Duisburg. Das Impfzentrum im TaM schließt an zwei Tagen, und Duisburg hinkt beim Impfen hinterher. Seit Wochen. Deutlich. Das sind die Gründe.

Das Impfzentrum schließt mangels Nachfrage am 19. und 21. Juli, bei den Impfaktionen auf den Wochenmärkten bilden sich längst keine Warteschlangen mehr. Und wann immer die Impfzahlen der Kassenärztlichen Vereinigungen ins Verhältnis gesetzt werden zu den Einwohnerzahlen der Städte und Kreise in NRW, landet Duisburg auf einem der hintersten Plätze. Die auf unscharfen Impfstatistiken und einfachsten Einwohnerzahlen beruhenden „Impfquoten“-Vergleiche sind mit großer Vorsicht zu interpretieren, da sie etwa unterschiedliche Altersstrukturen nicht berücksichtigen (zu einer Betrachtung). Doch laut Vergleich hinkt Duisburg dauerhaft und sehr deutlich hinterher. Woran liegt das?

Auch der aktuelle Leiter des Corona-Krisenstabs, der Beigeordnete Paul Bischof, hat nicht die eine eindeutige Erklärung. Aber zumindest einen Ansatzpunkt: „Wenn man die Kurven mit den Impfzahlen der einzelnen Städte nebeneinanderlegt, sieht man, dass die Quote bei uns in den letzten Wochen ähnlich angestiegen ist wie anderswo. Nur diesen Rückstand durch die Delle, den kann man nicht so schnell aufholen.“

Duisburger Delle – „so etwas gab es bei uns in Bottrop nicht“

Mit dieser Duisburger Delle meint Bischof die nicht abgerufenen Impftermine im April und Mai. An vielen Tagen wurde von den seinerzeit priorisierten Gruppen – dazu zählten Über-75-Jährige – die Hälfte der möglichen Termine im Impfzentrum im Theater am Marientor (TaM) nicht genutzt. Dass während der Impfstoffknappheit und vor dem Einstieg der Arztpraxen in großer Zahl freie Impftermine nicht gebucht wurden – „so etwas gab es bei uns in Bottrop nicht“, sagt Andreas Pläsken, Sprecher der Stadt Bottrop.

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Bottrop schneidet bei den NRW-Vergleichen von den Großstädten seit Wochen am besten ab. Den „hervorragenden Ruf des Impfzentrums“, den Pläsken als Erfolgsfaktor anführt, hat das Duisburger Impfzentrum auch (wir berichteten); das macht wohl keinen Unterschied. Eher schon sind es Gründe, die damit zusammenhängen, dass Bottrop mit etwa 117.000 Einwohnern eine sehr kleine Großstadt „oder auch: das größte Dorf Preußens“ ist, wie Pläsken sagt.

Impfzentrum: Migranten deutlich unterrepräsentiert

In Bottrop lag der Anteil der Einwohner mit Migrationshintergrund 2018 laut Landesbetrieb IT NRW bei 26,4 Prozent, in Duisburg bei 38,5. Im Impfzentrum im TaM ist aufgefallen, dass Menschen mit arabischer und türkischer Zuwanderungsgeschichte deutlich unterrepräsentiert waren; aus der bulgarischen und rumänischen Community habe kaum ein Duisburger den Weg ins TaM gefunden (zum Bericht).

Bildungsferne senke die Bereitschaft erkennbar, bestätigen sie im TaM. Darum war das Team ja – früher als in den meisten anderen Großstädten – in sozial benachteiligten Viertel gegangen, in die Corona-Hotspots.

Dafür, dass vor allem Duisburgs Armut und Strukturschwäche die Kampagne bremsen, sprechen etwa die besseren Impfzahlen anderer NRW-Großstädte mit hohem Migrantenanteil, etwa von Düsseldorf (Migrationshintergrund 2018: 39,6 %), Köln (35,9 %), Bielefeld (39 %). Andererseits: Auch andere arme Großstädte mit überdurchschnittlich hohem Migrantenanteil kommen beim Impfen anscheinend schneller voran, Hagen (41,9 %) und Gelsenkirchen (35,9 %) im Bereich der KV Westfalen-Lippe etwa.

Krisenstabsleiter: „Sprachbarrieren und Informationsdefizite an vielen Stellen“

Sehr wahrscheinlich waren in Duisburg im Frühjahr viele Senioren mit Zuwanderungsgeschichte überfordert mit den Anmeldeverfahren der Kassenärztlichen Vereinigung, vor allem solche ohne Unterstützung. Obendrein berichteten Ärzte schon damals, vor allem ältere Patienten seien noch ablehnender gegenüber dem in Verruf geratenen Impfstoff von Astrazeneca als Menschen ohne Migrationshintergrund. Astrazeneca war zur Zeit der Duisburger Delle das am häufigsten injizierte Vakzin.

Paul Bischof leitet als Beigeordneter das Dezernat für Recht, Familie und Integration und ist auch für das Kommunale Integrationszentrum (KI) verantwortlich. Einer seiner Erklärungsansätze für den Impfrückstand: „Wir konnten zunächst auch viele Pflegekräfte – viele sind Multiplikatoren in ihren Familien und Bekanntenkreisen – nicht überzeugen.“ Zudem, so Bischof, „bestehen Sprachbarrieren und Informationsdefizite an vielen Stellen“.

Paul Bischof, Dezernent für Integration und aktuell Leiter des Duisburger Corona-Krisenstabs, im Herbst 2020 bei einer Pressekonferenz im Ratssaal.
Paul Bischof, Dezernent für Integration und aktuell Leiter des Duisburger Corona-Krisenstabs, im Herbst 2020 bei einer Pressekonferenz im Ratssaal. © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

Das KI binde fortlaufend Ansprechpartner in die Impfkampagne ein, „denen man in den Communitys vertraut“. Die Mitarbeiter nutzen – wie in Bottrop auch – „die bestehenden migrantisch geprägten Netzwerke von 170 Organisationen vom Moschee- bis zum Fußballverein, um Menschen zu erreichen, aufzuklären und zu überzeugen.“ Bischofs Devise: „Wir müssen die Impfung jetzt so einfach wie möglich machen und immer kleinteiliger werden.“

Das Impfzentrum hat sogar Gespräche mit der Landwirtschaftskammer geführt, um auch Erntehelfer zu erreichen. Es seien sogar Kontakte ins Rotlichtmilieu geknüpft worden, um über Sozialarbeiter auch Prostituierte von einer Impfung zu überzeugen.

Zur Erklärung des mutmaßlichen Duisburger Impfrückstands kommen neben statistischen Unschärfen durch Betriebsimpfungen und die Altersstruktur der Duisburger aber auch weitere Faktoren als Erklärungen in Frage, vom möglichen Einfluss der AfD bis hin zu Impfungen von Duisburgern in der Türkei (zum Bericht).

>> IMPFRÜCKSTAND IN DUISBURG: DAS SAGEN DIE EXPERTEN DER KVNO

• Auch die Fachabteilung der Kassenärztlichen Vereinigung, die seit Ende 2020 das Impfmonitoring für die KV Nordrhein (KVNo) durchführt, hat keine „,einfache Erklärung‘ für die Duisburger Impfsituation – dazu ist das örtliche Geschehen viel zu heterogen“, erklärt ein KVNo-Sprecher.

• Und weiter: „Mit Blick auf das Impfzentrum sind die Impfzahlen im Vergleich zu den Zahlen der vor Ort impfenden Haus- und Facharztpraxen sogar etwas besser, aber auch die Anzahl der in Duisburg impfenden Praxen liegt nicht unter dem nordrheinweiten Durchschnitt.“

• Die Einschätzung der KVNo: „Nach unserer Wahrnehmung ist die derzeit vergleichsweise niedrigere Impfquote in Duisburg daher prinzipiell keine Frage der vorhandenen Strukturen, sondern könnte eher an der allgemeinen geringeren Impfbereitschaft der örtlichen Bürgerinnen und Bürger liegen.“