Duisburg-Beeck. Graben und Grooven: Stefan Bockting und seine Kollegen legen live aus einem Duisburger Kleingarten auf. Über das „verrückte Projekt DJ Garten“.
Wer denkt, allein klassische Musik lässt Pflanzen besser wachsen, der war noch nie zu Gast im Schrebergarten von „DJ Bocky“. Dort gehen Salatköpfe, Erdbeeren und Unkraut steil, seit Stefan Bockting seine Mischpulte vom Essener Bierkönig in die Kleingartenanlage in Duisburg-Beeck verfrachtet hat. Der „DJ Garten“ – ein aus der Corona-Not geborenes Projekt, das Gartenarbeit mit Party machen verbindet, auch wenn letztere aktuell nur im Netz stattfindet.
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Denn Bockting bringt gemeinsam mit seinen drei DJ-Freunden und -Freundinnen nicht nur die Parzelle Nummer 34 in Form, sondern überträgt auch seine Mixtapes aus dem kleinen Gartenhäuschen. Im Wechsel mindestens vier Mal die Woche, von Falco über Mickie Krause bis Avicii, live per Video ins Internet auf der Streamingplattform Twitch. „Das ist schon ein bisschen verrückt“, sagt der langjährige Chef-Einheizer des Delta Musik Park mit einem Grinsen, „aber wir sind eben ein durchgeschepperter Haufen.“
„DJ Garten“: Unterhaltung und gute Laune aus dem Schrebergarten
Juni 2020. Der erste Corona-Lockdown hat einer Branche, die wie kaum eine andere für den Spaß am Leben steht, den Stecker gezogen. Die Tanztempel: leer gefegt und verrammelt. Die DJs, gerne gebucht für jegliche Feiern: plötzlich in ihrer Existenz gefährdet. Und darüber hinaus von dem elektrisierenden Gefühl abgestöpselt, vor hunderten Menschen zu stehen und diese zum Toben zu bringen. Der Duisburger muss ohne Auftritte im Resonanzwerk Oberhausen oder auf der Trabrennbahn Dinslaken auskommen. „Da hat die Bude gebebt. Das saugst du auf – und dem weinst du am meisten nach.“
Für den 49-Jährigen und seinen Kumpel Andreas Kutter, bekannt als „DJ Mallorca Andy“ und durch „Frauentausch“, wird aus der Idee von einem Schrebergarten als Rückzugsort für den Sommer schnell mehr. Im Schatten der Hochöfen von Thyssenkrupp Steel will das Duo die Menschen mit ihrem Alltag unterhalten und gleichzeitig gute Laune in die Wohnzimmer der Stadt bringen. Das klappt zunächst ohne Musik: Fotos und Videos auf Facebook dokumentieren, wie die Freunde den lange unberührten Vorstadt-Urwald umgraben, in einem unentdeckten Teich versinken, Stromkabel mit der Heckenschere durchtrennen. Ein Hauch von Fynn Kliemann in Beeck. Oder eine „Riesenrakete“, wie Kutter es kernig nennt, zwischen „Obst, Gemüse und Dildos.“
Zum Jahreswechsel regelmäßig live auf Sendung
Die Raketen an den Turntables starten dagegen erst später, den endgültigen Schub gibt der zweite Lockdown. Die Hütte aus alten Bahnschwellen ist hergerichtet, das Mischpult vor einer Wand mit grünem Stoff aufgebaut, das Handy dank doppelseitigem Klebeband an der Wand befestigt – um den Jahreswechsel geht der „DJ Garten“ erstmals mit einem Set auf Sendung.
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„Der Bedarf ist auch unter der Woche da. Die Leute sitzen zu Hause und suchen Abwechslung“, resümiert Bockting fünf Monate später. 500 bis 1000 Aufrufe kann ein gut dreistündiges Set schonmal haben, wenn es gut läuft tummeln sich bis zu 100 Leute gleichzeitig im Chat und feiern mit dem Duo oder den beiden Neuzugängen „DJ Pinky“ und „DJane Tina“. Der Chef: „Für unsere Verhältnisse ist das riesig. Reich werden wir damit nicht, aber wir haben einen Heidenspaß.“
Wenn die Rückmeldung des Publikums fehlt
Auch wenn das Auflegen und Animieren in eine Kamera für den DJ, der seit über 20 Jahren im Geschäft ist, immer noch gewöhnungsbedürftig ist. „Rudern, tanzen, singen – das fällt alles flach. Das direkte Feedback fehlt ohne Ende, dafür lebe ich als DJ“, betont Bockting. Dennoch: Überhaupt Lebenszeichen senden zu können und dafür positive Rückmeldung zu bekommen, mache den Duisburger sehr dankbar.
Zumal Bockting sich mit seiner Leidenschaft 2019 selbstständig machte und von vollen Auftragsbüchern lebte, ehe Corona kam. Jetzt gilt es für ihn, „die Kreativität zu nutzen und im Gedächtnis zu bleiben“, um nach der Pandemie wieder durchzustarten, denn „an der Musik hängt mein Herz“.
Bis dahin geht es im „DJ Garten“ weiter. Für den Sommer seien neue Formate geplant, etwa „Grill den DJ“ nach dem Vorbild der TV-Show „Grill den Henssler“, sagt Stefan Bockting. Und das Quartett dokumentiert natürlich weiter den Baufortschritt. „Früher war mir der Kleingarten viel zu spießig, aber jetzt möchte ich ihn nicht mehr missen.“
>>VOM NACHWUCHS-SCHLAGZEUGER ZUM DJ IM DELTA
- Zur Musik kam Stefan Bockting schon als Kind mit der Trommel im Duisburger Spielmannszug, auch Schlagzeug nach Noten habe er gespielt, sagt der heute 49-Jährige.
- Als DJ legte er erstmals 1999 auf, nachdem der Delta Musik Park in Hamborn Personal gesucht hatte. 16 Jahre blieb er einer der größten Diskotheken in Deutschland treu, ehe er am 28. Februar 2015 seine Abschiedsvorstellung gab.
- Bockting legt seitdem unter anderem im Bierkönig in Essen auf, spielt aber auch auf privaten Feiern.