Duisburg. Besonders arme Menschen in Duisburg hat Corona getroffen, berichtet das Diakoniewerk. Das fordert das Sozialunternehmen zum Kampf gegen Armut.

„Zusammen gegen Armut“ hat das Diakoniewerk Duisburg seinen Jahresbericht 2021 überschrieben. Der Titel ist als Aufforderung zu verstehen. „Die Pandemie hat die ohnehin bestehenden Probleme nochmals verschärft“, sagt Udo Horwat, der Geschäftsführer eines der größten Sozialunternehmen der Stadt. Rund 8000 Menschen hat das Werk im vergangenen Jahr mit 533 Mitarbeitenden in Duisburg unterstützt, betreut, beraten, therapiert oder beruflich qualifiziert.

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„Armut ist für fast alle ein Thema, die zu uns kommen“, sagt Horwat. Sie leiden besonders unter Pandemie, Lockdowns und ihren Folgen berichtet das Diakoniewerk: Wohnungslose, die weder Pfandflaschen noch bezahlbaren Wohnraum finden, Eltern, die digitale Endgeräte für das Homeschooling ihrer Kinder nicht finanzieren können, eine wachsende Zahl von psychisch belasteten Menschen, steigender Drogen- und Alkoholkonsum.

Udo Horwat: Regelsätze für die Grundsicherung müssen aufgestockt werden

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Hinzu kommen aktuell stark steigende Energie- und Lebensmittelpreise. „Bei der Existenzsicherung muss dringend etwas passieren“, verweist Horwat auf die Forderung der Diakonie, den Hartz IV-Regelsatz von 430 auf mindestens 630 Euro anzuheben und auch die Grundsicherung im Alter aufzustocken. „Einmalzahlungen helfen da nicht.“ In Duisburg, wo es eigentlich genügend Wohnraum gibt, müsse es mehr staatliche Anreize geben, leerstehende Häuser instandzusetzen und in Sozialen Wohnungsbau zu investieren.

Zahl der Langzeit-Arbeitslosen ist während der Pandemie stark gestiegen

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Arbeit ist ein Schlüssel zur Bewältigung von Armut. „Nach Jahren des Rückgangs ist in der Pandemie die Zahl der Langzeit-Arbeitslosen in Duisburg wieder deutlich gestiegen“, sagt Michael Richard-Sommer, Fachbereitsleiter Arbeit & Ausbildung. Im November 2019 waren 10.940 Menschen länger als ein Jahr ohne Arbeit, zwei Jahre später waren es wieder 14.640 Männer und Frauen, über 70.000 Menschen sind in Duisburg von Leistungen des Jobcenters abhängig.

Lob für die Förderung durch das Teilhabe-Chancengesetz

Eine Hoffnung für diese Zielgruppe bietet das Teilhabe-Chancengesetz. Fünf Jahre lang können ihre sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisse gefördert werden. „Ein wichtiges Instrument, weil es lange wirkt, das Springen von einer Maßnahme in die nächste verhindert“, lobt Richard Sommer. Rund 90 Frauen und Männer konnte das Diakoniewerk seit 2019 nach Qualifizierung vermitteln, einige sind in den eigenen Betrieben beschäftigt.

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Hartmut Berner ist einer von ihnen. „Ein Glücksfall für mich“, sagt der 62-jährige Hochfelder, der seit anderthalb Jahren als „Hausmeister“ im Tischlereibetrieb auf den einstigen Wanheimer Kasernengelände tätig ist. Eine Ausbildung habe er nie gemacht, berichtet Berner. Als Ungelernter begann er nach der Schule in einer Getränkefirma, hat seither mindestens ein halbes Dutzend weiterer Helfer-Jobs gehabt. Wenn Leute gehen mussten, gehörte er stets zu den Ersten. „Ich habe schon in den 1980er Jahren Arbeitsbeschäftigungs-Maßnahmen gemacht.“ Diese Aufgabe gibt ihm nun Hoffnung, „dass ich bis zur Rente arbeiten und Geld verdienen kann.“

Gut Vermittlungsquote durch den Fachkräftemangel im Handwerk

Der Fachkräftemangel im Handwerk spiele dem Diakoniewerk nur bedingt in die Karten, sagt Tischlereileiter Bernd Schaath: „Wenn hoch qualifizierte Mitarbeiter gesucht werden, reicht es für einige unserer Leute nicht.“ Anders sei das bei den jungen Menschen, die beim Diakoniewerk eine Ausbildung absolvieren, sagt Richard-Sommer. „Die werden aus den Betriebspraktika heraus übernommen.“

Bildungsarmut führt langfristig auch zu materieller Armut

Dass es des Diakoniewerks bedarf, um Menschen in Arbeit zu bringen, sei „eine Folge der Bildungsarmut“, betont Udo Horwat. „Wir werden da tätig, wo das System versagt hat.“ In Duisburg reiche das Angebot auf allen Bildungsebenen nicht aus: zu wenig Kita-Plätze, Lehrermangel in Schulen, ungesicherte Schulsozialarbeit, ein großer Rückstand bei der Digitalisierung. „Wer möchte, dass Kinder den Weg aus dem Teufelskreis der Armut finden, muss ihnen Teilhabe an Bildung ermöglichen.“

>> DIAKONIEWERK: NEUE STRUKTUR MIT DREI FACHBEREICHEN

  • In seiner Organisationsstruktur begrenzt sich das Diakoniewerk seit 2021 auf drei Fachbereiche. Neben Arbeit & Ausbildung gibt es Kinder, Jugend & Familie. Die bisherigen Arbeitsbereiche Wohnungslosenhilfe, Sozialpsychiatrie und Suchthilfe finden sich nun im Fachbereich Soziales wieder.
  • Ziel sei eine verbesserte Vernetzung der Angebote und der Expertise in den Teams. „Wir wollen von der Kompetenz der Mitarbeitenden profitieren, uns für den Einzelnen stark machen und uns für die Interessen der Menschen einsetzen, die von Armut betroffen sind“, so Ruth Stratmann und Udo Horwat, die beiden Geschäftsführenden des Diakoniewerks.