Duisburg-Hochfeld. Nach der jüngsten Häuser-Räumung wird wieder über die Arbeit der Taskforce Duisburg diskutiert. Das planen die Kritiker der Maßnahmen.
Vor einer Woche hat die Taskforce der Stadt Duisburg erneut eine so genannte „Schrottimmobilie“ in Hochfeld dicht gemacht. Damit hat die Stadt inzwischen 77 Gebäude begutachtet und in 66 Fällen die Nutzung untersagt. Für die Bewohner bedeutet dies stets, dass sie innerhalb von Stunden ihre Wohnung räumen müssen.
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Die Tür an der Brückenstraße 91 ist seitdem versiegelt, die Jalousien sind verrammelt. Die Fassade ist noch ganz ansehnlich. Kinder haben Handabdrücke an der Wand hinterlassen. Dennoch sah die Taskforce „Gefahr in Verzug“ und sperrte das Mehrfamilienhaus. 28 Personen waren in den acht Wohnungen gemeldet.
„An der Brückenstraße, nur ein paar Meter weiter, sind schon vor zehn Jahren die Kakerlaken durch den Hausflur gelaufen“, weiß Karl-August Schwarthans aus seiner Zeit als Geschäftsführer der Awo-Integration. Ein Nachbar berichtet, dass die geschlossene Immobilie bisher nie besonders auffällig gewesen sei. Die Stadt erklärt hingegen auf Nachfrage unserer Zeitung: „Am 22. Januar 2021 wurden wir darüber informiert, dass auf der Brückenstraße 91 Teile einer Fensterscheibe auf die Straße gefallen seien. Noch am selben Tag überprüfte ein Baukontrolleur der städtischen Bauordnung, ob möglicherweise weitere Scheiben oder andere Teile herunterzufallen drohten und somit eine akute Gefahr für den öffentlichen Raum bestehen würde. Dies war nicht der Fall.“ Der Einsatz im Januar und die neuerliche „Begehung“ am 7. Juli stünden in keinem Zusammenhang.
Taskforce-Einsatz in Duisburg-Hochfeld facht politische Debatte erneut an
Der Einsatz hat die Debatte um den Umgang mit Schrottimmobilien und deren Bewohnern neu in Gang gebracht. Auf dem Platz der Pauluskirche, unweit des betroffenen Gebäudes, treffen sich ein paar Tage später verschiedene Gruppen, um zu überlegen, wie sie mit dem Thema weiter umgehen sollen. So viel steht fest: Die Situation ist verfahren, die Positionen sind eigentlich ausgetauscht.
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Die Stadt sieht sich im Recht, Häuser sofort leer zu ziehen, wenn zum Beispiel Brandschutzmängel bestehen. An der Brückenstraße 91 habe es zudem Deckendurchbrüche und Risse in der Hauswand gegeben. „Aufgrund der Vielzahl der Mängel wurde eine akute Gefahr für Leib und Leben festgestellt, die zur sofortigen Schließung führte“, erklärt Stadtsprecher Sebastian Hiedels.
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Die Kritik, etwa von Linken, Bündnis 90/Die Grünen und den Wohlfahrtsverbänden, dass man die Anwohner doch bitte vorher informieren und nicht überraschen sollte, kontert die Stadt so: „Eine vorherige Ankündigung unserer Task Force-Einsätze ist nicht möglich, da die konkrete Gefahr für Bewohnerinnen und Bewohner erst bei der tatsächlichen Begutachtung der Gebäude festgestellt werden kann.“ Aus diesen Gründen sei eine „Vorwarnung“ der Mieter nicht möglich.
Pfarrer Martin Hoffmann findet Situation „bedenklich“
Martin Hoffmann, Pfarrer an der Pauluskirche und somit fast Nachbar der geräumten Immobilie, sagt: „Ich finde es bedenklich, wenn rund 10.000 Menschen in dieser Stadt Angst haben, dass sie geräumt werden könnten.“ Linken-Politiker Hendrik Thome hatte im Frühjahr mit zahlreichen Mitstreitern einen offenen Brief verfasst und unter dem Titel „Jeder Mensch braucht ein Zuhause“ an den Oberbürgermeister appelliert. Die umfassenden Fragenkataloge der Linken und Grünen, die sich zum Beispiel auf den Einsatz an der Gravelottestraße bezogen und in der Bezirksvertretung Mitte eingereicht wurden, seien bisher noch nicht beantwortet worden.
In Hochfeld schauen die verschiedenen Initiativen nun nach Rheinhausen. Dort besteht dank des Engagements des Runden Tisches „Offenes Rheinhausen“ und des Theater-Projekts „Bathalo“ von Annegret Keller-Steegmann ein guter Draht zu den Roma-Kindern und Familien. In Hochfeld mangelt es nicht an verschiedenen Gruppen, die sich dafür einsetzen, dass in dem Stadtteil etwas in Bewegung kommt, „doch die Zusammensetzung der Runden ist oft nicht so, dass etwas im Sinne der Zuwanderer besprochen wird“, meint Hendrik Thome. In der Tat finden sich in Hochfeld nicht nur Kritiker der Taskforce, sondern auch Befürworter, die sich freuen, dass endlich etwas gegen die Schrottimmobilien unternommen und zum Beispiel für mehr Sauberkeit in den Straßen gesorgt werde.
Vertreter von Sozialorganisationen beschreiben indes, dass es mit jedem Einsatz der Taskforce schwieriger werde, die Betroffenen zu erreichen – das Misstrauen werde größer. Während sich nach der Räumung der Gravelottestraße Bewohner gewehrt haben und eine Demo veranstalteten, blieb es diesmal ruhig
Verschiedene Veranstaltungen sollen einen Draht zur Community schaffen
Geplant sind nun verschiedene Veranstaltungen, die dafür sorgen sollen, dass man mit der Community wieder ins Gespräch kommt. Der „Verein für die solidarische Gesellschaft der Vielen“ (SGDV) lädt am Montag, 26. Juli, zu einer Podiumsdiskussion in der Liebfrauenkirche ein. Unter dem Titel „Gewalt gegen Sinte:zze und Rom:nja – Der legitimierte Rassismus“ soll die „reflexhafte Abwehrhaltung“ aufgebrochen werden, die dann zu Tage trete, wenn die Häuserräumungen in einen rassistischen Zusammenhang gestellt werden.
„Die Wohnungsfrage wird in problematisierten Stadtteilen immer direkt als Sicherheitsfrage diskutiert. Gleichzeitig wird Armut einer bestimmte Ethnie zugeordnet“, weiß Lena Wiese vom SGDV. Mitveranstalter des Abends sind der Verein „Amaro Drom“ und das „Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung“. Auf dem Podium sitzen neben verschiedenen Vereinsvertretern auch eine Familien- und Traumatherapeutin und voraussichtlich ein ehemaliger Bewohner eines geräumten Hauses von der Gravelottestraße. „Wir wollen nicht über die Betroffenen reden, sondern ihnen eine Stimme geben“, betont Lena Wiese.
Voraussichtlich im Spätsommer soll außerdem auf dem Platz vor der Pauluskirche die Ausstellung „Denkraum“ Station machen. Die großen Plakatwände samt Zitaten waren bereits im Frühjahr schon einmal am Innenhafen zu sehen. Angestoßen von Annegret Keller-Steegmann und umgesetzt von Kornelia Kerth-Jahn, berichteten Menschen von ihren Rassismus-Erfahrungen im Alltag, erzählten aber auch, was für sie Glück ausmacht. „Wir wollen einzelne Aussagen in verschiedene Sprachen übersetzen“, erklärt Kornelia Kerth-Jahn. Sie glaubt, dass die Plakate eine gute Gelegenheit sein werden, um in Kontakt mit den Menschen zu kommen. „Unsere Erfahrung zeigt: Sobald sich etwas auf einem öffentlichen Platz tut, kommen die Kinder ganz neugierig an und tragen das dann weiter.“
Auch die Mitglieder der „Seebrücke Duisburg“, die sich bisher vorrangig für Geflüchtete eingesetzt haben, klinken sich in die Debatte ein. Im September soll es eine Menschenkette für Menschenrechte geben. Gerd Schwemm betont: „Dazu gehört auch das Recht auf Wohnen. Wir stehen für einen sicheren Hafen.“