Duisburg. Der neue Kulturdezernent Matthias Börger ist beeindruckt vom Programm der Duisburger Akzente. Er hörte aber auch von weggebrochenen Strukturen.
Nach zweijähriger Corona-Zwangspause sind die 43. Duisburger Akzente nach gut drei Wochen zu Ende gegangen. Nur fünf von ursprünglich 79 Veranstaltungen mussten wegen der Pandemie abgesagt werden. Aber von Normalität keine Spur. Kulturbetriebsleiterin Karoline Hoell blickt auf eine Zitterpartie zurück.
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Der neue Kulturdezernent Matthias Börger, der sich vom großen Programmangebot „ein bisschen überfahren“ fühlte, zeigte sich beeindruckt von der Breite der Veranstaltungen. Es sei für ihn zum Start eine gute Gelegenheit gewesen, ins Duisburger Kulturleben einzutauchen. Einblicke hat er sich verschafft mit Besuchen beim Theatertreffen, der WDR-Big-Band und den Ski-Akrobaten der französischen Gruppe Kadavresky in der Kulturkirche Liebfrauen.
In der Ausstellung „Ins Leben gekachelt“ im Plus am Neumarkt in Ruhrort hat Börger am Sonntag bei einer Benefizversteigerung für ukrainische Kinder ein Bild für sein Dienstzimmer ersteigert. Zur Freude von Heiner Heseding vom Kreativquartier sind 1475 Euro zusammen gekommen, die an die Kindernothilfe gehen.
Fotobuch als bleibende Erinnerung fürs Kreativquartier Ruhrort
„Eine Liebesgeschichte“ nannte Heseding die Beziehung zwischen den Akzenten und Ruhrort. Von den über 30 Akzente-Veranstaltungen mit rund 700 Besuchern im Hafenstadtteil hob er die Ausstellung im Plus besonders hervor. Mehr als doppelt so viele Künstler, darunter auch solche, die bislang nur auf Instagram oder Facebook „ausgestellt“ haben, beteiligten sich.
120 Besucher kamen zur Ausstellungseröffnung. Mit Hilfe von Sponsoren ist ein Fotobuch entstanden, das ein facettenreiches Bild der Stadt entwirft – mit schönen und problematischen Seiten. Jetzt wird die Ausstellung bei Ikea in Hamborn aufgebaut. Nur das Spellbound-Konzert musste abgesagt werden, das bald nachgeholt werde, so Heseding. Im nächsten Jahr soll das Programm um Filme erweitert werden, kündigte er an.
Zwei große Theaterabende kurzfristig abgesagt
Nüchtern fiel die Bilanz von Karoline Hoell aus. Es habe höchst unterschiedliche Besucherzahlen gegeben. Gleich zwei große, gut gebuchte Theaterabende mussten krankheitsbedingt kurzfristig abgesagt werden: Die zweite Vorstellung von „Der Zauberberg“ und „Der Geizige“, mit dem das Thalia-Theater Hamburg erst gar nicht angereist ist. So zählte das Theatertreffen insgesamt rund 2000 Besucher.
Tief enttäuscht ist Clemens Richert vom Festivalbüro über den Besuch in der Kulturkirche Liebfrauen, wo sieben Vorstellungen 500 Besucher hatten. Nur wenige Karten wurden verkauft für das Gastspiel des international gefragten Schauspielers Thaddeus Philips mit „17 Border Crossings“, und wie wenige Karten für die Lesung der französischen Bestsellerautorin Véronique Olmi verkauft wurden, „will ich gar nicht sagen“.
Sperriges war nicht gefragt
Den Abend mit dem Duisburger Kabarettisten Kai Magnus Sting hätte man hingegen drei Mal verkaufen können. „Alles, was sperrig ist, geht nicht“, ist Richerts Schlussfolgerung. Zudem sei die Organisation der Veranstaltungen stets „ein Tanz auf der Rasierklinge“ gewesen. So habe man für den Aufbau der Tanzproduktion „High Fields“ von Max Bilitza acht Techniker gebucht, nur zwei seien gekommen. Der Abend musste abgesagt werden; die Premiere wird, wie berichtet, am 8. Mai im Stadttheater nachgeholt.
Der von den Festivalwochen sichtlich mitgenommene Richert bezweifelt, ob das Festivalbüro, in dem alle organisatorischen Fäden für die Akzente zusammenlaufen, auch noch weiterhin ein eigenes Programm mit freien Produktionen auf die Beine stellen kann. Und ob es angesichts der mageren Publikumsresonanz noch Sinn ergibt.
Leiterin der Kulturbetriebe: Strukturen sind weggebrochen
Auch Karoline Hoell fand deutliche Worte, die dem neuen Kulturdezernenten den Ernst der Lage im personell ausgebluteten Festivalbüro vor Augen geführt haben dürften. Nach drei „echt harten“ Jahren mit dem Wassereinbruch im Stadttheater zu Beginn des Theatertreffens 2019, den abgebrochenen Akzenten 2020 und den frühzeitig für 2021 abgesagten Akzenten habe man gedacht, es könne nicht schlimmer kommen. Aber es habe 2022 noch eine Steigerung gegeben.
„Wir haben jeden Tag gezittert“, so Hoell, denn auch hinter der Bühne müsse ja alles stimmen. „Uns sind Strukturen weggebrochen“, so die Leiterin der Kulturbetriebe mit Blick etwa darauf, dass es für niemanden im Festivalbüro eine Vertretung gebe. „Diese Strukturen müssen wir neu aufbauen. Wir haben jetzt ein Jahr Zeit.“
>> DIE ANDEREN SPIELORTE DER DUISBURGER AKZENTE
- Zu den Lesungen und Vorträgen der Volkshochschule, wo die Platzzahl auf 30 Besucher beschränkt war, kamen rund 200 Besucherinnen und Besucher, mehr als ausverkauft war der Vortrag über Paris von Ralf Petersen.
- Im Filmforum war „Pink Floyd – The Wall“ am meisten gefragt.
- Die Stadtbibliothek hatte diesmal die Fachtagung „Max von der Grün als Jugendbuchautor“ im Akzente-Programm, zu der auch die Witwe des 2005 verstorbenen Ruhrgebietsschriftstellers („Vorstadtkrokodile“) gekommen war.
- Ebenfalls an den Akzenten beteiligt hat sich das Landesarchiv NRW mit der Ausstellung „Menschen hinter Mauern“ und die Deutsche Oper am Rhein mit neun Veranstaltungen.