Duisburg. Der Duisburger Rudolf Hermes, Musikkritiker dieser Redaktion, war in München. Er erlebte den Zusammenbruch des Dirigenten Stefan Soltesz.

Eigentlich sollte es eine unbeschwerte Reise zu den Münchner Opernfestspielen mit drei Werken von Richard Strauss werden. Am Ende stand jedoch der Tod des langjährigen Essener Generalmusikdirektors und Opernintendanten Stefan Soltesz während der Aufführung von „Die schweigsame Frau“.

In der vergangenen Spielzeit waren längere Reisen zu den großen deutschen Opernhäusern kaum möglich, weil man immer mit coronabedingten Vorstellungsabsagen rechnen mussten. So gibt es denn auch in der Bayerischen Staatsoper an den ersten beiden Tagen kurzfristige Umbesetzungen. Bei „Capriccio“ muss ein neuer Dirigent einspringen, beim „Rosenkavalier“ wird die Rolle des Ochs auf Lerchenau innerhalb weniger Stunden umbesetzt.

Ein zufälliges Treffen nach dem „Rosenkavalier“

Als ich mich nach dem „Rosenkavalier“ auf den Weg zur U-Bahn machte, läuft mir überraschender Weise Dirigent Stefan Soltesz über den Weg, während dessen Essener Intendanz von 1997 bis 2013 ich unzählige Vorstellungen im Aalto-Theater besucht hatte. Ich applaudiere ihm, er schaut mich überrascht und fragend an: Ich erzähle ihm, dass ich aus Duisburg komme und ihn oft in Essen erlebt hätte, und dass ich natürlich am nächsten Abend „Die schweigsame Frau“ besuchen würde. Dann gehen wir beide unseres Wegs.

Überraschender Weise gibt es bei „Die schweigsame Frau“ keinerlei Umbesetzungen: Franz Hawlata, der in Essen unter Soltesz den Hans Sachs in den „Meistersingern“ und den Ochs im „Rosenkavalier“ gesungen hatte, ist der Sir Morosus. Tenor Daniel Behle, den man in Duisburg in „Cosi fan tutte“ erleben konnte, ist sein Neffe Henry. Als Gast von der Rheinoper steht Lavinia Dames in der Partie der Isotta auf der Bühne.

Turbulente Aufführung endet im Finale des ersten Aktes

Die von Barrie Kosky inszenierte Aufführung ist sehr turbulent, dauernd schaue ich zwischen Bühne und Übertiteln hin und her. Gelegentlich werfe ich auch einen Blick in den Orchestergraben, aber von Stefan Soltesz sehe ich von meinem Platz im 2. Rang nur gelegentlich den Hinterkopf und die Arme.

Im Finale des ersten Aktes, kurz vor der ersten Pause, passiert es: Das Orchester hört auf zu spielen. Erst ist gar nicht klar, was da los ist. Das Ensemble auf der Bühne steht gerade frontal zum Publikum, und plötzlich geht eine Bewegung durch die Sänger. Alle schauen ganz entsetzt, und dann rufen einige nach einem Arzt.

Zuschauer berichten vom Zusammenbruch des Dirigenten

Sehr schnell eilen Sanitäter in den Orchestergraben. Ein Sprecher der Oper kommt auf die Bühne und sagt sehr ruhig und gefasst, dass man die Vorstellung wegen eines „medizinischen Notfalls“ unterbrechen müsse und jetzt Pause mache. Dass es um den Soltesz geht, wird nicht gesagt. Während der Zuschauerraum geräumt wird, kann man aufgrund der Wiederbelebungsmaßnahmen im Orchestergraben erkennen, dass es da nicht nur um eine Hitzeerschöpfung oder eine leichte Ohnmacht geht. Einige Zuschauer berichten, dass Soltesz zusammengebrochen sei.

Nach 40 Minuten wird geläutet. Vom Rang sieht man aber, dass die Orchestermusiker nicht mehr im Graben sitzen, die Vorstellung also nicht weitergeht. Der Sprecher der Oper sagt, dass Soltesz ins Krankenhaus gebracht werde und dass man ihm gute Besserung wünsche. Verstört und aufgewühlt spaziere ich noch eine größere Runde durch die Münchener Innenstadt, die mich dann wieder zum Bühneneingang der Oper führt, wo sich einige Sängerinnen mit Zuschauern unterhalten. Niemand weiß, wie es dem Dirigenten geht. Um 23 Uhr gibt es dann von der Oper im Internet die offizielle Meldung von Stefan Soltesz’ Tod.