch zum Antrittsbesuch nach Duisburg kommt. „Wir erwarten mehr Flexibilität vom Land“, sagt die Dezernentin. Sie erinnert daran, dass Duisburg nach Kriegsausbruch bereit war, eine deutlich größere Zahl von Ukrainern aufzunehmen, als die Stadt nach der Quotenregelung musste. Unterstützen soll das Land nicht nur bei den finanziellen Lasten, sondern auch bei den Herausforderungen für das Bildungssystem.
Um die Raumnot zu lindern, soll die bisherige Hauptschule Gneisenaustraße in Neudorf möglichst schnell wieder als Schulraum genutzt werden. „Der Antrag ist gestellt“, sagt Ralph Kalveram. Die Immobilie hat die Stadt, für das Personal muss die Ministerin über die Bezirksregierung sorgen. Kann es dafür eine schnelle Lösung geben? Kalveram: „Uns trägt die Hoffnung.“
Bildungsdezernentin: Mehr Flexibilität bei der Nutzung von schulähnlichen Gebäuden
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Flexibilität erwartet Astrid Neese bei der Genehmigung für die Nutzung von weiteren „klassenraumähnlichen Gebäuden“ für die Erstförderung von der Ministerin. „Das sieht das Schulgesetz nicht vor.“
Das könnte weitere Entlastung bringen, denn weitere Schulimmobilien stehen kurzfristig nicht zur Verfügung. Die Comenius-Schule (Hamborn) wird zumindest noch ein weiteres Jahr von der Theodor-König-Gesamtschule belegt, die einstige Hauptschule Hitzestraße (Wanheimerort) muss zunächst saniert werden.
BILDUNGSANGEBOTE IM „DELTA-DORF“ UND AM INGENHAMMSHOF
- Um die Defizite bei der schulischen Bildung aufzufangen, hat die Stadt ein umfangreiches Bildungsangebot für die Kinder und Jugendlichen aus der Ukraine organisiert, die im Zeltdorf auf dem Areal des ehemaligen Delta-Musikparks in Hamborn leben. Für Lern- und Freizeit-Angebote wird auch der Ingenhammshof in Meiderich intensiv genutzt. „Da waren in den Ferien täglich mehrere hundert Kinder“, berichtet Mike Kim (AWO Integration), der die Angebote der zahlreichen dort engagierten Träger koordiniert.
- Im sogenannten „Delta-Dorf“ leben derzeit noch rund 800 Geflüchtete, Tendenz fallend. „Die Vermittlung von Wohnraum läuft in Duisburg gut“, sagt die Beigeordnete Astrid Nesse. Eine große Fluktuation unter den Geflüchteten sei derzeit nicht festzustellen, berichtet Marijo Terzic (KI). „Die Menschen kehren nicht in größerer Zahl zurück in die Ukraine, auch nennenswerte Zuzüge gibt es nicht.“