Duisburg. Vor der Wahl haben Uni-Forscher 1500 Türkeistämmige und Russlanddeutsche in Duisburg befragt. Das sind die ersten erstaunlichen Ergebnisse.

Türkeistämmige und Russlanddeutsche stellen in Duisburg eine relevante Bevölkerungsgruppe. Sie gewinnen deshalb nicht nur für die politischen Parteien als Wähler an Bedeutung. Ihre Entscheidung an der Wahlurne interessiert längst auch die Politikwissenschaftler der Universität Duisburg-Essen. Prof. Achim Goerres und Prof. Sabrina J. Mayer, die mittlerweile an der Uni Bamberg forscht, legen nun erste Ergebnisse der „Immigrant German Election Study II“ (Imges II) vor. Sie befragten dazu zufällig ausgesuchte 1500 Menschen in Duisburg vor und nach der Bundestagswahl im vergangenen Jahr.

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„Die Stadt ist geradezu der Prototyp der modernen Großstadt des 21. Jahrhunderts: Divers, ungleich und demokratisch regiert“, erklärt Goerres, warum die Duisburger als „Forschungsobjekt“ ausgewählt wurden. „Ich bin auch deshalb ein großer Duisburg-Fan, weil die Stadt so unterschiedlich ist.“

Methodisch ging das Team allerdings anders vor als beim ersten Teil der Studie, der 2017 entstand. Da waren bundesweit nun Türkeistämmige und Russlanddeutsche befragt worden, nun kamen mit Deutschen anderer Herkunft und ohne migrantische Wurzeln zwei weitere Vergleichsgruppen hinzu.

Starke Bindung der Russlanddeutschen an CDU/CSU ist mit der Zeit geschwunden

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Vergleichbar sind die Ergebnisse zwischen beiden Studien nur bedingt, etwa wegen der unterschiedlichen Stichproben und der Besonderheiten beider Wahlen, gleichwohl lassen sich interessante Entwicklungen beobachten. Waren 2017 bei der bundesweiten Erhebung beide Gruppen politisch noch deutlich anders eingestellt als die Deutschen ohne Migrationshintergrund, hat sich das Bild 2021 für Duisburg verschoben: Hier wählten Russlanddeutsche mit nur 20 % die CDU.

„Sehr bemerkenswert“, findet das Goerres, „bedenkt man, wie stark die Union in dieser Gruppe einmal war.“ Die Stimmenanteile für die anderen Parteien fielen so aus: SPD 30 %, Grüne 28 %, FDP 7 %, AfD 6% und Linke 2 %.

Dr. Sabrina Mayer startete 2016 den ersten Teil der Migranten-Wahlstudie an der Uni Duisburg-Essen, mittlerweile forscht die Politikwissenschaftlerin an der Universität Bamberg.
Dr. Sabrina Mayer startete 2016 den ersten Teil der Migranten-Wahlstudie an der Uni Duisburg-Essen, mittlerweile forscht die Politikwissenschaftlerin an der Universität Bamberg. © FUNKE Foto Services | Ute Gabriel / Funke Foto Services

Rot bleibt hingegen die Farbe der türkeistämmigen Deutschen. In Duisburg wählten 39 % SPD, 17 % CDU, 15 % grün. Im Vergleich zu den anderen Gruppen ist auch die Linke mit 13 % stark, die FDP kommt auf 5 %. Allerdings sei auch in Duisburg zu beobachten, dass die starke Bindung der türkischstämmigen Wähler an die SPD schwinde, registrieren die Forscher.

Wahlbeteiligung der Migranten nur noch geringfügig schwächer

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Muster, die lange für Russlanddeutsche und Türkeistämmige galten, sind überholt – auch das ist eine Erkenntnis: „Die Parteipräferenzen haben sich zunehmend denen von Wählenden ohne Migrationsgeschichte angeglichen.“

Das gelte auch für die Bewertung der Kanzler-Kandidaten und -Kandidatinnen, sagt Goerres. Auch die Wahlbeteiligung habe sich im Vergleich zu anderen Studien angenähert.

Sie lag in Duisburg 2021 bei Russlanddeutschen (66 %) und türkeistämmigen Deutschen (67 %) nur noch geringfügig unter den 69 Prozent der anderen Gruppen.

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Eine positive Überraschung sei auch, dass zumindest die SPD den Kampf um die Nichtwähler nicht aufgegeben hat. „Sie hatte im Stadtnorden eine hohe Wahlkampf-Intensität“, hat Goerres ermittelt. Interessant auch die Antwort auf die Frage, wie stark sich die Befragten selbst als Deutsche/r sehen. Die Option „voll und ganz“ wählten nur 14 Prozent der Türkeistämmigen, mit 48 % weniger als die Hälfte der Russlanddeutschen.

BEFRAGUNG UNTER PANDEMIE-BEDINGUNGEN

  • Die Befragung von 1500 Menschen während der Corona-Pandemie habe das Team vor allem bei den Besuchen der Menschen vor besondere Herausforderungen gestellt, berichtet Prof. Achim Goerres. „Erst kam der Lockdown, dann die Frage: Wo können die Interviewer zur Toilette gehen, wenn sie nicht in Häuser und Wohnungen dürfen und alle Gaststätten geschlossen sind.“
  • „Es war die schwerste Studie, die ich bisher gemacht habe“, sagt der Politikwissenschaftler. Die Pandemie habe die Teilnahmebereitschaft gebremst. „Die Menschen wollten nichts zusätzlich in ihrem Alltag haben.“ Erfreulich: Weil viele den geringen Geldbetrag spendeten, den es als Anreiz gab, darf sich die Duisburger Tafel über eine Spende von rund 18.000 Euro freuen.“
  • Die Mühe hat sich für die Forscher allerdings gelohnt. Dank Big-Data-Techniken versprechen die erhobenen Daten eine Vielzahl von interessanten Erkenntnissen. Darüber wird Prof. Achim Goerres in den nächsten Wochen berichten.