Duisburg. Der Bundestag hat Bärbel Bas (SPD) zur Präsidentin des Parlaments gewählt. Wie die Abgeordneten abstimmten und was Bas ihrer Heimat versprach.
Eine Duisburgerin schreibt Stadt-, Parlaments- und BRD-Geschichte: Bärbel Bas ist die neue Präsidentin des Bundestags und bekleidet somit fortan das zweithöchste Staatsamt nach dem Bundespräsidenten. Bei der konstituierenden Sitzung des Bundestags hat am Dienstag eine deutliche Mehrheit der Abgeordneten die 53 Jahre alte Sozialdemokratin aus Duisburg-Neudorf gewählt. Die machte in ihrer Antrittsrede auch ein Versprechen an ihre Heimatstadt und sorgte für einen emotionalen Moment der Stille.
Um 13.28 Uhr gab ihr Vorgänger Wolfgang Schäuble (CDU) unter der Kuppel des Berliner Reichstags (und auch für die Fernsehzuschauer) das Ergebnis der geheimen Wahl bekannt: Mit „Ja“, also für die einzige Nominierte Bärbel Bas, hatten 576 der 736 Abgeordneten gestimmt. Gegen die SPD-Politikerin votierten 90 Mitglieder des 20. Deutschen Bundestages, 58 enthielten sich (bei insgesamt 724 gültigen Stimmen).
Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) will mehr Frauen im Herzen der Demokratie
Nachdem Schäuble vom Applaus der Abgeordneten unterbrochen worden war und die Auserwählte sich in der ersten Reihe der SPD-Fraktion erhoben und verbeugt hatte, fuhr der Alterspräsident fort: „Ich frage Sie: Nehmen Sie die Wahl an?“ Und die großgewachsene Frau im roten Sakko antwortete mit fester Stimme und großer Freude im Gesicht: „Ich nehme die Wahl von Herzen gerne an.“ Schäuble: „Frau Präsidentin, bitte übernehmen Sie das Amt.“
Bärbel Bas ist somit erst die dritte Frau in diesem Amt – nach Annemarie Renger (SPD, 1972–1976) und Rita Süßmuth (CDU, 1988–1998). Was sie gleich zu Beginn ihrer etwa 15-minütigen Rede an ihrem neuen Arbeitsplatz, auf dem Podium im Plenarsaal thematisierte:
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Bas begrüßte Süßmuth, 84, auf der Besuchertribüne und erinnerte an die 2008 verstorbene Renger, die sich sich in den Siebzigern noch selbst fürs Amt empfehlen musste. „Ich habe nicht selbst den Finger gehoben“, sagte Bas, „aber im richtigen Moment Ja gesagt. Als Zeitenwende empfinde ich meine Wahl dennoch.“ Nur drei Bundestagspräsidentinnen seit 1949 – „ruhmreich ist das nicht“, kritisierte die Neue. Die Verantwortung sei im Herzen der Demokratie noch nicht gleich verteilt – „daran arbeite ich“.
Bärbel Bas will Duisburg nicht aus dem Blick zu verlieren
Wie die in Duisburg-Walsum aufgewachsene Bildungsaufsteigerin ihr Amt ausführen will und wie sie sich die Volksvertretung wünscht, erklärte Bas auch mit einem Verweis auf ihre Heimatstadt: „Duisburg, wo ich geboren bin, hat übrigens auch noch nicht erlebt, dass ein Kind der Stadt in ein so hohes Amt gewählt wurde.“ Sie versprach, „dass ich die Stadt nicht aus dem Blick verliere“ und staatsfräuisch, sich in ihrer neuen Funktion grundsätzlich für mehr Bürgernähe in der Bundespolitik einzusetzen.
Sie wünsche sich Politiker, die verständlich sprechen und zuhören – auch „Gestrandeten“ und „Schwachen“, auch Verdrossenen aus der Mitte der Gesellschaft. Einer wir ihr nimmt das selbst der politische Gegner ab: Seit ihrer ersten Direktwahl 2009 pendelt die uneitle Gesundheitspolitikerin von der Parteilinken zwischen Berlin und Duisburg, um auf möglichst vielen Stadtteil- und Vereinsfesten zuzuhören.
Emotionaler Moment des Gedenkens
Die Parteilinke ist zwar eine Routinierin der Berliner Republik, hat als Gesundheitspolitikerin und Fraktionsvize viele Reden im Plenum gehalten; eine fröhliche Aufregung war ihr bei ihrer Antrittsrede freilich dennoch anzumerken. Ein Zittern in ihrer Stimme verursachte jedoch einzig das Gedenken an ihren am 25. Oktober 2020 verstorbenen Parteifreund Thomas Oppermann, zuletzt Vizepräsident des Hauses: „Ich spüre an einem Tag wie heute: Er fehlt. Ich habe viel von ihm gelernt.“ Bärbel Bas, die vor einem Jahr auch ihren Ehemann Siegfried Ambrosius verloren hatte, hielt kurz inne und sorgte für einen Moment des stillen Gedenkens.
Nach ihrer Rede, für die sie eine halbe Minute Applaus erhielt, fand Bas über ihre neue Aufgabe – die Leitung der Plenarsitzungen – zur bekannten Lockerheit zurück. So vergaß sie etwa vor der Wahl der Vizepräsidentinnen und -präsidenten, den FDP-Kandidaten Wolfgang Kubicki zu erwähnen – den möglicherweise „einzigen Mann“, bat Bas um Entschuldigung, halb präsidial, halb verschmitzt. Und ergänzte: „Ein guter Mann – sagt zumindest die Fraktion.“
>> ABSTIMMUNG IN SPD-FRAKTION / FÜNF DUISBURGER ABGEORDNETE
■ Im Vorfeld der konstituierenden Bundestagssitzung hatte die SPD-Fraktion Bärbel Bas fast einstimmig nominiert. Auf sie entfielen bei einer Abstimmung in der Fraktionssitzung am Dienstag 193 von 194 Stimmen bei einer Enthaltung, teilte ein Fraktionssprecher am Morgen mit.
■ Der 20. Deutsche Bundestag hat 736 Abgeordnete, 27 mehr als bislang – so viele wie nie zuvor. Duisburg ist erstmals mit fünf Parlamentariern in Berlin vertreten: Bärbel Bas, Mahmut Özdemir (SPD), Felix Banaszak, Lamya Kaddor (Grüne) und Christian Leye (Linke).
>> DUISBURGS OB KARL JARRES WAR VIZEKANZLER
■ Ein hohes Staatsamt füllte auch Karl Jarres (1874–1951) aus, Duisburgs Oberbürgermeister von 1914 bis 1933. Der DVP-Politiker war im Kabinett Stresemann Reichsminister des Inneren und Vizekanzler. Bei der Reichspräsidentenwahl 1925 erhielt Jarres im ersten Wahlgang sogar die meisten Stimmen, zog seine Kandidatur jedoch zurück – zugunsten von Hindenburg. Anders als Bärbel Bas war Jarres allerdings Remscheider und kam erst spät nach Duisburg.
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(mit dpa)