Duisburg. Der Bedarf an Kitas in NRW ist riesig, aber Investoren scheitern, Generalunternehmer gehen pleite. Ein Träger sagt: „Das ist ein wilder Markt!“
Baustoffmangel, Personalmangel – es gibt viele Gründe, warum neue Kitas in Duisburg nicht pünktlich fertig werden. Probleme gab es aber auch vorher schon, erzählt ein Träger.
Statt der angekündigten neun Kitas waren im vergangenen Sommer nur vier fertig, in diesem Sommer statt vier lediglich ein halber mit zwei Gruppen. Die größte Duisburger Kita, die aktuell für neun Gruppen in Hochfeld gebaut wird, ist ebenfalls im Hintertreffen. Hier ist es der Mangel an Baustoffen, sind es Liefertermine, die nicht eingehalten werden, deshalb blickt man jetzt auf den November als Starttermin.
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„Viele Investoren haben es nicht drauf“
Und welche Gründe gibt es sonst? Wilhelm Steitz ist Geschäftsführer von Zok, das Mülheimer Unternehmen, das zur Stiftung Pia gehört, ist in Duisburg Träger von künftig fünf Kitas.
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Steitz war Dezernent für Recht und Ordnung in Dortmund, Bürgermeisterkandidat in Mülheim, auch in einer Elterninitiative hat er mal mit angepackt. Er sagt: „Das Bauen wird weitgehend dem freien Markt überlassen. Viele Investoren haben es aber nicht drauf, haben keine Erfahrung.“
Um auf dem Markt Geld verdienen zu können, brauche es gute Konzepte. Aktuell würden 11 Euro „und ein paar Cent“ Miete pro Quadratmeter fällig, damit könne man keinen Neubau refinanzieren, vor allem nicht, wenn man ab dem 1. Monat Rendite rausziehen will. Und erst recht nicht angesichts der enorm gestiegenen Baukosten.
Er rechnet vor: Bei 20 Prozent höheren Baukosten müsste die Quadratmetermiete bei mindestens 13 Euro liegen. „Das wird von der Mietförderung nach dem KiBiZ aber nicht gedeckt.“ Abgesehen davon liegt die Steigerung teilweise bei bis zu 50 Prozent. Mit „kreativer Buchführung“ sei da nichts mehr zu stemmen.
Träger sind nur vordergründig gemeinnützig
Zuletzt ist die Katholische Kirche aus einigen Trägerschaften ausgestiegen, weil der Eigenanteil zu hoch wurde. Er lobt, dass in Duisburg die Gebag eingesprungen ist und gerade „ein Zehnerpaket baut“.
Kitas sind ein Wachstumsmarkt, weil Eltern einen gesetzlichen Anspruch haben und es der gesellschaftliche Wandel mit sich bringt, dass vielfach beide Elternteile arbeiten. Neue Träger wie die Kusep-Gruppe oder eben Stepke mischen nun in Duisburg mit – das sind zwar vordergründig gemeinnützige Träger, die aber keine gemeinnützigen Gesellschafter haben, „sondern solche, die gewinnorientiert arbeiten“, betont Steitz.
Das Scheitern der Investoren hat viele Konsequenzen
Welche Folgen es hat, wenn Investoren scheitern, beschreibt Steitz an einer folgenschweren Kettenreaktion. Konzentration bitte: Die Zaubersterne warten seit 2018 darauf, in Neumühl die Kita Max-Planck-Straße wieder zu beziehen. Während das Gebäude zur Ruine verfiel, lief hinter den Kulissen ein Wechsel von Investor Signa zu Investor Audere Equity, dieser kündigte eine Fertigstellung für August 2021 an. Stand 16. August spielen die Kinder aber noch in der Schillerstraße in Marxloh.
Seit drei Jahren sind sie dort in der ehemaligen Katholischen Kita St. Norbert untergebracht. Diese sollte längst abgerissen sein, denn daneben steht die neu gebaute Kita Hauffstraße. Hier können zur Zeit nur zwei Gruppen betreut werden, weil nur ein kleines Außengelände zur Verfügung steht. Die eigentliche Außenspielfläche soll da entstehen, wo jetzt noch die St. Norbert-Kita steht.
„Zwei Generalunternehmer gingen pleite“
Wir sind noch nicht fertig: Die Kinder, die zur Zeit in der Kita Hauffstraße untergebracht sind, gehören eigentlich zur Kita Kleiner Sonnenschein in Beeckerwerth. Hier gab es Feuchtigkeitsprobleme, ein Gruppenraum ist zur Zeit nicht benutzbar. Bauphysiker sind derzeit mit der Planung der Reparatur beschäftigt.
Das ist einigermaßen ärgerlich, denn die Kita Beeckerwerth ist erst seit 2019 in Betrieb, fertig werden sollte sie 2017. Die Kinder waren derweil in einer Notgruppe in einer städtischen Kita mit untergebracht. „Das hat viel Geld und Nerven gekostet. Zwei Generalunternehmen gingen pleite, der Bauleiter verschwand“, zählt Steitz auf, „das ist ein wilder Markt!“
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Investoren mit Interesse an kurzfristigem Geld nicht an Kita-Bauten lassen
Das jüngste Projekt, der Bau an der Hauffstraße, habe ebenfalls einige Probleme bereitet, „da fehlten Durchlauferhitzer, Steckdosen, viel Kleinkram, aber das muss ja funktionieren“. Ein Blick zur Kita Sandstraße: Sie konnte auch erst mit zwei Gruppen anfangen, da gingen neue Wasserrohre kaputt, das Erdgeschoss stand unter Wasser, „ein Riesen Technik-Murks“, beschreibt Steitz, und nennt noch einen Generalunternehmer, der pleite ging.
Für Steitz ist es mittlerweile zweifelhaft, Investoren an die Kitabauten zu lassen, die damit kurzfristig Geld verdienen wollen. „Das funktioniert bei einer Anfangsmiete von etwas über 11 Euro bei den heutigen Baukosten nicht mehr.“ Seinem Träger sei es bei allen drei Duisburger Kitas passiert, dass die Bauunternehmen Fertigstellungstermine angekündigt haben, die alle weit überzogen wurden, die volle Kapazität der Einrichtungen habe sich erst nach mehr als einem Jahr realisieren lassen. „Wir haben rekrutiert, Leute eingestellt, und plötzlich heißt es, ach nee, doch nicht.“
Bauverzögerungen sind für Träger bedrohlich
Für einen Träger sind all diese Verzögerungen bedrohlich. Allein der Managementaufwand sei kaum zu finanzieren und ein kleiner Träger „wäre total aufgeschmissen“. Am schlimmsten ist aber, dass die Plätze ja dringend gebraucht werden und der eigentliche Schaden tritt bei den Kindern ein, gibt Steitz zu bedenken. „Ein Kind, das ohne eine vorschulische Bildung in die Grundschule eingeschult wird, hat eindeutig geringere Chancen in der Schule und wird damit möglicherweise sein Leben lang benachteiligt sein.“
>>ZWEI WEITERE KITAS IN DUISBURG IM BAU
- Zok hat künftig fünf Kitas in Duisburg und „das reicht erstmal“, sagt Wilhelm Steitz. Wald-Kitas, wie es eine in Mülheim gibt und für Dortmund gebaut wird, könnte er sich auch in Duisburg vorstellen. Das mache zwar keinen Bauärger, „aber der Personalaufwand ist höher, das ist auf eine andere Weise schwierig.“
- Zok wird mit der Gebag eine Kita in Rheinhausen realisieren, die in Modulbauweise im August 2022 fertig sein soll.
- In Meiderich soll aus der ehemaligen Sparkasse eine Kita werden. Für letztere liegt der Bauvorbescheid vor. Hier ist Steitz zuversichtlich, dass alles klappt. Auch in Mülheim ist der Umbau eines Bankgebäudes für Zok im Gange.