Duisburg. Viele Bürger in Duisburg erleben Rassismus. Ein Polizeisprecher zu rassistisch motivierten Straftaten und der Debatte in den eigenen Reihen.
Viele Straftaten in Duisburg haben einen rassistischen Hintergrund, „es ist oft zu vermuten und alles andere wäre auch weltfremd“, sagt Stefan Hausch, Pressesprecher der Polizei Duisburg. Ob es um eine Körperverletzung geht, eine Sachbeschädigung, eine Bedrohung oder Beleidigung – viele dieser Delikte können rassistisch motiviert sein. Eindeutig sei das dennoch oft erst, wenn es der Täter zugibt.
Mit Zahlen lässt sich das nicht belegen, es gibt keine separate Kriminalitätsstatistik über rassistisch motivierte Straftaten in Duisburg. Auch im Verfassungsschutzbericht werden die Tathintergründe nicht erfasst. Die Bandbreite sei sehr groß, betont Hausch – von politisch motivierten Straftaten über Volksverhetzung bis zu Taten gegen die sexuelle Selbstbestimmung sowie Delikten, die einen islamfeindlichen oder antisemitischen Hintergrund vermuten lassen.
An große Ermittlungen zum Thema kann man sich in der Behörde denn auch nicht erinnern. Es sind eher die vielen kleinen Nadelstiche, die verletzen, die ärgern – so etwa ein Einsatz im September 2019, als ein Polizist als Nazi beschimpft und angespuckt wurde. Der TV-Moderator Mola Adebisi, der am Freibad Wolfssee einen Beachclub betreibt, sei verunglimpft worden, erinnert Hausch. Dann gab es Lieder, die mit rassistischen Zeilen umgetextet wurden und immer mal wieder strafrechtlich relevante Posts in den sozialen Netzwerken. Vieles solle „lustig“ sein, werde als „Kavaliersdelikt“ wahrgenommen, sei für die Betroffenen aber zutiefst entwürdigend, sagt Hausch. Deshalb sei es wichtig, immer wieder für das Thema zu sensibilisieren.
Interne Ermittlungen nach Duisburger „Aufkleberaffäre“
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Die Polizei Duisburg hat vor zwei Jahren in den eigenen Reihen ermittelt, als auf linken Plattformen publik wurde, dass ein rechtsextremer Sticker im Inneren eines Polizeifahrzeugs geklebt habe. Der sogenannten „Aufkleberaffäre“ folgte jedoch keine staatsanwaltlichen Ermittlung, auch sonst gab es keinerlei Erkenntnisse über diesen einen Fund hinaus. Es keimte der Verdacht, dass der ohnehin sehr lädierte Sticker von Dritten von außen durch das offene Fenster angebracht worden sein könnte.
„Die Kollegen waren verdattert bis betroffen“, erinnert sich Hausch an die Ermittlungen. Ähnlich geht es ihnen seit dem Bekanntwerden der rechtsextremen Chatverläufe in einer Mülheimer Polizeigruppe. Seit letztem Herbst seien dazu 200 Fälle aktenkundig, heißt es in der aktuellen Ausgabe der „Streife“, dem Magazin für die Polizei NRW.
In der aktuellen Ausgabe kommt auch der Duisburger Polizeikommissar Alican Kahraman zu Wort. Er hat kurdische Wurzeln und kam vor 20 Jahren als Flüchtlingskind aus Ostanatolien nach Deutschland. Über seine Duisburger Kollegen sagt er: „Rassismus ist bei uns kein Thema. Trotzdem klebt jetzt auch an uns der braune Dreck.“ Er ist wütend über die Mülheimer Kollegen: „Sie haben Vertrauen zerstört und alles verraten, wofür wir Tag und Nacht arbeiten.“
Installation von Extremismusbeauftragten und Dialog mit den Führungskräften
Das hat wohl auch Innenminister Herbert Reul so gesehen. Hausch lobt die Initiative des Ministers, der mit tausenden Führungskräften der Polizei in NRW in den Dialog ging. Die Diskussion sei wichtig gewesen, zumal die Führungskräfte der Schlüssel seien, den Anfängen zu wehren. „Hut ab“, sagt Hausch, „ihm ist gelungen, die Menschen zu sensibilisieren.“ Parallel wurden in allen Behörden Extremismusbeauftragte installiert, in Duisburg gibt es jetzt zwei, die erfahren sind und im Kollegenkreis „ein gewisses Standing haben“.
Intensiv habe sich die Behörde auch mit dem Thema Racial Profiling beschäftigt, also der Frage, ob etwa Menschen mit farbiger Haut häufiger kontrolliert werden als weißhäutige Menschen. Schulungen, externe Expertenvorträge, Hausch zählt auf und es klingt, als sei das ganze Präsidium in Bewegung.
So vielfältig ist die Duisburger Polizeibehörde
Wie divers ist die Duisburger Polizei? Wie viele Polizeibeamte einen Migrationshintergrund haben, kann Hausch nicht sagen. Es gebe eine Liste von Kollegen mit Fremdsprachenkenntnissen – griechisch, türkisch, schwedisch und viele mehr – um auf dem kurzen Dienstweg Übersetzungshilfe zu bekommen.
Lediglich bei der Bewerbung für den Polizeidienst werde erfasst, wenn mindestens ein Elternteil in einem anderen Land geboren wurde. Hier sei der Anteil in den letzten Jahren sukzessive gestiegen auf 24 Prozent im Jahr 2019, „wir wollen ja ein Spiegelbild der Gesellschaft sein“, sagt Hausch, dazu seien vielfältige kulturelle und sprachliche Kompetenzen wichtig.
Kollegen mit Migrationshintergrund berichten gelegentlich von rassistisch motivierten Sprüchen, „das nimmt aber keine bedrohlichen Ausmaße an“, sagt Hausch. Es gehe da vor allem um Sprüche von „Landsmännern“, die die Polizeibeamten als „Verräter“ bezeichnen würden, die keine „Brüder“ mehr seien, es gehe um offene Aversion, um Blicke und Gesten. „Aber da können sie souverän mit umgehen.“
Umgekehrt würden Polizeibeamtinnen gelegentlich von Männern mit Migrationshintergrund respektlos behandelt nach dem Motto: „Du hast mir gar nichts zu sagen“. Die Kolleginnen würden da drüber stehen, ist Hausch sicher, „sie wissen ja, dass sie am längeren Hebel sitzen“. Es gebe immer häufiger rein weibliche Teams in den Streifenwagen, „sie wissen sich zu wehren“.
>>STUDIE UNTERSUCHT ENTSTEHUNG VON RASSISMUS
- Was macht es mit dem Weltbild von Polizeibeamten, wenn sie im täglichen Dienst mit Clanstrukturen konfrontiert sind, mit südosteuropäischen Familien Ärger in und um Schrottimmobilien auflösen müssen, bei Einsätzen von Menschenaufläufen provoziert werden? Wenn die Ausnahme die Regel ist?
- Dazu wird ab April im Auftrag von Uwe Reichel-Offermann, dem Sonderbeauftragten für rechtsextremistische Tendenzen in der Polizei NRW in zwölf Behörden analysiert, welche täglichen Belastungen im Dienst entstehen. Duisburg als Schmelztiegel der Kulturen gehört dazu, sagt Hausch. Kollegen sollen dafür im Dienst begleitet werden, die Forscher wollen sich auch den Umgang mit schwierigerer Klientel anschauen.