Duisburg. Duisburg landet beim Vergleich von „Impfquoten“ in NRW-Städten und -Kreisen immer abgeschlagen hinten. Welche Faktoren Vergleiche erschweren.

Wenn die hochansteckende Delta-Variante dominiert, sollten deutschlandweit „mindestens 85% der 12- bis 59-Jährigen bzw. 90% der Über-60-Jährigen vollständig gegen COVID-19 geimpft“ sein, um das Virus kontrollieren zu können. Das hat das Robert Koch-Institut (RKI) jüngst auf der Grundlage von Simulationen geschätzt. Die Impfquoten Nordrhein-Westfalens laut RKI: Am 15. Juli waren in NRW 47,3 Prozent der 18- bis 59-Jährigen vollständig geimpft, 78,2 Prozent der Über-60-Jährigen und 2,0 Prozent der Unter-18-Jährigen – alles in allem 48,3 Prozent der Gesamtbevölkerung (Deutschland: 45,3 %). Auf Stadt- und Kreisebene dagegen gibt es aus mehreren Gründen keine Zahlen, die genau über den jeweiligen Impffortschritt informieren.

Denn die Kassenärztlichen Vereinigungen Nordrhein (KVNo) und Westfalen-Lippe (KVWL) zählen lediglich die in die kreisfreien Städte und Kreise gelieferten Impfdosen, also den Impf-Ort – und nicht den tatsächlichen Wohnort der Geimpften.

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Der Haken daran: In Duisburg beispielsweise werden ja nicht ausschließlich Duisburger geimpft, sondern auch in anderen Kommunen wohnhafte Personen: Anfangs waren das Mitarbeiterinnen von Seniorenheimen und Kliniken, inzwischen sind es auch Mitarbeiter von Firmen, die Betriebsimpfungen durchführen. Umgekehrt werden Duisburger so auch in anderen Kommunen geimpft. Und für diese gezählt.

Betriebsimpfungen von Thyssenkrupp fließen nicht in Duisburger Impfzahlen ein

Eine weitere Unschärfe entsteht dadurch, dass viele Betriebsimpfungen in den KV-Statistiken nicht berücksichtigt sind. Denn die Betriebsärzte können ihre Impfungen über die jeweilige KV melden, aber auch direkt ans RKI. Dann fließen diese Pikse zwar in Landes- und Bundesimpfquoten ein, nach Angaben eines KVNo-Sprechers aber nicht in die lokalen Impfzahlen.

Ein Beispiel: Thyssenkrupp Steel (TKS) hat bislang nach Angaben eines Firmensprechers etwa 7600 Mitarbeiter an vier Standorten in NRW geimpft, die meisten im firmeneigenen Bildungszentrum in Bruckhausen. In Duisburg wohnen etwa 6000 bis 7000 TKS-Angestellte. Diejenigen darunter, die sich im Betrieb immunisieren ließen, können von der KVNo nicht mitgezählt werden, weil die TKS-Betriebsärzte „direkt ans RKI melden“, wie ein Sprecher sagt.

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Ein größeres „Risiko“, dass Impfungen in großen Unternehmen nicht in die lokalen Impfzahlen eingehen, haben also Kreise und Städte mit vielen Arbeitgebern und Einpendlern. Andererseits können durch die Impfungen auswärtig wohnender Angestellte in die lokalen Zahlen eingehen, sofern diese über die KVNo melden. Das bleibt laut KVNo den Betriebsärzten selbst überlassen.

Erst- und Zweitimpfungen: Duisburg immer auf den letzten Plätzen

Das Potenzial möglicher Verzerrungen kommunal aufgeschlüsselter Impfzahlen wird bei einem Blick auf die unterschiedlichen Pendlerbilanzen der Städte und Kreise deutlich: Laut IT NRW pendelten 2019 täglich 105.089 Menschen aus anderen Wohnorten nach Duisburg ein, aber fast ebenso viele Duisburger fahren täglich zu ihren Arbeitsplätzen in andere Städte.

Im Wissen um diese Unschärfen werfen wir dennoch einen Blick auf die KVNo-Daten: Rechnet man lediglich die Zahl der Impfungen in Duisburg auf die vom Landesbetrieb IT NRW erfasste Einwohnerzahl (Stand: 30. Juni 2020) um, ergab sich daraus am 15. Juli für Duisburg eine „Zweitimpfquote“ von etwa 43,4 Prozent. Nach einer solchen Rechnung mit KVNo- und Einwohnerzahlen, die also auch alle Kinder einfach einbezieht, schnitten im Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNo) nur der Kreis Kleve (41,5 %) und Wuppertal (43,2 %) schlechter als Duisburg ab. Spitzenreiter Bonn kommt auf 53,9 Prozent, Mülheim auf 51 (siehe Tabelle / zu einer fortlaufend aktualisierten Tabelle).

Noch größer sind die Unterschiede bei den Erstimpfungen, und auch hier hinkt Duisburg abgeschlagen hinterher.

Anteilig unterschiedlich viele Einwohner, die (nicht) geimpft werden können

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Zumindest zum jetzigen Zeitpunkt unterscheiden sich die Prozentwerte der Städte und Kreise auch wegen der mitunter sehr unterschiedlichen Altersstruktur der Einwohner, die bei Quoten-Vergleichen meist unberücksichtigt bleibt. Denn die Ständige Impfkommission empfiehlt Impfungen für Kinder und Jugendliche zurzeit nur für 12- bis 17-Jährige mit besonderen Risiken, für Jüngere ist noch nicht mal ein Vakzin zugelassen. Die Städte und Kreise unterscheiden sich also auch nach dem Anteil derjenigen, die überhaupt geimpft werden können.

Im Regierungsbezirk Düsseldorf hatte Duisburg laut Landeszentrum Gesundheit (LZG) Mitte 2019 den zweithöchsten Anteil an 0- bis 17-Jährigen (17,2 %) nach Wuppertal (17,3 %) – und zugleich den zweitniedrigsten Anteil an Über-65-Jährigen (20,4 %) nach Düsseldorf (19,3 %).

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Das beim Vergleich der Impfzahlen gut abschneidende Mülheim etwa hat anteilig weniger Einwohner unter 18 Jahre (16,3 %), aber deutlich mehr Über-65-Jährige (23,9 %). Noch extremer ist der Unterschied zur Altersstruktur der in NRW beim Impfen lange führenden Stadt Bottrop: Der Anteil der Jüngsten (bis 17 Jahre) beträgt dort nur 15,7 Prozent, der der Ältesten (65+) 22,6 Prozent. Allein das macht bei der „Impfquote“ schon einen Unterschied.

Auch deshalb bietet die Umrechnung der Impfzahlen auf die Gesamtbevölkerung zurzeit nur eine grobe Orientierung. Unübersehbar bleibt nichtsdestotrotz: Duisburg hinkt beim Impfen auffällig deutlich und andauernd hinterher.