Duisburg. Frauen sind in der Duisburger Politik ein Mangel. Vier Direktkandidatinnen zu männerdominierter Politik, Feminismus und der Lust am Mitmischen.

Die Hälfte der Menschheit ist weiblich, mehr Mädchen machen ihr Abitur als Jungs. In der Politik sind Frauen aber weiterhin deutlich unterrepräsentiert. In Duisburg ist nur jedes vierte Ratsmitglied weiblich, in den Bezirken ist das Verhältnis teilweise noch schlechter. Wir haben vier Direktkandidatinnen gefragt, warum sie sich politisch engagieren, ob sie sich als Feministin bezeichnen und was besser werden muss.

Anna von Spiczak: Feminist können auch Männer sein

Anna von Spiczak will für die Grünen erneut in den Duisburger Rat.
Anna von Spiczak will für die Grünen erneut in den Duisburger Rat. © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

„Es gibt nichts, was du nicht kannst“ – dieses Mantra begleitete die Kindheit von Anna von Spiczak und ihren beiden Brüdern. Mit diesem Schub enterte sie 2010 die Grünen und 2014 „als junge Frau vor den alten, weißen Männern“ den Rat der Stadt. „Das war am Anfang schon einschüchternd“, gesteht sie und dass sie es verstehen könne, wenn Frauen abgeschreckt seien.

Ihr selbst habe geholfen, sich gut in Themen einzuarbeiten, sagt die 33-Jährige, sicher zu sein – und bei Bedarf zu fragen: „Das ist ja ein Ehrenamt, das hat keiner studiert, da braucht es Unterstützung“, sagt die Landtags-Referentin. Sie habe sich jederzeit an das grüne Urgestein Claudia Leiße wenden können, keine Frage sei zu blöd gewesen.

In diesem Kommunalwahlkampf ist Anna von Spiczak die Spitzenkandidatin. Ihre Beobachtung in den letzten Jahren: „Frauen machen es nicht unbedingt besser, aber anders als Männer. Und diese Kombination braucht es.“ Inhaltlich sowieso, aber auch die Art sei anders. Bei Pausen im Rat „gehen die Männer zum Alphatier und schütteln die Hand, Frauen gehen eher zu jenen, die sie kennen“, beschreibt von Spiczak.

Auch ihr Vorstoß kürzlich beim Stadtsportbund, Frauen in klassischen Männersportarten mehr zu fördern, sei in der Herrenrunde nicht gut angekommen. „Man muss aktiv auf Menschen zugehen“, findet sie. Im Sport und in der Politik. Und um das bislang Erreichte in Sachen Gleichberechtigung zu verteidigen, brauche es eine starke Frauenpolitik.

Ihr Engagement wirkt ansteckend, selbst Mutter Martina kandidiert jetzt als Grüne für die Bezirksvertretung Süd. Die Brüder tauchen auf der Liste allerdings nicht auf. Sind Sie eine Feministin? „Ja, und das ist ein Titel, der Männern auch gut steht“, sagt die Ratsfrau. „Frauenpolitik ist nicht allein Frauensache.“

Sigrid Volk-Cuypers: Für die Frauenrechte haben unsere Mütter und Großmütter gekämpft

Sigrid Volk-Cuypers ist seit der Schulzeit Mitglied der CDU in Duisburg.
Sigrid Volk-Cuypers ist seit der Schulzeit Mitglied der CDU in Duisburg. © FUNKE Foto Services | Jörg Schimmel

Schon als Schülerin des Hildegardis-Gymnasiums, mit 16, trat Sigrid Volk-Cuypers in die CDU ein. Der Grund war: ein Frauenthema. Die SPD war zur Bundestagswahl 1972 mit dem Schlachtruf ‘Willi wählen’ angetreten, „das fand ich so unpolitisch, das ich was ändern wollte“, erinnert sie sich.

Die Stimmung der 70er Jahre machte es ihr leicht, glaubt sie rückblickend. Sie sei positiv aufgenommen worden, auch wenn sie den CDU-Stammtisch in Duissern mit ihrer bloßen Anwesenheit zunächst etwas irritierte. Das legte sich, schnell landete Volk-Cuypers im Vorstand, wurde Schriftführerin. „Ich hatte Funktionen, ich war keine Randfigur.“

Aktiv ist sie vor allem in der Schulpolitik, wo sie viel bewegen will. „Man muss sich engagieren, meckern kann ja jeder“, sagt die 64-Jährige.

Die jungen Frauen heute seien „sehr selbstbewusst, unverkrampft, gut informiert und bestens vernetzt“, beobachtet Volk-Cuypers. Gute Bedingungen also, um das Ziel der „gleichberechtigten Teilhabe“ zu erreichen. Die CDU setze auf ein Mentoring-Programm, um die Frauen zu unterstützen. Wichtig sei auch, Frauen nach der Ausbildungs- und Familienphase gezielt anzusprechen und zurückzuholen.

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„Ich hab damals auch einen Anruf vom Ortsverein bekommen“, erinnert sich Volk-Cuypers. Die Apothekerin hat drei Kinder, pausierte in der Politik immer nur kurz. Aber keine Frage, unter der Mehrfachbelastung von Frauen leide auch die politische Mitarbeit. Digitale Lösungen wie Video-Konferenzen könnten die Teilhabe erleichtern. Ist sie also eine Feministin? „Ich bin für die Gleichstellung, nicht für eine Übervorteilung. Alle sollten ihre Fertigkeiten für das Gemeinwohl einbringen können.“

Solange Frauen in vielen Belangen noch unterdrückt oder benachteiligt würden, sei sie aber schon eine Feministin, sagt sie sehr emotional. Was bis heute erreicht worden sei, dürfe nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden, „dafür sind unsere Mütter und Großmütter auf die Straße gegangen, dafür haben sie gekämpft, die Frauenrechte müssen wir verteidigen!“

Aysegül Jülide Celenk (SPD): Beide Geschlechter sollten sensibler sein

Aysegül Jülide Celenk tritt für die SPD bei der Kommunalwahl 2020 in Duisburg an.
Aysegül Jülide Celenk tritt für die SPD bei der Kommunalwahl 2020 in Duisburg an. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

„Ich wurde als Mensch aufgenommen“, sagt Aysegül Jülide Celenk über ihren Start in der SPD und bei den Jusos 2017. Sie habe sich nicht als „Quotenfrau“ erlebt, weder im Gespräch mit Genossen noch mit Bürgern, betont die 22-Jährige. Dass Gesprächspartner sie nicht ernst nehmen, passiert ihr aber schon. Celenk führt das nicht auf ihr Frausein zurück, sondern auf ihr Alter, „oder vielleicht auf meinen Migrationshintergrund“. So oder so, sie will sich nicht aufhalten lassen.

Die SPD habe die Gleichberechtigung als klares politisches Ziel benannt. Dazu gehöre die Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf. „Ich bin in Vollzeit als Erzieherin tätig und trotzdem ehrenamtlich in der Politik aktiv.“ Sie tritt als Direktkandidatin für den Wahlkreis Beeck, Bruckhausen, Landschaftspark an und tourt an den Wochenenden durch ihren Bezirk.

Angst hat sie nie: „Ich bin sechs Jahre in Marxloh zur Schule gegangen, nie ist mir etwas passiert. Es gibt keine No-Go-Area, Duisburg ist nicht gefährlich“, sagt Celenk deutlich. Selbstbewusstsein helfe aber schon, „wer ängstlich durch die Straßen geht, der zieht Ärger an“, glaubt die Duisburgerin.

Grundsätzlich sollten Männer und Frauen gemeinsam kämpfen für die Gleichstellung, fordert Celenk – und beide Geschlechter sollten sensibler für die Themen des jeweils anderen sein.

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Kira Schulze-Lohoff: Frauen sollten sich überparteilich zusammenschließen

Kira Schulze-Lohoff kandidiert für die FDP und wünscht sich eine überparteiliche Zusammenarbeit aller Frauen im Rat.  
Kira Schulze-Lohoff kandidiert für die FDP und wünscht sich eine überparteiliche Zusammenarbeit aller Frauen im Rat.   © FDP

In der FDP sind Frauen noch stark unterrepräsentiert, bedauert Kira Schulze-Lohoff. Thematisch fühlt sich die Direktkandidatin, die auf Listenplatz 3 für den Rat an den Start geht, bei ihrer Partei jedoch am besten aufgehoben. Die Wirtschaftspolitik, die Unternehmen stärken und Steuern niedrig halten will, teile sie ebenso wie die Stärkung der Bürgerrechte.

Beim Thema Frauenrechte würde sie sich aber wünschen, mit den Frauen anderer Parteien im Rat zusammenzuarbeiten. Nur so sei eine bessere Atmosphäre und Familienfreundlichkeit zu erzielen.

In der Partei merke man bei den Umgangsformen, wie männlich dominiert sie ist, sagt Schulze-Lohoff, die als Schriftführerin Teil des Vorstands ist. „Es fehlt die weibliche Empathie.“ Diskussionen drehten sich häufig im Kreis, gingen bis spätabends. Frauen seien harmoniebedürftiger, sachlicher, auch zielorientierter und kooperativer, „da würde es vermutlich schneller gehen“.

Das Ehrenamt sei unter solchen Rahmenbedingungen nur schwer mit dem Beruf, der Familie vereinbar. „Politik muss Strukturen ändern, Sitzungen besser planen und Betreuung besser organisieren“, fordert die Rechtsreferendarin. Kinder müssten bei den Ratsmitgliedern mitgedacht werden. Und Männer müssten sich genauso einbringen wie Frauen.

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Ist sie eine Feministin? Das Ja kommt schnell, obwohl der Begriff für sie als Liberale schwierig sei, er werde häufig als linke Bewegung begriffen. Dabei sei es selbstverständlich, dass sich auch die FDP und sie selbst für Frauenrechte einsetzen. Das Frauenwahlrecht gibt es erst seit 100 Jahren, für die Gleichberechtigung sollten wir weiter kämpfen, betont die 25-Jährige.

>> FRAUENFÖRDERPLAN GILT BIS 2022

  • Eine Studie hatte ergeben, dass die Repräsentanz von Frauen in wesentlichen Gremien „sehr deutlich“ hinter den politisch und gesetzlich formulierten Zielen liegt. Nach §12 des Landesgleichstellungsgesetzes müssen Frauen mit einem Mindestanteil von 40 Prozent vertreten sein. Duisburg hatte zum Zeitpunkt der Studie 2014 den nrw-weit schlechtesten Wert mit 13,7 Prozent. Oberhausen lag mit 31,7 Prozent an der Spitze.
  • Der Frauenförderplan, gültig für den Zeitraum ab Januar 2018 bis Dezember 2022 beschreibt Maßnahmen zur Personalentwicklung, schreibt eine genderneutrale Sprache vor, stärkt die Gleichstellungsbeauftragte, fördert die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Pflege und will z.B. den Männeranteil in Kitas steigern.