Duisburg. Machtkämpfe, ungültige Wahlen, Kündigungen – und Drogen-Razzia: wie es zu einer in Duisburg bislang beispiellosen Kleingarten-Fehde gekommen ist.

Es ist ein Novum, wie erfahrene Laubenpieper auf Nachfrage der Redaktion bestätigen: Der Verband Duisburger Kleingartenvereine hat die Verwaltungsverträge von gleich zwei Vereinen gekündigt – „aufgrund von massivem Fehlverhalten“, erklärt der Verbandsvorsitzende Turgay Diker. Betroffen sind der Kleingartenverein (KGV) Ruhrau in Duissern und der KGV „Liebe Die Scholle“ in Meiderich, die diese Entscheidung nicht klaglos hinnehmen wollen. Sie ist der vorläufige Höhepunkt einer bislang ebenso beispiellosen wie langjährigen Fehde im Duisburger Kleingartenwesen mit Anschuldigungen, angeblichen Bedrohungen, Machtkämpfen, ungültigen Wahlen – und einer Drogen-Razzia.

Lange Wartelisten für Kleingärten in Duisburg seit Corona Die Hintergründe sind komplex. Vollends eskaliert ist die Situation beim KGV Ruhrau um den Vorsitzenden Carlos Elter. Als Gründe für die bereits im Mai 2021 ausgesprochene Kündigung des Verwaltungsvertrags werden laut Turgay Diker unter anderem nicht durchgeführte Gartenbegehungen und nicht angezeigte Pächterwechsel genannt. Außerdem soll Elter einigen Mitgliedern den Schlüssel zum Toilettenhäuschen des Vereins verweigert haben, so Diker. Auch von Bedrohungen gegenüber Pächtern und von massiver Störung des Vereinsfriedens ist die Rede.

KGV Ruhrau in Duisburg-Duissern klagt vor dem Landgericht gegen Kündigung

Elter streitet diese Vorwürfe vehement ab: „Wir haben Klage gegen die Kündigung eingereicht. Sie hätte die Auflösung unseres seit 1955 existierenden Vereins zur Folge.“ Verhandelt werde in der Sache am 20. Mai vor dem Landgericht in Duisburg.

Was Elter empört: Ungeachtet dessen hat der Verband den Verwaltungsvertrag bereits einem erst im vergangenen Dezember gegründeten neuen Verein mit dem Namen KVG Ruhrau 2021 und Bernd Kruse an der Spitze übertragen – und damit auch die Verantwortung für alle 59 Gärten auf der Duisserner Anlage. Diker bestätigt dies auf Nachfrage und sagt dazu: „Es muss wieder Ruhe einkehren.“

Turgay Diker ist Vorsitzender des Verbands Duisburger Kleingärtner.
Turgay Diker ist Vorsitzender des Verbands Duisburger Kleingärtner. © FUNKE Foto Services | Jörg Schimmel

Elter sieht in dem Vorgang eines von „vielen abgekarteten Machtspielen“ zwischen Diker und Bernd Kruse, seinem Vorgänger als Vereinschef des KGV Ruhrau. Kruse war seinem Nachfolger Elter mal wohlgesonnen, führt aber mittlerweile schon länger die Opposition gegen ihn an. Wie groß diese ist, darüber gibt es von beiden Seiten unterschiedliche Aussagen. Kruse betont jedenfalls, dass „Herr Elter resistent gegen Kritik“ sei. Außerdem habe er gegen Statuten verstoßen. „Deshalb unterstütze ich das Vorgehen des Verbands ausdrücklich.“

„Brief an Polizei“ löst Drogen-Razzia aus

Bernd Kruse war es auch, der „zusammen mit anderen Pächtern einen Brief“, so der Kleingärtner, an die Polizei verfasste und damit eine Drogen-Razzia auf der Duisserner Anlage auslöste. „Das war nicht unser Ziel“, sagt Kruse. „Wir hatten die Polizei nur darüber informiert, dass vom Garten des Herrn Elter regelmäßig Marihuana-Geruch herüberwehte und dort offenbar Rauschgift konsumiert wurde. Wir wollten wissen, was wir machen sollen. Schließlich sind auf der Anlage auch Kleinkinder.“

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Für Elter waren diese Anzeigen der Gipfel der Unverfrorenheit. Er erinnert sich noch gut an den 5. Mai 2021, als er vormittags auf der Arbeit angerufen und sein Wagen noch vor der Kleingartenanlage auf der Straße durch die Polizei gestoppt worden sei. „Der Vorwurf: Anbau von Drogen und Drogenhandel – unter anderem mit Marihuana und Kokain“, so Elter. „Das war unfassbar und einfach nur lächerlich. Ich wurde aber zunächst vorläufig festgenommen und bin erst später wieder auf freien Fuß gekommen.“

Er habe als Jugendlicher Cannabis konsumiert und gehe mit dieser durchaus bewegten Vergangenheit auch im Verein offen um. „Aber ich habe schon seit vielen Jahren nichts mehr mit Drogen zu tun“, so Elter.

Staatsanwaltschaft: Verfahren eingestellt

Polizeisprecher Jonas Tepe bestätigt und begründet auf Nachfrage den Einsatz. Es habe konkrete Anhaltspunkte gegeben, dass sich Drogen auf der Anlage befinden. „Die Polizei hat daraufhin über die Staatsanwaltschaft bei einem Richter erfolgreich einen Durchsuchungsbeschluss beantragt“, so Tepe.

Verbandshaus der Kleingärtner- Empörung über RäumungsklageDie Staatsanwaltschaft Duisburg teilt gegenüber der Redaktion mit, dass gegen mehrere Beschuldigte wegen des Verdachts, gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen zu haben, ermittelt worden sei. Bei den Durchsuchungen im Kleingartenverein seien die betroffenen Personen zwar über die Vorwürfe belehrt beziehungsweise aufgeklärt worden. Es sei aber niemand vorläufig festgenommen worden oder in Polizeigewahrsam gekommen. Zudem seien vor Ort keine Drogen gefunden worden. Das Verfahren sei inzwischen eingestellt.

„Etwas anderes habe ich nicht erwartet“, sagt Carlos Elter dazu. Die Drogenvorwürfe sind nach seinen Angaben nur das perfideste Beispiel dafür, „wie versucht wird, mich immer wieder zu denunzieren“. Es gehe auch darum, einen unerwünschten Kritiker des Verbands loszuwerden, „der für einige Vereine schon länger nicht mehr die Interessen der Kleingärtner vertritt und zudem willkürlich handelt“, kritisiert Elter die Spitze des Verbandes der Duisburger Kleingartenvereine e.V..

KGV „Liebe die Scholle“: Streit um Umgang mit illegalen Wassertoiletten und Pflege einer großen Grünfläche

So sieht dies auch Elters Kompagnon Peter Lomott, Vorsitzender des KGV „Liebe Die Scholle“ in Meiderich – also jenes 92 Jahre alten Vereins mit 69 Kleingärten, dem der Verwaltungsvertrag ebenfalls gekündigt wurde. Eine Klage werde vorbereitet. Zwischen dem Verband und dem Verein gibt es schon seit Jahren Streit – unter anderem über den Umgang mit illegalen Wassertoiletten auf der Anlage und die Pflege einer 1680 Quadratmeter großen Grünfläche.

Kleingartenverein erfüllt Gärtnern im Rolli ihren Wunsch„Herr Diker führt sich auf wie der König von Duisburg“, findet Lomott. Er hat deshalb zusammen mit Carlos Elter bereits im August 2020 bei den Verbandswahlen für mehrere Ämter kandidiert. Beide wollten Diker als Vorsitzenden entmachten. Sie unterlagen jedoch, kritisierten aber unter anderem „Unregelmäßigkeiten beim Ablauf der Briefwahl und dem gesamten Verfahren“, so Elter.

Verbandswahl ungültig

Der KGV „Liebe Die Scholle“ reichte schließlich Klage gegen die Wahlen beim Amtsgericht ein. Und tatsächlich sind nach einem Urteil aus dem September 2021 sämtliche Beschlüsse „unter Verstoß gegen das Gebot der Neutralitätspflicht, des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und des Grundsatzes der Chancengleichheit erfolgt und daher nichtig“.

So hatte der Verband nach Auffassung des Gerichts im Vorfeld der Wahlen in einem Einladungsschreiben an die einzelnen Mitgliedervereine „das Maß der erlaubten Wahlbeeinflussung“ überschritten. Er habe demnach unmissverständlich empfohlen, keinen Kandidaten aus dem sogenannten Duisburger Kreis, zu dem Carlos Elter unter anderem gehört, zu wählen – mit Fettdruck hervorgehoben und als Blickfang am Ende des Schreibens platziert. Eine Wahl von Elter und Co., so hatte der Verband die Stimmberechtigten schriftlich gewarnt, wäre zudem schädlich für die Zukunft des Duisburger Kleingartenwesens.

Gericht: Gravierender Verstoß gegen grundlegende Regeln des Wahlrechts

Laut Gericht handele es sich hier um einen „gravierenden Verstoß gegen grundlegende Regeln des Wahlrechts“. Der weiter amtierende Verbandsvorsitzende Turgay Diker räumt diesbezüglich Fehler ein, aus denen er lernen wolle. Seine Meinung über Elter und Co. habe sich aber nicht geändert. Es handele sich zudem nur um eine kleine Gruppe von Kritikern.

Einen neuen Termin für die Verbandswahl gibt es noch nicht. Dieser hat für Carlos Elter aktuell auch nicht die obere Priorität. Sein Fokus liegt auf dem Landgerichtstermin im Mai, bei dem die Klage gegen die Kündigung des Verwaltungsvertrags seines Vereins verhandelt wird. Er sei sehr optimistisch, den Prozess zu gewinnen, und wolle dann die Gründung eines neuen, alternativen Verbands vorantreiben.

>> ÜBER 100 KLEINGARTENVEREINE UND 6327 PARZELLEN IN DUISBURG

  • Nach Angaben des Verbandsvorsitzenden Turgay Diker gibt es in Duisburg 6327 Parzellen und 104 Kleingartenvereine – ohne den KGV Ruhrau und den KGV „Liebe die Scholle“, die Diker nach Kündigung der Verwaltungsverträge schon nicht mehr mitzählt.
  • Der Verband hat laut Diker einen Generalpachtvertrag mit der Stadt Duisburg als Eigentümer und mit den einzelnen Vereinen Verwaltungsverträge geschlossen. Die Vereine wiederum verpachten die Parzellen auf ihren Anlagen.