Duisburg. Der Mieterschutzverein Groß-Duisburg reagiert auf Ermittlungen gegen Vorstandsmitglieder. Der Streit eskalierte bei der Jahreshauptversammlung.
Der Mieterschutzverein Groß-Duisburg hat einen neuen Vorstand gewählt. Damit wollen die Mitglieder um den alten und neuen 1. Vorsitzenden Horst Neureiter einen ersten Schritt gehen, um den Rechtsstreit mit den übrigen, nunmehr wohl abgewählten Vorstandsmitgliedern nicht weiter ausufern zu lassen. Diese Vier, die sich wie berichtet teilweise rechtswidrig auf Kosten des Vereins bereichert haben sollen, hatten scheinbar versucht, die Jahreshauptversammlung zu verhindern. Am Ende stand vorigen Sonntag, 5. Dezember, sogar die Polizei im Saal im Café Museum.
Dem Vorstand gehörten zuletzt der 1. Vorsitzende Horst Neureiter an, außerdem seine Stellvertreter Andreas Seipold und Andreas Niepel. Das Amt des Kassierers bekleidete Walter Naczke, im Frühjahr 2021 kam eine neue Schriftführerin hinzu.
Seit Oktober 2019 hatte der Verein keine Mitgliederversammlung mehr durchgeführt, obwohl er laut Satzung dazu spätestens alle zwei Jahre verpflichtet ist. Der Streit eskalierte, als Neureiter einen neuen Termin festlegte.
Staatsanwaltschaft Duisburg ermittelt wegen Betrugs gegen Vorstandsmitglieder
Rückblick: Im Oktober 2019 hatte die Mitgliederversammlung dem Vorstand die Entlastung verweigert, da der sich weigerte, den Kassenbericht zu veröffentlichen. In der Sitzung war der Vorstand mit mutmaßlich unzulässigen Zahlungen an Seipolds mittlerweile verstorbene Ehefrau konfrontiert worden.
Recherchen der Redaktion hatten darüber hinaus ergeben, dass Seipold, Niepel und Naczke wohl jahrelang Aufwandsentschädigungen kassierten, die weit über der festgelegten Höchstgrenze lagen – die Summen belaufen sich auf mehrere zehntausend Euro (wir berichteten). Die Staatsanwaltschaft Duisburg ermittelt. Am 8. März ließ die Staatsanwaltschaft die Büros des Mieterschutzvereins an der Claubergstraße und Wohnungen von Vorstandsmitgliedern durchsuchen.
Vorstandsmitglieder veröffentlichen Kassenberichte nicht
Auch der alte und neu gewählte Vorsitzende Horst Neureiter strich hohe Summen ein – aus Unwissenheit über die geltenden Höchstgrenzen, beteuert er. Ihm sei an Aufklärung gelegen. Doch auch ihm, dem 1. Vorsitzenden, verweigern seine vier (ehemaligen) Vorstandskollegen Auskünfte über die Vereinskasse. Sie klagen sogar gegen den Beschluss der Mitgliederversammlung 2019. Die Gelder für diesen Rechtsstreit beziehen sie aus Vereinsmitteln.
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Horst Neureiter erstattete Strafanzeige wegen Untreue und Betrugs, auch gegen sich selbst. In der neuerlichen Mitgliederversammlung sollten diese Vorwürfe aufgeklärt werden. Doch dazu kam es nicht mehr, nicht nur der Corona-Pandemie wegen: „Meine Vorstandskollegen haben die Ansetzung einer Jahreshauptversammlung immer wieder verhindert. Aber ich habe diese jetzt durchgesetzt, weil ich endlich eine Entscheidung haben will“, sagt Neureiter.
Streit spitzt sich zu, als der Vorsitzende die Mitgliederversammlung beschließt
In einer Vorstandssitzung am 28. Oktober habe er den Termin festlegen wollen, gegen den Widerstand seiner Kollegen. „Als Vorstandsvorsitzender lade ich zur Mitgliederversammlung ein und sonst niemand, wenn im Verein nichts anderes geregelt ist – und das ist nicht der Fall.“
Stellvertreter Seipold, so Neureiter, habe während der Sitzung daraufhin eine eigene Sitzung eröffnet. Darin hätten sich die anderen Vorstandsmitglieder dafür ausgesprochen, die Mitgliederversammlung erneut zu verschieben. Anschließend hätten sie den Raum verlassen. „Ich habe als einzige verbliebene Person die Vorstandssitzung ordnungsgemäß zu Ende geführt und den Termin auf den 5. Dezember festgelegt“, sagt Neureiter. Das Datum ließ er, wie in der Satzung vorgesehen, 14 Tage vorher in der Tageszeitung veröffentlichen.
Vorstandsvorsitzender soll aus dem Verein geworfen werden
Daraufhin erhielt er am 29. November von den anderen vier Vorstandsmitgliedern eine Vorladung zu einer Anhörung. Darin forderten sie ihn auf, die Einladung zu der Mitgliederversammlung zurückzunehmen. Außerdem sollte am 2. Dezember darüber abgestimmt werden, ob Neureiter aus dem Verein ausgeschlossen wird. Ziel dieser Aktion war es, vermutet Neureiter, die Mitgliederversammlung doch noch zu verhindern.
Seine Vorstandskollegen widersprechen seiner Darstellung auf Anfrage unserer Redaktion schriftlich: „Der Vorstand hat in der Vorstandssitzung am 28. Oktober mehrheitlich beschlossen, die Mitgliederversammlung auf 2022 zu verschieben. Hintergrund war die aktuelle Entwicklung des Infektionsgeschehens. Diesbezüglich wurde auch Rücksprache mit Mitgliedern gehalten, welche sich mehrheitlich dahingehend ausgesprochen haben, eine solche Veranstaltung derzeit nicht besuchen zu wollen“, heißt es in der Stellungnahme.
Vorstandskollegen verweisen auf demokratische Entscheidung
Neureiter habe diese Entscheidung ignoriert und dennoch zur Mitgliederversammlung eingeladen. Dort gefasste Beschlüsse seien nichtig, weil Seipold, Niepel, Naczke und die neue Schriftführerin die Versammlung am 29. November wieder abgesagt hätten. Neureiter irre mit der Ansicht, nur der 1. Vorsitzende dürfe zu Vorstandssitzungen einladen und sie leiten, Tagesordnungspunkte festlegen, Rederecht erteilen und zu Abstimmungen aufrufen.
Dies sei in der Satzung geregelt. „Herr Neureiter hat in der Vergangenheit nach unserer Meinung mehrfach Mehrheitsbeschlüsse des Vorstands und die aktuelle Geschäftsordnung missachtet und gegen die innervereinsrechtliche Demokratie verstoßen“, heißt es weiter. „Aus unserer Sicht rechtfertigt das einen Ausschluss. Der Vorstand ist immer bemüht, sich in einem rechtlich zulässigen Rahmen zu bewegen.“
Vorsitzender erwirkt einstweilige Verfügung gegen seinen Ausschluss
Doch Neureiter erwirkte eine einstweilige Verfügung vor dem Amtsgericht Duisburg, die Seipold, Naczke und Niepel untersagte, ihn aus dem Verein auszuschließen. Sollten sie es dennoch versuchen, droht jedem von ihnen ein Zwangsgeld von 250.000 Euro.
Das Gericht beruft sich dabei auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs von 1984, in dem steht, dass ein Vorstandsmitglied nicht durch andere Vorstandsmitglieder abberufen werden kann. Befugt sei ausschließlich jenes Organ, das jemanden zum Vorstand ernannt habe – im Fall des Mieterschutzvereins Groß-Duisburg war das die Mitgliederversammlung.
Eklat auf der Jahreshauptversammlung im Café Museum
Damit konnte die Jahreshauptversammlung am vergangenen Sonntag stattfinden. Dort kam es vor etwa 20 anwesenden Mitgliedern zum Eklat: Noch während Neureiter die Einladung verlas und über seine Ehefrau als Protokollführerin abstimmen lassen wollte, wurde er von Seipold unterbrochen. Dieser berief sich auf die angebliche Geschäftsordnung des Vereins und verkündete, dass Treffen sei unrechtmäßig.
Neureiter verwies auf die ordnungsgemäße und fristgerechte Einladung, woraufhin Seipold, Naczke, Niepel und die Schriftführerin den Raum verließen. Die anwesenden Mitglieder wählten den bisherigen Vorstand ab und sprachen Horst Neureiter erneut das Vertrauen aus. Er wurde wiedergewählt, obwohl die Staatsanwaltschaft wie berichtet auch gegen ihn ermittelt. Neuer 2. Vorsitzender ist Andreas Heinz, 3. Vorsitzende Gisela van Hasz. Kassiererin ist nun Petra Auerbach, der Schriftführer heißt Frank Schellenberg.
Polizei kontrolliert Impfausweise – nach offensichtlicher Lüge
Kurz vor Ende der Veranstaltung kam erneut Unruhe auf: Eine Angestellte des Vereins, der Andreas Seipold vergünstigte Mitgliedskonditionen gewährt hatte, war wütend aus dem Saal gestürmt, als Neureiter dies öffentlich gemacht hatte. Kurze Zeit später erschienen zwei Beamte im Café Museum, um die Impfnachweise der Anwesenden zu überprüfen.
Sie gingen Hinweisen nach, wonach die Veranstaltung angeblich von lauter Ungeimpften besucht werde und sämtliche Corona-Maßnahmen nicht eingehalten würden. Die Beamten konnten jedoch keine Verfehlungen feststellen.
>>Ermittlungen dauern weiter an
- Die Staatsanwaltschaft Duisburg ermittelt gegen Horst Neureiter, Andreas Seipold, Andreas Niepel und Walter Naczke. „Die Ermittlungen dauern weiterhin an. Eine Prognose, ob und wann Anklage erhoben wird, kann ich derzeit leider nicht mitteilen“, sagt Pressesprecherin Marie-Theres Diener.
- Zu den Vorwürfen wollen sich Seipold, Niepel und Naczke mit Verweis auf das laufende Verfahren nicht äußern.