Duisburg. Das Duisburger Projekt Euro Rock läuft. Wie die europäischen Bands ihre Songs schreiben und warum sie in die Abgründe der Musikindustrie blicken.

Das Duisburger Euro Rock-Projekt ist in vollem Gange. Nach einer Idee des „Gitarrenlehrers der Nation“, Peter Bursch, kommen Bands aus Duisburg und Europa im Meidericher Parkhaus zusammen – und werden dann zu neuen, europäischen Bands zusammengelegt, die wiederum neue Songs schreiben, aufnehmen und bei diversen Shows auf die Bühne bringen. Nach einem erfolgreichen Konzert am Dienstag im Steinbruch geht es für die Musiker aus Duisburg, Nijmegen, Vilnius und Calais am Mittwoch mit dem Probenalltag weiter. Wir haben in den Bandräumen Mäuschen gespielt.

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Doch bevor der erste Ton gespielt wird, geht es am Mittag um einen Aspekt der Musikerkarriere, der weit weniger „Sex, Drugs & Rock 'n' Roll“ ist, als die Musik selbst: Vermarktung und Promotion. Musiker, Komponist und GEMA-Aufsichtsratsmitglied Micki Meuser erklärt den jungen Nachwuchsrockern, was es zu beachten gilt – und die hören aufmerksam zu, obwohl ihnen fünf Tage Musikerleben schon deutlich ins Gesicht geschrieben stehen.

Euro Rock in Duisburg: Warum das Geld nicht bei den Künstlern landet

„The Record Market is ,kaputt’, as we say in Germany“, fasst Meuser von der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte desillusioniert zusammen. Er muss es wissen, nicht nur als Musiker und GEMA-Mitglied beschäftigt er sich täglich mit der Branche, auch als Vorsitzender der deutschen Filmkomponistenunion DEFKOM hat er mit Streamingdiensten zu tun. „Das Geld ist bei den Labels, bei Spotify und bei Amazon“, erklärt er. Für die Musiker bleibe nicht viel hängen. Wessen Songs auf Spotify im Monat 10.000 Mal abgespielt werden, bekomme sage und schreibe 18 Euro, so Meuser.

Immer feste drauf: Was die neuen Duisburger Euro Rock-Bands auf die Beine stellen, klingt meistens hart und schmutzig.
Immer feste drauf: Was die neuen Duisburger Euro Rock-Bands auf die Beine stellen, klingt meistens hart und schmutzig. © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

Meusers Vortrag beschäftigt sich auch mit sogenannten Aggregatoren, mit Anbietern, die Musik gegen einen Prozentsatz des Verdiensts auf allen gängigen Streamingplattformen unterbringen. Damit hat die Vermarktung aber gerade erst begonnen – ohne kostspielige Werbung und der fleißigen Arbeit daran, auf einschlägigen Playlists platziert zu werden, wird die eigene Musik für immer in den Untiefen Spotifys verschollen bleiben. Besonders bitter: Die drei großen Major-Label – Universal, Sony und Warner – bezahlen die Streamingdienste angeblich, um Musik ihrer Künstler besser zu platzieren. „Das kann man leider nicht beweisen“, erklärt Micki Meuser.

Musikalische Völkerverständigung funktioniert einwandfrei und intuitiv

Nach so viel ernüchternden Neuigkeiten dürfen sich die jungen Künstler endlich wieder dem schönsten Teil des Musikerdaseins widmen: der Musik. In vier Proberäumen im Meidericher Parkhaus geht es teils ohrenbetäubend zur Sache. Im Keller etwa probt die Band mit dem deutschen Keyboarder, den Gitarristen aus den Niederlanden und Frankreich, dem litauischen Drummer und dem deutschen Bassisten. Gerade jammen sie nur, doch schon hier ist hörbar: Die musikalische Völkerverständigung, die Euro Rock-Vater Peter Bursch stets predigt, funktioniert einwandfrei und nonverbal.

Neu gemischt: Von Tag eins an spielen die Musiker beim Duisburger Euro Rock-Projekt in den paneuropäischen Bands.
Neu gemischt: Von Tag eins an spielen die Musiker beim Duisburger Euro Rock-Projekt in den paneuropäischen Bands. © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

Genau so beim Quartett eine Etage weiter oben. Das steckt gerade mitten im Kompositionsprozess, der, genau wie besagte Völkerverständigung, ganz schnörkellos funktioniert. Der Schlagzeuger legt los, was die Sticks halten, die Bassdrum wummert, die Becken scheppern. Der erste Gitarrist packt die bösesten Riffs aus, die ihm gerade in den Sinn kommen, Gitarrist Nummer zwei und Basser schauen ihm auf die Finger: Was greift er da für einen Akkord? Sind alle vier zusammengekommen, wird auch gleich die Performance geübt, inklusive Springen und Headbanging. Das Endprodukt ist ein Fest für Freunde der lauten Musik: hart und schmutzig.

Kein „Long Covid“ bei Euro Rock: Atmosphäre wie früher

Noch einen Raum weiter lässt es das einzige Trio des Euro Rock etwas lockerer angehen. Zum Warmwerden covert die Combo den Police-Song „Message in a Bottle“. Danach geht’s auch hier ans Eingemachte, sprich: ans Komponieren. Im großen Saal, dem vierten Proberaum, ist die paneuropäische Band um den deutschen Drummer Alex schon ein Stück weiter. Die vier Musiker versuchen sich schon an Durchlaufproben für ihr neues punk-rockiges Stück, gewürzt mit Basslinien aus dem Funk.

Ohren zu und durch: Beim Duisburger Euro Rock-Projekt wird es mitunter ganz schön laut – da ist der Gehörschutz Pflicht.
Ohren zu und durch: Beim Duisburger Euro Rock-Projekt wird es mitunter ganz schön laut – da ist der Gehörschutz Pflicht. © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

Es ist festzuhalten: Zwei Jahre Corona-Pause haben dem Euro Rock nicht geschadet. Die kreative, entspannte, ungezwungene Atmosphäre ist immer noch da, genau so die engagierten Coaches und die motivierten Bands.

Das 30-jährige Bestehen in diesem Jahr wollte Peter Bursch nicht groß feiern, „das Programm, der Inhalt ist wichtiger“, sagte er auf der Pressekonferenz in der vergangenen Woche. Eine gute Entscheidung: Wer Jahr für Jahr ein Projekt dieser Qualität auf die Beine stellt, muss sich mit Erinnerungsfeiern nicht aufhalten.

>> DIE EURO ROCK-SONGS LIVE UND AUF PLATTE

  • Die neu gemischten Euro Rock-Bands spielen noch drei Mal live: Am 28. Juli in Nijmegen im „The Shuffle“, am Freitag, 29. Juli im Meidericher Parkhaus und am 30. Juli in Dünkirchen im „Les 4 Ecluses“.
  • Der Eintritt zu allen Konzerten ist kostenlos, die Show beginnt jeweils um 20 Uhr.
  • Die neuen Songs gibt es bald auch auf der Homepage euro-rock.de zu hören – genau so wie die Songs der vergangenen Jahrgänge.