Duisburg Altstadt. . Margret Stohldreier führt als Margareta von Stoldryer durch die Salvatorkirche – und klärt auf, welche Geschichten sich um die Gedenktafeln ranken.
Wenn Margret Stohldreier ihre gehäkelte Kopfbedeckung aufsetzt, reist sie gedanklich einige Jahrhrunderte zurück. Als sie vor einigen Jahren in Rente ging, suchte sich die heute 65-Jährige ein neues Ehrenamt und engagiert sich seitdem im Präsenzdienst der Salvatorkirche. Sie arbeitete sich in die Geschichte des Gotteshauses ein und bietet seitdem regelmäßig Führungen an als „Margareta van Stoldryer“. Am heutigen Freitagnachmittag informiert sie ab 15 Uhr über die Grabplatten und Epitaphien. Die Rundgänge bereitet sie mit Liebe zum Detail vor, hat etwa Brausebonbons mit einem kleinen Bild des Corputiusplanes beklebt.
Ob es Margareta von Stoldryer wirklich gab, ist nicht überliefert. Sicher ist jedoch, dass ein Peter Stoldryer gelebt hat. Margret Stohldreier ist bei ihrem Quellenstudium auf ihn gestoßen, als sie ein Buch von Averdunk las. Stoldryer stammte aus einer Familie von Stuhldrechslern und sollte ein Folterinstrument für die Spanier herstellen. Letztlich war es jene Namensgleichheit, die sie inspirierte, sich die Figur der Margareta zu überlegen. Die Legende geht so: Margareta hat von 1640 bis 1708 gelebt. Sie war die Frau eines Zimmermanns, der für die Ausbesserungsarbeiten in der Salvatorkirche zuständig war. Als solche war sie selbst oft im Gotteshaus zugegen, erlebte beispielsweise Gottesdienste und Beerdigungen mit – und kann deshalb berichten.
„Damals war es ein gesellschaftliches Ereignis, in die Kirche zu gehen. Hier war es trocken und warm und man konnte sich mit den Leuten unterhalten“, erzählt die belesene Duisburgerin, die viele Jahre in der Bibliothek eines Wirtschaftsverbandes arbeitete. Die Inschriften auf den Grabplatten und Epitaphien zu lesen, gleiche manchmal einem Krimi, auf jeden Fall lassen sich viele schicksalhafte Familiengeschichten ablesen. Dazu musste sich Margret Stohldreier aber erst einmal wieder in die lateinische Sprache hineindenken.
Reger Austausch mit den Niederlanden und Belgien
Teilweise hatten die Personen auch niederländische Namen. Corputius firmierte auch unter Johan van den Corput. „Ein gewisser Martinus Hundius, er war der zweite theologische Professor nach Clauberg, kam aus der Pfalz nach Duisburg. Darüber bin ich gestolpert, wie wohl ein Mann von dort zu uns kam.“ Die Pfalz war die erste Region, in der der neue Katechismus gelehrt wurde. „Und auch mit den Niederlanden und Belgien hat ein geistiger Kulturaustausch stattgefunden. Das hat sich bis zu Mercator herumgesprochen, ganz ohne Handy.“
In der Salvatorkirche wurden im 16. und 17. Jahrhundert immer wieder bekannte Persönlichkeiten begraben, darunter Gerhard Mercator und Johannes Clauberg. 25 hölzerne Platten und drei Steine erinnern an Professoren der Alten Universität, Bürgerliche und Adelige. Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts gab es in der Salvatorkirche 120 Erbbegräbnisplätze. Viele der Gedenktafeln sind mit einem Wappen verziert. Insbesondere im Barockzeitalter nehmen die Inschriften zu und würdigen ausführlich den Lebenslauf des Verstorbenen. „Langfristig möchte ich aber nicht nur die Familiengeschichten erzählen, sondern lieber in den Blick nehmen, welche Rolle die Salvatorkirche für das damalige Duisburg hatte.“
Wenn es gerade keine Führungen gibt, sitzt Margret Stohldreier regelmäßig in der Kirche und ist Ansprechpartnerin für die Besucher, die sich das Gotteshaus angucken. Dabei mag sie die Kirche nicht nur, wenn sie belebt ist. „Manchmal sitze ich hier im Winter, genieße die Ruhe. Und wenn ich dann zwei Stunden später rauskomme, denke ich: ,Kumma, da sieht die Welt doch schon ganz anders aus.’“