Duisburg. Buntes in grauen Ecken: Der Duisburger Künstler „Piranha“ will mit seinen Werken „Orte im Umbruch“ aufwerten. Hier gibt’s etwas zu entdecken.
Mit Verlaub: Es gibt schönere Galerien als unter dem Schwanentor. Es riecht streng, irgendwer hat an der Innenhafen-Spundwand sein Fahrrad achtlos stehen lassen und eine Etage drüber lärmen Verkehr und Bauarbeiter. Es sind solche Orte, die der Duisburger Streetart-Künstler „Piranha“ anziehend findet. „Orte im Umbruch“, wie er sagt. Seine Raubfische schwimmen durch Tunnel, Bahnunterführungen oder verstecken sich auf der Rückseite von Autobahnpfeilern. Ein alternativer Oster-Spaziergang durch die City: Rau, bunt, überraschend.
Seit einigen Jahren erobert sich der Künstler, dessen echter Name nichts zur Sache tut, den öffentlichen Raum. Orte, die sich in der Nähe von Wasser befinden, interessieren ihn ganz besonders. Davon hat Duisburg eine Menge zu bieten – und auch noch genügend Platz. „Ich habe mich schon früh mit Zeichnen und Malen beschäftigt, in der Jugend hauptsächlich durch Graffiti motiviert. Hierbei ist auch die Liebe zur Kunst im öffentlichen Raum entstanden und bis heute geblieben.“ Hauptberuflich arbeitet der „Um-die-40“-Jährige im sozialen Bereich. Das Hobby bietet ihm die Chance, einen farbenfrohen Kontrapunkt zu setzen und „Interventionen“ zu schaffen.
Arbeiten auf Pappe sind vergänglich
Nicht nur zu Ostern ist der Fisch für Gläubige ein wichtiges Symbol. Bereits in den ersten christlichen Jahrhunderten fand man die griechische Buchstabenfolge Ichtys und entsprechende Zeichnungen in den Katakomben von Rom. Der Fisch war ein Erkennungszeichen der Menschen, damit sie sich gegenseitig als Christen identifizieren konnten – ohne, dass die Römer davon etwas mitbekamen.
Spaziergang- Duisburg auf neuen Wegen entdecken per App Den Raubfisch hat sich „Piranha“ bewusst ausgesucht, auch wenn er die Bedeutung eher „existenzialistisch“ auffasst: „Der Piranha symbolisiert die Vergänglichkeit, sie werden mit Leben und Tod assoziiert. Aber die Zeit der Fische ist begrenzt und in einem ständigen Veränderungsprozess. Etwas Schönes geben und nicht daran festhalten, das gefällt mir.“ Mittlerweile ist ein Kunst-Schwarm von rund 100 Tieren entstanden, die durch Duisburg „schwimmen“. Einige sind schon wieder abgetaucht, weil sie zerstört oder weggewaschen wurden. Mit Blick auf seine Arbeiten betont er: „Ich will nichts zerstören, sondern aufwerten. Die Ecken sind meine Katakomben der Stadt. Und oft passiert dann auch etwas, entstehen Neubauprojekte.“
Das sei im Rhein-Park gut zu sehen. Ein Bauarbeiter-Piranha und ein Artgenosse mit Glubschaugen zieren die Unterführung Richtung „Ziegenpeter“. In einer anderen Ecke, an den öffentlichen Toilettenhäuschen am „Ziegenpeter“ vorbei, hängen Werke des Ruhrpott-Straßen-Verschönerers „Smile“ und ein typisches Kulleraugen-Mädchen von „Joiny“. „Die waren in diesem Fall zuerst da. Es ist oft so, dass mehrere Künstler Dialoge führen und sich die Kunst aufeinander bezieht.“
Verboten bleibt diese Art von Gestaltung trotzdem, ist streng genommen „wildes plakatieren“ und gilt als Ordnungswidrigkeit. Dabei sind die Bilder vergänglich. Im Atelier von Piranha entstehen so genannte Paste-ups. Er malt seine Motive auf Packpapier und kleistert sie anschließend an die Wände.
Weiter geht’s durch den Rheinpark. Unter der Brücke der Solidarität hat er einen Piranha mit einer Glühbirne im Bauch angebracht. Die Flossen sind Quasten, das Maul steckt in einem Lampenschirm. Den Körper ziert teilweise ein orientalisches Muster. „Ich habe einen schönen, alten Teppich geerbt, der jetzt in meinem Atelier liegt. Das hat mich inspiriert. Meist habe ich schon vorher ein Bild im Kopf, bevor ich es dann male“, erklärt er. Große Motive setzt er aus verschiedenen Einzelteilen zusammen.
Duisburger ist oft in der Dämmerung unterwegs – auf der Hut, nicht erwischt zu werden
Auf seinem Instagram-Account veröffentlicht er dann, wo er neue Exemplare angebracht hat. Aktuell zum Beispiel auf dem schmucklosen Parkplatz an der Max-Peters-Straße, im Durchgang zum UCI-Parkplatz, unter der Eisenbahnbrücke an der Hansastraße, im Goerdeler Park oder an der Brückenlandschaft der Werthacker-Siedlung. Kleinere Aufkleber zieren die Laternenmasten am Innenhafen. Eine zweite Serie zeigt markante, oft etwas düstere, Gesichter. Einige sind in Ruhrort zu finden.
Später dreht er dann Runden, um die Veränderungen zu dokumentieren. Um nicht aufzufallen, ist er oft in der Dämmerung unterwegs. „Ich bin Familienmensch, ich kann es mir nicht leisten, mir die Nacht um die Ohren zu schlagen.“ Wie er genau vor Ort arbeitet, bleibt sein Betriebsgeheimnis. Nur so viel: „Glatter Beton funktioniert am besten. Und auch Stellen, die etwas weiter oben sind, damit nicht sofort alles wieder zerstört wird.“
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Während andere gerne im Rampenlicht stehen, hält sich „Piranha“ zurück. Stattdessen möchte er seine Reichweite in den sozialen Netzwerken nutzen, um seinen Fans eine Botschaft zu vermitteln. Der Schriftzug „Leave no one behind“ am Hauptbahnhof stammt auch von ihm.
Dennoch überlegt er, vielleicht an einem Tag der offenen Ateliers teil zu nehmen. Mit Werken, die ihn nicht direkt als Streetart-Künstler enttarnen. Er erarbeitet derzeit Installationen, könnte sich vorstellen, irgendwann einmal auch komplette Häuserwände zu gestalten.
So lange bleibt er auf der Hut, dass er nicht entdeckt wird.