Duisburg. Der Bundesbeauftragte für jüdisches Leben, Dr. Felix Klein, hat die jüdische Gemeinde in Duisburg besucht. So trifft sie der Ukraine-Krieg.

Der Krieg in der Ukraine trifft die jüdische Gemeinde Duisburg/Mülheim/Oberhausen unmittelbar. „Bisher sind rund 150 Ukrainer jüdischen Glaubens bei uns eingetroffen“, berichtete Geschäftsführer Alexander Drehmann bei einem Besuch des Beauftragten der Bundesregierung für jüdisches Leben im Deutschland, Dr. Felix Klein, im Gemeindezentrum am Innenhafen. Die gemeinsame Arbeit gegen Antisemitismus war ein weiteres Gesprächsthema für Klein, der einer Einladung des Duisburger Bundestagsabgeordneten Mahmut Özdemir, nach Duisburg gefolgt war.

Stolpersteine erinnern jetzt an Duisburger Familie Meisels„Für unsere Sozialabteilung gibt es derzeit kein anderes Thema als die Geflüchteten aus der Ukraine“, so Rabbiner David Geballe. Die Gemeinde verteilt Spenden an die Menschen, von denen viele bei Bekannten und Angehörigen Zuflucht gefunden haben, dreimal wöchentlich wird Sprachunterricht angeboten. „Wenn am 9. Mai nicht ein Wunder geschieht, werden noch mehr kommen“, glaubt nicht nur Geballe, sondern auch Drehmann, der selbst in der nun umkämpften Stadt Charkiw zur Welt kam.

Gemeinde erwartet weitere Geflüchtete aus der Ukraine

Weitere Menschen erwartet die Gemeinde, die aktuell 2400 Mitglieder aus dem westlichen Ruhrgebiet und dem Niederrhein zählt, aus den Grenzstaaten Polen, Ungarn und Tschechien. „Ukrainische Juden, die sich dorthin in Sicherheit gebracht haben, werden nicht alle dortbleiben“, vermutet Drehmannn, „in die Regionen, die nun stark zerstört sind, werden sie lange nicht zurückkehren können.“

Hass-Mails erreichten jüdische Gemeinden in diesen Wochen auch im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg, berichtet Felix Klein. Er begrüßt auch deshalb die Einführung des Straftatbestands der „verhetzenden Beleidigung“, der nunmehr die bislang schwierige Strafverfolgung erleichtert. „Das muss schnell und empfindlich sanktioniert werden“, fordert der Diplomat und Jurist. Klein erinnerte auch an die Verbrennung von Israel-Fahnen im Zusammenhang mit dem Palästina-Konflikt und die unsägliche Verwendung des Judensterns bei Impfgegner-Demos in der Corona-Pandemie.

Das Zentrum der jüdischen Gemeinde Duisburg/Mülheim/Oberhausen ist in den vergangenen Jahren umfangreich saniert worden. Das spektakuläre Gebäude in Form eines aufgefächerten Buches am Springwall, gebaut nach den Plänen des Architekten Zvi Hecker, wurde 1999 eingeweiht.
Das Zentrum der jüdischen Gemeinde Duisburg/Mülheim/Oberhausen ist in den vergangenen Jahren umfangreich saniert worden. Das spektakuläre Gebäude in Form eines aufgefächerten Buches am Springwall, gebaut nach den Plänen des Architekten Zvi Hecker, wurde 1999 eingeweiht. © www.blossey.eu | Hans Blossey

Neue Sensibilität in der Justiz für Antisemitismus

Große Hoffnung setze er auf Antisemitismus-Beauftragte, die nun in allen Staatsanwaltschaften in Nordrhein-Westfalen etabliert wurden. „Es gibt erste Verfahren, die Sensibilität steigt. Ich erlebe einen Umbruch in der Justiz“, stellt Klein fest, „und es ist gut, dass die Gemeinden die Straftaten zur Anzeige bringen.“ Das bald die deutsche Justizgeschichte der NS-Zeit verbindlicher Teil der Richterausbildung werden soll, nennt er „ein wichtiges Zeichen“.

Özdemir: Keine Normalität mit Sicherheitsschleusen und Polizeischutz

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Er sei lange dagegen gewesen, den Kampf gegen Antisemitismus als Aufgabe der Gemeinde zu sehen, sagt Geschäftsführer Drehmann. „Aber ich musste meine Einstellung ändern.“ Nach der Pandemie öffne sich das Zentrum am Innenhafen wieder stärker Besuchern. Die Zahl von wöchentlich fünf bis sieben Führungen, zumeist von Schulklassen, ist bald wieder erreicht. „Unsere Nische ist die Verbreitung von Wissen über das Judentum“, sagt David Geballe. Der Kindergarten im Gemeindezentrum, schon jetzt zur Hälfte von nichtjüdischen Familien gebucht, steht vor der Erweiterung. Der direkte Kontakt, hofft der Rabbiner, werde das Bewusstsein ändern. „Es ist schwerer, jemanden zu hassen, den man kennt.“

Jüdisches Leben hinter Sicherheitsschleusen und unter Polizeischutz ist für Mahmut Özdemir allerdings nicht akzeptabel. „Ich träume von einem Land, in dem alle Gotteshäuser ihre Türen öffnen können, ohne geschützt werden zu müssen“, sagt der Duisburger SPD-Politiker.

>> STICHWORT: BEAUFTRAGTER FÜR JÜDISCHES LEBEN

  • Dr. Felix Klein ist seit vier Jahren im Amt als Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben. Sein Büro steht im Innenministerium in Berlin. Mahmut Özdemir, der Duisburger Bundestagsabgeordnete ist dort als parlamentarischer Staatssekretär sein Büronachbar. Beide haben in Fanprojekten bei Borussia Dortmund zusammengearbeitet.
  • „Wir müssen Antisemitismus sichtbar machen, um ihn bekämpfen zu können“, sagt der 54-Jährige. Judenhass äußere sich nicht nur in migrantischen Milieus, die Gleichsetzung der deutschen Gemeinden mit dem Staat Israel und seiner Palästina-Politik sei weiterhin weit verbreitet.
  • Die Verbreitung von Wissen über deutsche Jugend, ihr Leben und ihre Geschichte wollen Felix Klein und Mahmut Özdemir deshalb weiter unterstützen. Das Demokratie-Fördergesetz biete Möglichkeiten, Projekte zu unterstützen. Zum Beraterkreis von Klein gehört der Obermarxloher Pädagoge und Buchautor Burak Yilmaz, der sich in Schulen gegen Antisemitismus engagiert.