Duisburg-Hochfeld. Der „Verein für die Solidarität der Vielen“ will in einer Eckkneipe am Hochfelder Markt Beratung anbieten. Dieses Kulturangebot ist geplant.

Über der Tür hängt noch das alte Schild der Kneipe „Zum Sankt Johann“ am Hochfelder Markt. Auf einer Tafel ist mit Kreide aber schon der neue Name vermerkt: „Zentrum für Kultur“. Der „Verein für die solidarische Gesellschaft der Vielen“ hat die Gaststätte gemietet, um dort beispielsweise Sozialberatung für Zugewanderte anzubieten aber auch einen Raum für politische Diskussionen, Lesungen oder Abende an der Theke zu schaffen. Wer hier sein Bierchen trinkt, unterstützt die Vereinsarbeit.

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Die alten Grünpflanzen auf der Fensterbank sind noch übrig geblieben. Doch die Theke in der Mitte des Raumes wurde herausgeräumt, ebenso die Möbel vom Typus Eiche rustikal. Stattdessen steht in der Ecke nun die alte Bar aus dem früheren „DJäzz“, auch eine Leuchttafel dürfte den Stammgästen des legendären Keller-Clubs bekannt vorkommen. „Das ist hier nicht das neue Djäzz, dafür suchen wir weiter nach Räumen. Aber wir möchten hier ein neues Angebot schaffen“, betont die Vereinsvorsitzende Lena Wiese. Dass das Mobiliar nun hier steht, ist dennoch kein Zufall, denn zu den Mitstreitern gehört auch die Macher aus dem Djäzz.

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Theke des Kult-Clubs „Djäzz“ steht nun in der Eckkneipe am Hochfelder Markt

Lena Wiese, Vorsitzende des „Vereins für die solidarische Gesellschaft der Vielen“ setzt sich dafür ein, dass marginalisierte Menschen, etwa Sinti und Roma, eine Stimme in Duisburg bekommen.
Lena Wiese, Vorsitzende des „Vereins für die solidarische Gesellschaft der Vielen“ setzt sich dafür ein, dass marginalisierte Menschen, etwa Sinti und Roma, eine Stimme in Duisburg bekommen. © WAZ | Foto: Ant Palmer

Eigentlich wollten er und der Verein in den Bunker neben der Alten Feuerwache einziehen. Sie hatten viele Ideen und auch schon ein Konzept, wie sich das Gemäuer dort nutzen ließe. Doch dann kaufte die Gebag den Bunker und nun wird er in die Planung für das Theisen-Gelände miteinbezogen. Doch der „Verein für die solidarische Gesellschaft der Vielen“, der bisher Räume an der Eigenstraße hatte, gab nicht auf und entdeckte schließlich die ehemalige Gaststätte. „Wir wollen ein Wohnzimmer für die Hochfelder sein“, sagt Lena Wiese.

Der Verein hat es sich zum Ziel gesetzt, Zugewanderten, insbesondere Sinti und Roma, eine Stimme zu geben. In der Vergangenheit haben die Ehrenamtlichen immer wieder auf die prekären Zustände insbesondere in Zusammenhang mit den Häuserräumungen in Hochfeld aufmerksam gemacht. Zwar gebe es im Stadtteil Hochfeld einige Vereine und Verbände, die schon Beratungsangebote machten. Aber teilweise reagierten einige Wohlfahrtsverbände wenig hilfsbereit und das Misstrauen der Betroffenen sei gegenüber offiziellen Stellen groß. Zudem, so beschreibt Lena Wiese, seien auch Berater aus den migrantischen Communitys „nicht frei von Rassismen und Vorurteilen gegenüber Sinti und Roma“, so dass diese die Angebote kaum nutzen.

Die Grünpflanzen sind noch aus Eckkneipen-Zeiten übrig geblieben. Teilweise stammt das Mobiliar auch aus dem früheren Djäzz.
Die Grünpflanzen sind noch aus Eckkneipen-Zeiten übrig geblieben. Teilweise stammt das Mobiliar auch aus dem früheren Djäzz. © WAZ | Foto: Ant Palmer

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In einem separaten Raum, der zur Kneipe gehört, kümmern sie und die anderen Ehrenamtlichen sich bereits um den „Schriftkram“ der Zugewanderten, helfen beispielsweise bei der Übersetzung von Amtsbriefen oder beim Stellen von Anträgen. Langfristig sei der Plan aber „nicht für die Roma zu sprechen, sondern ihnen eine Bühne zu bieten, dass sie sich selbst für ihre Rechte einsetzen.“ Mit Blick auf die Solidarität mit den Flüchtlingen aus der Ukraine, sagt sie: „Ich bin nicht wütend, dass es jetzt in vielen Dingen so schnell geht, aber es wird Zeit, dass auch die Zugewanderten aus Südosteuropa und andere Marginalisierte, die gleichen Möglichkeiten bekommen, und die strukturelle Benachteiligung, aufhört. Menschenrechte sind nicht teilbar.“ Was sie wundert: „Ich weiß nicht, warum man das in Duisburg nicht hinbekommt, in Dortmund funktioniert das alles sehr gut, dass die Roma auf Augenhöhe mit an Runden Tischen sitzen und nicht nur als Feigenblatt dienen.“

Und auch die Kulturszene in Duisburg könne eine weitere, migrantisch geprägte Sichtweise vertragen. „Wer eine Idee für einen Workshop oder ein Veranstaltungsformat hat, oder sich anderweitig einbringen will, kann sich gerne an uns wenden.“

>> Geplante Veranstaltungen und Öffnungszeiten

Die Beratung soll immer mittwochs und donnerstags ab 12 Uhr, und nach Absprache, angeboten werden. Donnerstags, freitags und samstags wird das Kulturzentrum dann ab 19 Uhr für Theken-Abende und Veranstaltungen öffnen.

Erste Termine stehen schon fest: am 23. April ist Kutlu Yurtseven zu Gast. Der Kölner ist „Künstler, Aktivist und Mensch“. Seit den 1990er Jahren gehört der Rapper zur „Microphone Mafia“, die sich musikalische gegen Ausgrenzung positioniert.

Am 12. Mai schaut der Duisburger Pädagoge Burak Yilmaz vorbei, der sich seit Jahren gegen Rassismus und Judenhass engagiert und zum Beispiel mit muslimischen Jugendlichen auf Spurensuche nach jüdischem Leben in Marxloh geht.