Duisburg. Wie die Bahn aus dem Hauptbahnhof durch Untätigkeit und Misserfolge einen Witz machte und warum der Neubau auch Sorgen bereitet. Ein Kommentar.
Jeden Tag, seit Jahren schon, sehen Zehntausende dies von Duisburg: eine splitternde Fassade, die von Klebeband zusammengehalten wird; bröckelnde Stützpfeiler; Fangnetze unter einem maroden Dach. Dieses Dach, unter dem die Bahn ihre Kunden jahrelang im Regen stehen ließ, es ist wie das Panzerklebeband ein Duisburger Wahrzeichen im schlechtesten Sinne geworden: ein Symbol des Verfalls.
Der Sanierungs- und Ausbaustau im ÖPNV sowie das mehrfache Scheitern des Staatskonzerns in Duisburg seit spätestens 2012 haben aus der Stadt und ihrem Hauptbahnhof einen Witz gemacht.
Nur angemessen ist es, dass die Bahn sich jetzt, da sie endlich Unternehmen für den Umbau gefunden hat, nicht auch noch übermäßig feiert.
Der Duisburger Hauptbahnhof war bereits vor 2012 marode
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Denn diese Verspätung war selbst für die Bahn gewaltig. Als der Konzern und der damalige NRW-Verkehrsminister Michael Groschek 2012 den „großen Wurf“ bekanntgaben, dass Duisburg endlich eine neue Gleishalle bekommt, kündigten sie den Baustart für 2017 an, die Fertigstellung für 2020 (!).
Zur Erinnerung: Bereits vor 2012 herrschte dringender Handlungsbedarf; einen Großteil der bis 2011 denkmalgeschützten Gleishalle hatten Denkmalschützer damals bereits als nicht mehr standsicher eingestuft – weil die Bahn sich nicht um die Instandhaltung gekümmert hatte. Ausdruck dessen war etwa die Sperrung im November 2008, als ein Sturm Dachteile heruntergeweht hatte.
Pech und/oder Unvermögen?
Scheiterte der Konzern seither am Bauboom und/oder daran, dass er nicht mehr Geld für den Neubau ausgeben wollte? Nicht mehr investieren durfte? Wäre die Auftragsvergabe tatsächlich nicht vereinbar mit dem vernünftigen Umgang mit Steuergeldern gewesen? Pech oder Unvermögen? Die Antworten kennen nur Beteiligte.
Was aber mehr als stutzig macht, ist nicht nur die gefühlte Ewigkeit zwischen den Ausschreibungen: Beim Bau der Prestige-Bahnhöfe in Berlin und Stuttgart war die öffentliche Hand weniger sparsam. Und warum hat die DB die Ausführungsplanung nicht schon bei den ersten Ausschreibungen übernommen? Branchenkenner wissen, dass dies bei solch großen Projekten üblich ist, um die Aufträge attraktiver zu machen.
Sorgen vor Problemen beim komplizierten Umbau
Es bleibt der bittere Eindruck, dass Duisburg und die Bahnkunden wie der ÖPNV und alle Steuerzahler hier unter jener Schwerfälligkeit gelitten haben, die sich auch die Bahn selbst austreiben will.
In die Erleichterung über den Durchbruch, der nun mit einer Viertelmilliarde Euro – statt 100 Millionen Euro – erkauft wird, mischt sich darum neue Sorge: Die lange Bauzeit und die Komplexität der Arbeiten bergen Potenzial für einige böse Überraschungen und Verzögerungen zu Lasten von Bahnkunden und Steuerzahlern.
Seltene Chance für neue Wahrzeichen
Die Duisburger dürfen sich freilich dennoch freuen – auch über einen Meilenstein beim Umbau der Stadtmitte. Diese verändert rund um den Bahnhof und mit den Dünen auf dem Loveparade-Areal ihr Gesicht.
Es besteht die seltene Chance auf neue Wahrzeichen: Die architektonisch gelungene Duisburger Welle könnte eines werden.