Duisburg-Altstadt. 1961 wurde „Liebfrauen“ in der Duisburger City eröffnet. Die Anfänge reichen aber bis ins Jahr 1272. Was Besucher beim Rundgang erfahren.
Die Salvatorkirche ist die unbestrittene Stadtkirche: Prachtvoll, neben dem Rathaus gelegen, für Gläubige und Touristen ein beliebtes Ziel. Doch es gibt ein weiteres Gotteshaus in der Innenstadt, das sich nicht verstecken muss: die Liebfrauenkirche, die mittlerweile nicht mehr für Gottesdienste, sondern als Treffpunkt für Kultur genutzt wird. Der moderne Beton-Bau mag etwas täuschen, die Geschichte von „Liebfrauen“ reicht zurück ins Jahr 1272. Alle, die mehr über sie erfahren wollen, können nun immer samstags und sonntags an einer Führung teilnehmen.
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„Ich war hier oft bei Veranstaltungen und immer wieder beeindruckt“, erklärt Margret Stohldreier, wie sie auf die Idee gekommen ist, sich mit dem Bauwerk zu befassen. In den vergangenen Jahren engagierte sie sich bereits für Mercators Nachbarn, hat Führungen rund ums Rathaus angeboten und sich mit der Salvatorkirche beschäftigt. Nun ist sie der Meinung: „So eine moderne Kirche bietet viel mehr Perspektiven und Anknüpfungspunkte als eine gotische.“ Denn auf klassische Schönheit kommt es in diesem Fall nicht an.
Kirche in der Duisburger Innenstadt ist typisch für die 1960er Jahre
Der Doppelgeschoss-Bau ist ein typisches Beispiel für die Architektur der 1960er Jahre. „Beton brut“ nennt man den nüchternen Sichtbeton, den der Architekt Toni Hermanns gewählt hat – als „Brutalismus“ wird der Baustil auch bezeichnet. Die Glasfenster der Kirche sind für den Pavillon des Vatikans auf der Weltkunstausstellung in Brüssel im Jahr 1958 entstanden und stammen von Georg Meistermann und Gérard Lardeur.
„Der sakrale Innenraum im Obergeschoss ist nicht nur von beeindruckenden Ausmaßen sondern wegen seiner Lichtinszenierung über die Fassade aus Glasfaser-Verbundplatten mit der raffinierten Dreiecksgeometrie ein Zeugnis von Wagemut und Kühnheit“, findet Margret Stohldreier. Wenn sie Besucher durch die Kirche führt, stehen die regelmäßig staunend auf der Zwischentreppe und betrachten die Ober- und die Unterkirche.
Unten befindet sich die Kapelle, der so genannte „Raum der Stille“. Montags trifft sich hier die Gemeinschaft St. Egidio. Es ist der einzige Tag, an dem noch die Glocken geläutet werden. „Hier setzen sich schonmal der eine oder andere Jurist hier rein, um einen Moment Ruhe vor der nächsten Verhandlung zu finden“, hat Wolfgang Esch beobachtet. Der Vorsitzende der Stiftung „Brennender Dornbusch“ und seine Mitstreiter engagieren sich für den Erhalt der heutigen Kulturkirche.
In der eher düsteren Kapelle, in die durch ein farbenprächtigen Fenster etwas Licht scheint, befindet sich übrigens auch alte religiöse Kunst. Gemeint sind nicht nur die Sitze, die schon ein paar Jahrzehnte auf dem Buckel haben, sondern die Marien-Statuen aus der Vorgänger-Kirche. Ein besonders wertvolles Stück wurde inzwischen gesichert – schließlich stehen die Türen des Gotteshauses täglich offen.
Bau sollte sich bewusst vom Historismus abgrenzen
„Beachten Sie mal den Boden. Wir gehen davon aus, dass auf dem König-Heinrich-Platz die gleichen Steine lagen und die Leute so hineingezogen wurden“, sagt Margret Stohldreier. Anfangs sollen die benachbarten Richter allerdings nicht so begeistert gewesen sein, dass der moderne Bau, der sich bewusst vom Historismus abgrenzen sollte, neben das Landgericht gesetzt wurde.
Vor dem Zweiten Weltkrieg befand sich „Liebfrauen“ am Rande des Burgplatzes - wegen des dazugehörigen Klosters viel früher auch Minoritenkirche genannt. „Die Katholiken waren in Alt-Duisburg nach der Reformation eigentlich lange Zeit eine Minderheit. Das Bürgertum war eher Protestantisch. Erst durch die Industrialisierung wuchs die Gruppe“, weiß Esch. Er selbst sei übrigens „Protest-Katholik“, denn in Düsseldorf habe es eine Pfarrei gegeben, in der viele Kulturveranstaltungen stattgefunden haben. „Meinen Eltern passte es gar nicht, dass ich mich so dafür interessiert habe.“
Nachdem der Neubau von „Liebfrauen“ 1961 eröffnet worden war, waren bald die besten Zeiten für die Kirche auch schon wieder vorbei. Die Zahl der Geburten nahm ab, die der Beerdigungen wuchs, und inzwischen treten viele Menschen bewusst aus der Kirche aus. Als im Bistum Essen Anfang der 2000er Jahre debattiert wurde, welches Gotteshaus erhalten bleiben sollte, entschied man sich für St. Joseph am Dellplatz.
„Dort schlug das katholische Herz von Stadtmitte. Der Einzugsbereich ist dort viel größer, in der Nähe befinden sich das Hildegardis-Gymnasium, die Grundschule und das Krankenhaus St. Vincenz, alle katholisch. In der Innenstadt wohnen ja kaum Leute und in Neudorf und Duissern gab es eigene Kirchen“, erklärt Esch.
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Unternehmer Wilhelm Fasel spendete Geld für die Gründung einer Stiftung
Es ist nicht nur dem Denkmalschutz, sondern auch dem dem Unternehmer Wilhelm Fasel zu verdanken, dass das Grundstück samt Liebfrauenkirche vom Bistum nicht verkauft wurde. „Fasel war praktizierender Katholik und Liebfrauen war ,seine’ Kirche.“ Also sorgte er auch mit Geld dafür, dass die Stiftung „Brennender Dornbusch“ gegründet wurde.
Der Name bezieht sich auf das Motiv über dem Eingang. „Das Vermögen ist zwar ganz ordentlich, aber wir dürfen ja nur die Erträge verwenden“, beschreibt Wolfgang Esch. Die reichen in Zeiten von Null- und Niedrigzinsen kaum, um die laufenden Kosten zu bezahlen. Ein eigenes Programm auf die Beine zu stellen ist nicht drin.
Dann und wann finden Konzerte von anderen Veranstaltern statt. Der Barde Bernd Begemann trat neulich auf, Butterwegge gab mal ein Weihnachtskonzert. Die Duisburger Akzente bespielen das Haus, Architekten stellen aus. „Und auch die jungen Zöllner sind liebe Stammgäste. Für ihr Einführungspraktikum wird das Haus jedes Jahr zwei Wochen angemietet“, so Esch. Er und die anderen Hüter des Gotteshauses waren begeistert, als Margret Stohldreier sich für Führungen anbot.
„Ich hatte schon Besucher aus Belgien dabei. Und es kommen immer wieder Duisburger, die erzählen, was sie mit dem Haus verbinden“, berichtet sie. Manchmal, wenn Kinder dabei sind, dürfen die sich sogar auf den alten Altar legen und sich in Ruhe den Baldachin anschauen. „Es ist so ein spannendes Haus. Toll, dass wir diese Kirche in Duisburg haben.“
>> Bis Ende September gibt’s Führungen
Bis Ende September ist Margret Stohldreier immer samstags von 14 bis 16 Uhr und sonntags von 10 bis 12 Uhr vor Ort und nimmt Interessierte mit auf Ihre Runde.