Duisburg. Mitten in Duisburg-Duissern steht ein Hochbunker nebst Bunkerbüdchen. Wie es darin aussieht und welche Urban Legend jetzt aufgeklärt ist.
Diese Trinkhalle dürfte das mit Abstand größte und best geschützte Lager Duisburgs haben: Das Bunkerbüdchen in Duissern schmiegt sich an einen Hochbunker aus dem Zweiten Weltkrieg. Verkauft werden Kippen und Kaffee, Lottoscheine und Toilettenpapier, Süßes und Saures, sogar Mehl, bei Öl muss allerdings auch Christian Gwosch passen.
Der Bunkerbesitzer hat die Pandemie mit klugen Einkäufen und viel Platz zum Einlagern gut rumgekriegt. Will man mit ihm sprechen, muss man vom Verkaufsraum aus durch einen Flur ins Büro, der sich bei näherer Betrachtung als Weg durch die 1,20 Meter dicke Außenwand erweist.
Ein Weltkriegs-Bunker mit Blick auf den Kaiserberg
Seit 1986 betreibt er hier seinen Kiosk, damals sei der Bunker noch in der Zivilschutzbindung gewesen und er war Mieter. „In meinem Vertrag war eine Klausel, dass ich raus muss, wenn ein Krieg beginnen sollte“, erzählt der 58-Jährige.
Als die Zivilschutzbindung vor zwölf Jahren wegfiel, kaufte er den Bunker, um sein Büdchen zu erhalten. Über den Preis will er nicht reden, aber es habe mehrere Interessenten gegeben, weil allein das Grundstück so nah am Kaiserberg interessant war. Sechsstellig war es, mehr gibt er nicht preis.
Ihm gehört seither ein 25 Meter hoher massiver Trumm aus Stahlbeton, sechs Geschosse, ein Keller. Gebaut wurde er 1941 im Rahmen des Führersofortprogramms in nur wenigen Monaten. Heute gehört er zum Bunkerbüdchen, es gibt ein laut brummendes Kühlhaus, Bierbänke warten auf den Sommer. Außen an der Seitenwand ist ein gut erhaltenes mannshohes Relief zu sehen, es zeigt einen Mann mit Spaten, eine Frau mit einem Krug und ein Kind. Daneben wachsen Birken aus der Fassade, Flieder und Efeu.
Das Bunkerdach sollte den Bau von oben tarnen
Wie der Bunker ursprünglich aussah, kann man gut am baugleichen Werthacker-Bunker im Kreuz Kaiserberg sehen, dieser hat sein Dach noch. Aus den Flugzeugen heraus sollten die Schutzräume wie normale Wohnbebauung aussehen. Die Tarnung half nur begrenzt: In Duissern wurde der Bunker bei einem Luftangriff getroffen. Zerstört wurden aber nur Teile des Daches, der Rest hielt.
Einige seiner Kunden berichteten Gwosch von den Bombennächten im Inneren, von dem Gedränge, der Panik. 800 Menschen sollten hier laut Plan Schutz suchen können. Bei Luftangriffen sei er mit über 1350 Anwohnern belegt worden. „Die Leute standen dicht an dicht, auch auf den Treppen, da konnte keiner umfallen“, schildert er. Gestorben sei in der Nacht des Angriffs ein Mann, der zum Rauchen draußen war und von Trümmerteilen getroffen worden sein soll.
Das Treppenhaus ist so breit wie das von normalen Mehrfamilienhäusern. Schwer vorstellbar, wie sich darüber Hunderte gleichzeitig ihren Weg nach oben bahnten, in die Flure drängten, die kleinen Kabinen bezogen. Heute liegt auf den Waschbecken fingerdick der Staub, darüber sind noch Leinen verspannt zum Wäschetrocknen.
„Hier ist alles noch im Originalzustand“
Die Wände waren verputzt und mit Mustern überrollt. Stockflecken säumen die Ecken, Farbe blättert ab. Tief hängende Spinnweben lassen einen bei der Besichtigung im Taschenlampenlicht den Kopf einziehen. Hier ist wirklich nur selten jemand unterwegs. Führungen lehnt Gwosch ab, aus Sicherheitsgründen, wegen der maroden Brüstungen. Für die WAZ machte er eine Ausnahme.
Im Keller des Bunkers steht ein großer, verrosteter Ofen neben dem Kohlenkeller. Darüber ist ein Raum mit der Belüftungsanlage, die fast autogroß ist und sowohl elektrisch als auch im Handbetrieb funktionierte. „Hier ist alles noch im Originalzustand“, sagt Gwosch. Nach dem Krieg hätten noch eine Weile Flüchtlinge darin gelebt, dann seien die Räume als Lager für den Katastrophenschutz genutzt worden. Schilder mit der Jahreszahl 1956 zeugen von der Zeit: „Kabine 81: 90 Auflagen, 75 Kopfkeile, 9 Betten, 9 Schoner.“
Mythos von der Verbindung zum Stollenbunker im Kaiserberg
Seit Beginn des Ukraine-Kriegs würden seine Stammkunden fragen, ob er im Notfall Platz für sie habe, sagt Gwosch. Eine Reaktivierung sei aber viel zu teuer, auch die Idee eines Penthouses auf dem Dach hat er aus Kostengründen verworfen. Selbst Anfragen von Bands für Probenräumen lehnt er mit Verweis auf den mangelnden Brandschutz ab. Auch sich selbst sieht er nicht schutzsuchend im Bunker, er sei kein Prepper. Das neue Notstromaggregat sei zum Schutz seiner Ware da. Im Ernstfall würde er eher in die Heimat seiner Frau nach Brasilien ziehen.
Und dann muss er noch mit einem Mythos aufräumen: Im Stadtteil kursiert seit Jahrzehnten das Gerücht, dass der Bunker mit dem Stollenbunker im Kaiserberg unterirdisch verbunden sei. In diesem Stollenbunker war Gwosch mal heimlich als Kind, der Gang sei später zugeschüttet worden. Das bedauert er, „ich wüsste zu gern, wie tief der in den Berg ging. Aber eine Verbindung gibt es nicht, die hätte ich hier ja finden müssen.“
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