Duisburg. Der DVV-Chef sagt im Interview, ob es für die Duisburger einen Energiepreis-Schock geben wird. Marcus Wittig spricht auch über Zoo und Steag.

Marcus Wittig bleibt eine feste Größe im Management des Konzerns Stadt. Der Aufsichtsrat hat seinen Vertrag um fünf weitere Jahre verlängert, mit dem Jahreswechsel beginnt seine dritte Amtszeit an der Spitze der Duisburger Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft (DVV). Im großen Interview spricht der 49-Jährige über Strompreise, Energiewende, den Zoo und die Steag-Beteiligung.

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Fünf weitere Jahre als Vorstandsvorsitzender – musste man Sie überreden?

Marcus Wittig: Nein, sicher nicht. Ich habe den Konzern in einer schwierigen Lage übernommen und mit einer tollen Belegschaft, Betriebs- und Aufsichtsräten, auch Gesellschaftern eine Restrukturierung vollzogen. Die konnten wir, weitgehend mit Bordmitteln, 2018 abschließen. Die Wirkung von Personalabbau, Prozessveränderungen und neuer Ausrichtung habe ich etwas unterschätzt. In einer Transformationsphase gilt es in den nächsten fünf Jahren, da nachzujustieren, die Menschen mitzunehmen.

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Worum geht es?

Um eine neue Herangehensweise, um vorausschauende Selbsterneuerung. Es gilt, frühzeitig zu erkennen, was in unserem Umfeld passiert und Stadtwerke, DVG oder Octeo darauf auszurichten. Wir sind jetzt mitten in der Transformation, ich sehe meinen Auftrag noch nicht als erledigt. Deshalb freut mich die Verlängerung. Und: Es macht einfach Spaß hier.

„Der Krieg in der Ukraine verdreifacht die Geschwindigkeit unserer Veränderungen“

Sie sprechen von Beständigkeit. Was ist gemeint?

Es gibt Momente, an denen man in Diskussionsprozessen hellhörig werden muss. Nehmen Sie den Kohleausstieg als gutes Beispiel. Wir haben bereits 2018 unser Kohlekraftwerk abgeschaltet. Derartige Veränderungen müssen wir auch künftig früh erkennen, um uns von bisher Bewährtem zu verabschieden und uns neuen Produkten zuwenden. Gemeint ist eine Veränderungsmentalität – sie muss nicht nur vom Vorstand gelebt werden.

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Wohin geht die Reise?

Wir wollen die Wärmewende vollziehen, Klimaschutz anschieben. Der Krieg in der Ukraine verdreifacht die Geschwindigkeit, unsere Zeitlinien, weil die Versorgungssicherheit gefährdet ist. Wir werden unseren Gremien im September den Umbau des Kraftwerks in Wanheim vorlegen. Wir wollen eine neue Turbine installieren, die auch Wasserstoff verarbeiten kann. Das kostet einen dreistelligen Millionenbetrag, wir werden auch Fördergelder brauchen. Auch mit Groß-Luft-Wärmepumpenanlagen zur Versorgung von Gebäuden werden wir uns beschäftigen.

Was erwarten Ihre Kunden?

Ein Lösungspaket. Es muss um die Umstellung der Heizung gehen, aber auch um die energetische Sanierung des Hauses, die Steuerung der Arbeiten, im Idealfall sogar der Finanzierung. Die Stadtwerke werden die Energiewende umsetzen.

Als Ersatz für das 2018 abgeschaltete Kohlekraftwerk werden an der Bungertstraße jetzt riesige Generatoren für ein Blockheiz-Kraftwerk installiert, das aus Gas bald Strom und Wärme für die Duisburger Kunden erzeugen soll.
Als Ersatz für das 2018 abgeschaltete Kohlekraftwerk werden an der Bungertstraße jetzt riesige Generatoren für ein Blockheiz-Kraftwerk installiert, das aus Gas bald Strom und Wärme für die Duisburger Kunden erzeugen soll. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

„Gewisse Preissteigerungen müssen wir auch 2022 und 2023 weitergeben“

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Dürfen Ihre Kunden bezahlbare Energie erwarten oder kommt ein Preisschock?

Wir haben bisher langfristig und risikoarm beschafft. Für die Jahre 2022 und 2023 sind wir relativ sicher unterwegs. Gewisse Steigerungen müssen wir weitergeben. Wie es danach weitergeht, muss sich zeigen. Die Preise für Strom, Gas und Wärme könnten weiter steigen.

Stichwort Elektro-Mobilität: Wie geht es weiter mit dem Ausbau der Lade-Infrastruktur?

In den nächsten fünf Jahren wollen wir die Zahl der bislang 40 Ladepunkte in Duisburg auf 516 steigern. Viel Geld lässt sich damit noch nicht verdienen, aber es sind notwendige Investitionen in die Infrastruktur.

Wird der weitere Ausbau vor allem bei Firmen und an Wohngebäuden erfolgen?

Das macht Sinn, denn die meiste Zeit steht das Auto vor dem eigenen Haus oder beim Arbeitgeber. Da bieten wir heute schon Unterstützung an. Wir begleiten auch den Bau neuer Quartiere wie in Wedau und am Alten Angerbach. Wir sind dabei zu entscheiden, was wir künftig anbieten wollen und wo wir mit externen Partnern zusammenarbeiten. Das gilt auch für die Installation von Solartechnik und Einspeisung. Gelten soll: Der Kunde soll einen Ansprechpartner haben.

„Der Zoo ist ein tolles Aushängeschild für Duisburg“

Wie geht’s weiter mit dem Zoo?

Er ist ein tolles Aushängeschild für die Stadt. Es freut mich, dass wir ihn betreuen dürfen. Der Masterplan zeigt positive Wirkung. Die ersten Baumaßnahmen sind bereits umgesetzt, Eingang und Zooterrassen folgen. Wir versuchen, den Zoo gemeinsam mit der Stadt weiterzuentwickeln.

Steag: „Im Stadtwerkeverbund halten sich alle an den gemeinsamen Weg“

Die Stadtwerke gehören zu den Steag-Gesellschaftern. Der Ausstieg ist beschlossen, wie ist der Stand?

Wir sind bei der Neuausrichtung der Steag auf einem guten Weg. Wir haben im Stadtwerkeverbund klar vereinbart, die Steag unter Treuhänderschaft weiterzuführen mit dem Ziel, das Unternehmen nach der Restrukturierung in einen grünen und einen schwarzen Bereich im Ganzen zu veräußern. An diese Beschlusslage halten sich alle. Das ist der gemeinsame Weg.

Welche Lehre ziehen Sie aus der Übernahme der Steag durch kommunale Gesellschafter?

Fragen Sie mich bitte am Ende des Prozesses noch einmal. Jedes Stadtwerk entwickelt sich in eine ähnliche, aber in Nuancen auch unterschiedliche Richtung. Die Steag ist ein internationaler Konzern mit eigenen Vorstellungen – da ist es nicht immer einfach, Entscheidungen nachzuvollziehen und einen gemeinsamen Weg zu finden. Aber als es dramatisch wurde für unsere Beteiligung, haben wir wieder zueinander gefunden. Meine Erkenntnis bis heute ist: Kooperation im Großen ist nicht ganz einfach. Dabei: Die Steag ist sicher ein Sonderfall. Ansonsten gibt es bei uns zahlreiche Kooperationen in allen Geschäftsbereichen – von der Energie bis zum ÖPNV.

„Der DVV-Konzern soll bis 2035 klimaneutral werden“

Ein Blick nach vorn: Welche sind Geschäftsfelder der Zukunft für die DVV?

Wir nennen uns Multi-Utility-Konzern. Wir haben ÖPNV, Versorgung, Octeo als Service-Dienstleister, die IT-Sparte. Wir versuchen, Geschäftsfelder zu erschließen, auf denen es Erwartungen an uns gibt und wo wir sie als zukunftsfähig erachten. Die Digitalisierung ist so ein Bereich mit Rechenzentren und Internet-Versorgung als Basisdienstleistung. Die City-Com hat schon vor 20 Jahren mit dem Ausbau des Glasfasernetzes begonnen. Bei Rechenzentren sehen wir einen hohen Bedarf. Auch das Thema IT-Sicherheit spielt dabei eine Rolle.

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Welches Thema werden für Sie in den nächsten Jahren am meisten Arbeitszeit beanspruchen?

Wie gestalten wir die Verkehrs- und Energiewende vor Ort. Aus sie stehen unter dem Oberbegriff Klimaschutz. Bis Mitte 2023 wollen wir unseren Gremien ein Programm vorstellen, wie wir bis 2035 als DVV-Konzern klimaneutral werden können. Obwohl wir vieles schon gemacht haben, geht das nicht in einem Jahr. Das Ziel ist ambitioniert, aber wir kriegen das hin.

>>ZUR PERSON: MARCUS WITTIG

  • Als Vorstandsvorsitzender hat Marcus Wittig ab 2010 zunächst die DVG, ab 2012 dann auch die Stadtwerke Duisburg (SWDU) geführt. An der Spitze der Duisburger Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft (DVV) beginnt am 1.1.2023 seine dritte fünfjährige Amtszeit.
  • Der 49-jährige Betriebswirt ist außerdem Vorsitzender des Aufsichtsrats des MSV Duisburg, dessen Klassenerhalt er mit großer Erleichterung registriert: „Im Falle eines Abstiegs hätten wir uns möglicherweise auch mit einer Insolvenz beschäftigen müssen“, sagt Wittig.