Duisburg. In Duisburg treten Kommunalpolitiker mit Migrationshintergrund an – zu wenig gemessen am Bevölkerungsdurchschnitt. Wofür sie einstehen wollen.

Jeder vierte Duisburger hat einen Migrationshintergrund: 112.892 von 502.869 Duisburgern werden in der Bevölkerungsstatistik als „Ausländer“ gewertet. In der Politik sind sie seltener vertreten. Die SPD schafft das Verhältnis mit acht von 36 Kandidaten für den Rat so gerade eben. Mahmut Özdemir stellt einige vor.

„Wir sehen uns mit Rassismus, auch mit institutionalisiertem Rassismus konfrontiert“, sagt Bundestagsabgeordneter Mahmut Özdemir, deshalb sei es wichtig, Menschen mit Migrationshintergrund sichtbar zu machen. Er gehört zu den acht Prozent der Abgeordneten, die aus Einwandererfamilien stammen. „Ich verabscheue es, mir Städtenamen merken zu müssen, weil mit ihnen verabscheuungswürdige Taten verbunden werden“, ergänzt er mit Blick auf die jüngsten rassistischen Anschläge in Halle und Hanau.

Mitglieder im Duisburger Integrationsrat „nicht integriert“

Dennoch plädierte Özdemir für die Abschaffung des Integrationsrates und bekam dafür sogar aus den eigenen Reihen Gegenwind. Diskriminierungsfreie Teilhabe müsse mit allen Mitteln ermöglicht werden, findet der Homberger. Ziel aller SPD’ler sei es, dass es die Kinder mal besser haben sollen. Dass sie nicht wegen ihres Namens schlechtere Noten bekommen, weniger Chancen auf einen Job, eine Wohnung, sagt Özdemir.

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Beim amtierenden Integrationsrat bezweifelt der Sozialdemokrat jedoch, dass dort alle durch einen Deutschtest kommen würden. Semih Altun pflichtet ihm bei, dass sich manche Mitglieder mehr mit der türkischen Politik als der deutschen auseinandersetzen, dass sie schlicht „nicht integriert sind“, so der 29-Jährige. „Wir wollen Leute im Integrationsrat haben, die Deutsch sprechen und nur wir können das ändern“, begründet Altun entsprechend seine Kandidatur. Insgesamt treten 14 Parteien und Wählergruppen sowie zwei Einzelbewerber an.

Ein „Wir-Gefühl“ für Einheimische und Zugewanderte schaffen

Leyla Altekin haben die Ereignisse von Halle und Hanau zur Kandidatur bewegt, die 37-Jährige hat sich vorgenommen, Einheimische und Migrantengruppen zu erreichen, um bestenfalls ein „Wir-Gefühl“ zu schaffen. Positiv stimmen sie Reaktionen aus ihrem Wahlkreis, wo Menschen es bedauert haben, sie gar nicht wählen zu können. Wahlberechtigt für den Integrationsrat sind ausnahmslos jene Duisburger, die - auch neben der deutschen - eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzen.

Verbesserungsbedarf sieht Ercan Idik aber auch in den eigenen Reihen. Der langjährige Lokalpolitiker bezeichnet sich selbst als geradezu assimiliert. Gemessen am Anteil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund müssten mehr als drei Ortsvereinsvorsitzende und acht Direktkandidaten rausspringen.

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Mike Kim (51) möchte die Stadtgesellschaft aktiv mitgestalten. „Ich bin angekommen. Viele Menschen kommen nicht mal da an, wo es Hilfe für sie gibt.“ Deshalb ist der Sozialarbeiter dagegen, den Integrationsrat abzuschaffen, solange das Ziel noch nicht erreicht ist: „Die Gleichberechtigung.“ Etwas mehr Diversität wäre aber wünschenswert, sagt der Koreaner, „wir haben über 150 Nationen in Duisburg“.

Ünsal Baser (33) ergänzt, dass der Rat erst abgeschafft werden könne, wenn die Menschen, die in Duisburg leben, hier auch wählen dürfen, „ihre lokalen Kümmerer!“

Kandidaten wollen direkt ansprechbar sein

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Die Kommunalpolitiker werden im Freundeskreis, beim Sport oder auf der Arbeit auf ihr ehrenamtliches Engagement angesprochen. „Da kriegt man viel Kritik ab, aber vor allem über die Dinge, die in Berlin entschieden werden“, sagt Yilmaz Turp. Dennoch setzt die SPD auf Dialog. Alle Kandidaten haben ihre privaten Handynummern und Email-Adressen auf die Flyer gedruckt, um ansprechbar zu sein.

Semih Altun berichtet, dass er nicht nur im Wahlkampf sichtbar sein will. Sein Ortsverein sei monatlich auf dem Wochenmarkt anzutreffen. „Wir sind nicht nur da, weil wir Stimmen sammeln wollen“, erklärt der Rheinhauser, ihn interessiere, was die Menschen bewege. Um seine Partei nach vorne zu bringen, hat er sogar sein Fußballtraining verpasst, „zum ersten Mal seit 26 Jahren“.

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Anas Nafile freut sich, dass ihn sogar Kinder als „den von den Plakaten“ erkennen, wenn er durch Duissern läuft. Er setzt nicht auf Infostände, spricht Menschen lieber spontan auf der Straße an. „Da war mir anfangs mulmig zumute, aber die Leute freuen sich, mich kennenzulernen“, hat er festgestellt.

Gerade Ältere seien erfreut, dass der Nachwuchs aktiv wird. Für den 19-Jährigen ist das selbstverständlich. Mit 14 trat er in die Partei ein, um mitwirken zu können. „Mich betrifft doch vieles, was für meinen Stadtteil entschieden wird, wenn zum Beispiel eine Haltestelle gestrichen wird.“

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