Duisburg. Karin Humberg und Familie Rodriguez Schmitt sind zwei von 6300 Kleingärtner-Familien in Duisburg. Was die Faszination Kleingarten ausmacht.
Da sitzt sie, glücklich und zufrieden im bequemen Stuhl unter ihrem Apfelbaum. „Gibt’s was Schöneres“, fragt Karin Humberg. Sie liebt ihren Garten immer noch wie zu Anfangszeiten. Und die sind lange her. Denn die 75-Jährige ist Gründungsmitglied der Kleingartenanlage Borgsche Hütte, die 1969 entstand. „Im Augenblick sieht alles nicht so gut aus. Bei warmen Wetter und sehr viel Regen schießt das Unkaut wie wild“, stellt sie mit Kennerblick fest. Um Unkraut zu entdecken, muss man tatsächlich Kleingarten-Profi sein. Denn ihre 330 Quadratmeter große Scholle zeigt sich überaus gepflegt.
Anders als in der Gründungsphase. Da war die Fläche ein großes Feld, was mit intensiver Arbeit beackert werden musste. „Mein verstorbener Mann war Bergmann und wollte unbedingt einen Garten haben“, schildert die naturverbundene Duisburgerin mit dem grünen Daumen. Damals war sie gerade 23 Jahre alt und die Fläche gehörte noch zu Moers.
Auch interessant
Die Stadt war damals etwas großzügiger, was den Bau der Häuschen angeht, die auf den Grundstücken errichtet werden durften. Sie hat ein paar Quadratmeter mehr als die, die heute in den Kleingärten stehen dürfen. Ganze drei Pfennig pro Quadratmeter mussten sie damals auf den Tisch legen. Aber heute sei es nicht unbedingt viel mehr im Verhältnis. 27 Cent beträgt der Preis heute. Denn die Flächen werden ja von den Städten ordentlich bezuschusst.
„Das Haus hat 4000 Mark gekostet, das war viel Geld“
Alles, was auf Karin Humbergs Scholle steht und wächst, wurde in Eigenarbeit geschaffen. „Das Haus hat damals 4000 DM gekostet. Das war viel Geld.“ Damals wurden noch jede Menge Bücher gewälzt, um zu erkunden, welche Pflanzen sich mit wem vertragen. „Das ist genauso wie bei Menschen. Nicht alles können es miteinander“, sagt die Kleingärtnerin fröhlich und gießt ihrer Freundin Gabriele Sobczak einen leckeren Kaffee ein. Die 62-Jährige kommt jeden Tag zu Besuch, gemeinsam genießen sie die Ruhe.
Auch interessant
Ab und zu eine Erdbeere pflücken, bald Äpfel vom Baum holen und direkt genießen, das ist die Freiheit, die Kleingärtner brauchen. Gebaut wurde die Anlage auf einer alten Ziegelei, einer Kippe. Ohne jegliches Grün. Das mussten die Gartenliebhaber alles erst kultivieren. „Bei der Gründungsversammlung trug man sich in eine Liste ein und dann entschied das Los, welche Parzelle man bekam“, schildert Karin Humberg das Verfahren. Sie hatte großes Glück. Ihr Garten ist nur von einer Seite aus zu sehen, so dass sie nach hinten in vollkommener Ruhe genießen kann, was sie erschaffen hat.
Täglich zwei Stunden Gartenarbeit
„Unsere vier Kinder sind hier im Garten groß geworden“, freut sie sich. Und sie, beziehungsweise mittlerweile schon die Enkelkinder, helfen im Garten mit. „Ohne sie wäre das alles gar nicht mehr zu schaffen“, gibt sie zu. Dennoch: jeden Tag nach dem Frühstück ackert sie erst einmal zwei Stunden, um alles in Ordnung zu halten. Und das, obwohl sie gesundheitlich wirklich angeschlagen ist. Aber der Garten macht halt Spaß. „Als die Kinder noch klein waren, haben wir uns im Grunde ausschließlich von dem ernährt, was im Garten wuchs. Immer saisonal, was gerade angesagt war. Ich hab immer geguckt, was ist gerade reif und so habe ich das Essen dann zusammengestellt. Das ist eigentlich heute noch so bei mir“, strahlt sie.
Erdbeeren, Zuckererbsen, Tomaten, Zucchini, Gurken, Kirschen, als der riesige Baum noch stand und köstliche Äpfel. Der Tisch war immer reich gedeckt. „Was meinen Sie, was man da auch an Geld sparen kann. Das hat uns damals geholfen.“ Der große Kirschbaum musste dann irgendwann weichen. Denn er verschattete den Nachbarn fast den ganzen Garten und das darf nicht sein. Rücksichtnahme ist ein großes Thema in Kleingartenanlagen. Unter drei Laubentypen konnten die Humbergs bei der Gründung aussuchen. Sie entschieden sich für einen, mit dem die 75-Jährige auch heute noch wirklich zufrieden ist. Wenn sie auf ihr Haus guckt, fallen ihr die vielen Stunden ein, die sie und ihr Mann damals gebraucht haben, um den Bau hochzuziehen, die Wege und den kleinen Platz, auf dem sie heute noch gerne sitzt, anzulegen. „Das war viel Arbeit, aber es ist mein Leben“, sagt sie glücklich.
Der eigene kleine Acker für die Kinder
Ob Familie Rodriguez Schmitt ihren Garten auch so lange hält, weiß sie noch nicht. Seit einigen Jahren erst sind sie Besitzer einer Parzelle in Rheinhausen. Auch ihrer Kinder wegen. Tomaten, Kartoffeln, Zwiebeln, Knoblauch, Mais, Pflaumen und Feigen kommen nicht ursprünglich aus dem Supermarkt. Die werden angebaut, mit Händen gesät und geerntet. Das war die Botschaft, die Juan und Christina Rodriguez Schmitt ihren Kindern vermitteln wollten. Mit dem Pachten eines Kleingartens. Und dieser Plan ist aufgegangen.
Heute haben Luis (9) und Schwesterchen Lina (6) ihren eigenen kleinen Acker in der Kleingartenanlage „Stadtmitte Rheinhausen“ und lieben das Anbauen und Toben in völliger Freiheit. Draußen zu sein, Obst wachsen zu sehen, selbst in der Erde zu wühlen - für sie gibt’s nichts Schöneres. Der 37-Jährige Lehrer und seine Frau (34) besitzen den Garten erst seit ein paar Jahren, sind aber schon zu echten Experten gereift. „Learning by doing“ war angesagt. Also Lernen, indem man es einfach tut, ist die Devise. Nicht immer klappt alles, was man sich so vorstellt.
Süße Leckerei für den Grill
Manchmal gedeihen Pflanzen nicht. Aber im Großen und Ganzen ist das Ehepaar hoch zufrieden mit der eigenen Gartenkunst. „Es gibt ja gute Nachbarn und schlechte. Das muss man erst einmal herausfinden“, sagt der 37-Jährige. Womit er nicht die menschliche Nachbarschaft meint, sondern die Pflanzen, die nicht so gerne nebeneinander stehen wollen. Im Frühjahr gehen immer ein bis zwei Tage für die Planung bei drauf.
Auch interessant
Was wollen wir auf jeden Fall in den Garten pflanzen, was soll wo blühen, wo legen wir Beete an? Vor allem die Kinder haben Spaß. Louis liebt es, Mais anzubauen und die süße Leckerei dann gegrillt zu genießen. Lina genießt gerne Erdbeeren und Waldbrombeeren. „Die sind ohne Stacheln“, klärt der Vater auf. Ja, es koste viel Zeit. Wenn das Wetter gut ist, geht die Familie täglich in den Garten, ansonsten mindestens vier Mal in der Woche. Er liebt seine Parzelle und freut sich vor allem über einen tollen Vorstand, der „immer sofort alle anstehenden Fragen und Probleme angeht.“
Drei Jahre auf den Garten gewartet
Gegen das Unkaut kämpfen zurzeit alle Kleingärtner. Aber die Arbeit stört ihn nicht. „Drei Jahre haben wir darauf gewartet, einen Garten zu bekommen. Dass es geklappt hat, darüber sind wir sehr glücklich.“ Dazu kommt, dass das eigene Grün nur maximal zehn Minuten zu Fuß von Zuhause entfernt liegt. Also nur ein Katzensprung entfernt.
Nicht immer sofort zum Ziel zu kommen, ist der Lehrer gewohnt. Das schreckt ihn überhaupt nicht. Sein großer Berufswunsch war es immer, Lehrer zu werden, weil er ein so großes Vorbild auf dem Willy-Brandt-Berufskolleg hatte. Er machte eine Ausbildung zum technischen Assistenten, wurde dann Zerspaner, besuchte die Meisterschule und fand schließlich als Feinwerkmechaniker eine Anstellung an „seinem“ Berufskolleg. Sein handwerkliches Können kann er jetzt als Kleingärtner hervorragend gebrauchen. Hochbeete bauen, Sitzbänke zimmern, Wasserleitungen verlegen - alles macht er mit den Kindern selbst in seinem Garten. Der Kleingarten sei die beste Entscheidung gewesen, strahlt er.