Duisburg. Wie wirtschaftsfreundlich ist Duisburg? IHK-Chef Stefan Dietzfelbinger über Einkaufen in der City, Gebag-Baustellen und Steuersenkungen.
Die Stadtspitze will viele Probleme Duisburgs über die Steigerung der Wirtschaftskraft bekämpfen und dazu auswärtige Unternehmen sowie Besserverdiener als Einwohner gewinnen. Aber wie wirtschaftsfreundlich ist die Stadtverwaltung? Darüber haben wir mit Stefan Dietzfelbinger, Hauptgeschäftsführer der Niederrheinischen IHK, gesprochen. Weitere Themen im Interview: Einkaufen in der City, das Duisburg-Image, das Gelände am alten Güterbahnhof und die anderen Baustellen der Gebag.
Die Mieten für Geschäftslokale in 1A-Lagen stagnieren, in Duisburg sind sie zuletzt teilweise gefallen. Wer muss was machen, damit die City attraktiver wird?
Stefan Dietzfelbinger: Es haben lange nur wenige Unternehmen investiert, weil für den Handel 20 Jahre unklar war, was auf der Fläche am Güterbahnhof passiert. Der Ansatz der Stadt ist richtig, die Königstraße kleiner zu fassen. Sie war mit der Steinschen Gasse zu langgestreckt. Dann hat Oberbürgermeister Link 2018 den Pakt für die Innenstadt ausgerufen, da haben alle Akteure Aufgaben bekommen, etwa beim Thema Sicherheit: Nach meiner Wahrnehmung sind Ordnungsamt und Polizei präsenter, so dass man sich in der Innenstadt wohl fühlt. Es geht auch um Kleinigkeiten – darum, dass die Arkaden dauerhaft gereinigt werden. Entscheidend wird sein, dass Wirtschaftsförderung und IHK potenzielle Investoren ansprechen. Es gibt Marken, die für junge Leute auch preiswertere Mode anbieten, die noch nicht in Duisburg sind. Die für Duisburg zu gewinnen, geht nicht von heute auf morgen. Klar ist, dass Duisburg weit mehr Kaufkraft anziehen muss. Wir müssen es hinbekommen, dass die Menschen aus Voerde, Moers und Hünxe wieder hier einkaufen.
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IHK-Chef Dietzfelbinger zur Gebag: Wie bekommt die all das gestemmt?
Was fehlt außer solchen Marken in der Innenstadt?
Die Fachleute sagen: Es muss der richtige Mix sein. Man geht shoppen und verbindet mit dem Einkaufserlebnis noch, dass man was Trinken oder ins Kino geht. Da hat Duisburg noch ein überschaubares Angebot. Aber in der Wallstraße tut sich ja jetzt einiges, da fehlt noch das ein oder andere Geschäft. Es muss die Aufgabe sein, das Gesamtpaket integriert zu entwickeln, aber das kann eine Stadt oder eine IHK nicht allein. Aber es ist schwierig, die Immobilienbesitzer in die Pflicht zu nehmen – gerade bei denen, die gar nicht aus Duisburg kommen.
Wie wichtig ist das Gelände am Güterbahnhof inzwischen für Duisburg und die City?
Es ist eine Riesenchance, die wir jetzt nutzen müssen. Im Augenblick ist ja privates Kapital da, um zu investieren.
Was wünschen Sie sich für das Areal?
Was Architekt Foster vorgeschlagen hat. Der Plan war einfach und gut: Baue zur Bahntrasse einer- und zur Autobahn hin anderseits Büroimmobilien als Lärmschutz, nach innen Wohnbebauung plus Park, damit das ein lebendiges Viertel bleibt und nicht abends verödet. Das ist der Ansatz, den hoffentlich auch die Stadt verfolgt. Wie das gelingen kann, sieht man auf dem alten Düsseldorfer Güterbahnhofsgelände, im Quartier Central: Das haben die mit Wohn- und Büroimmobilien entwickelt, die Wohnungen wurden verkauft für um die 7000 Euro pro Quadratmeter. Diese Preise sind für die meisten Privatleute und viele Investoren begrenzt attraktiv. Das Gelände in Duisburg hat ähnlich gute Merkmale, aber wir können uns preislich differenzieren. Das gilt für die Wohnimmobilien ebenso wie für gewerbliche. Es ist eine Super-Lösung, dass Stadt und Gebag hier die Hand auf dem Gelände haben. Es muss jetzt aber auch schnell gehen, denn die wirtschaftliche Lage droht nun sich mindestens abzukühlen, man muss schon sputen.
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Das klingt, als hätten Sie etwas Sorge wegen der Einbeziehung der Bürger bei der Planung.
Nein, aber mit solchen Projekten muss man auf den Markt kommen, wenn Interessenten da sind. Wer weiß, ob der Markt in drei Jahren noch läuft wie heute. Und die Gebag muss als Projektentwickler der Stadt aktuell eine Fülle von Projekten parallel stemmen: Sechs-Seen-Wedau, Güterbahnhofsgelände, Steinsche Gasse/Marientor, Alter Angerbach, Mercatorquartier. Man fragt sich: Wie bekommen die das gestemmt? Und es dauert, bis der Rat Bau- und Planungsrecht geschaffen hat, die Verwaltung das vorbereitet hat. Ich will keinem einen Vorwurf machen: Alle müssen auf die Tube drücken.
Haben Sie deshalb als IHK mit Unternehmern schon vor Beginn der Bürgerbeteiligung am 18. November Ideen für das Gelände ausgearbeitet und diese dem Oberbürgermeister übergeben?
Genau. Als IHK zeigen wir Gestaltungswillen und bringen uns aktiv in die Diskussion ein. In einem Workshop mit Fachleuten und Unternehmern haben wir drei verschiedene Konzepte für die „Neue Duisburger Freiheit“ erarbeitet und in einer Broschüre zusammengefasst. Auf der Immobilienmesse Expo Real in München Anfang Oktober haben wir die Broschüre Oberbürgermeister Sören Link als Impuls für die Debatte und Forderung der Wirtschaft überreicht.
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Steuerlast in Duisburg: „Das schreckt Investoren ab“
Die Stadt Duisburg hat als Haushaltssicherungskommune den Gewerbesteuerhebesatz seit 2009 viermal erhöht, auch Grundstücksbesitzer zahlen mehr als im Umland. Hier zahlen Unternehmen mehr Steuern als in anderen Städten.
Das schmerzt die Unternehmer schon sehr. Die machen die Faust in der Tasche, weil sie hier mehr als in Krefeld oder Düsseldorf zahlen. Das schreckt Investoren ab, und es gibt Unternehmen, die woanders hingehen, wenn sich ihnen die Möglichkeit bietet. Wir haben im Vergleich zu anderen Großstädten eine geringere Wirtschaftsleistung. Wenn man den Hebesatz senkt, kann es auch zu mehr Steuereinnahmen führen, weil sich mehr wirtschaftliche Aktivität am Standort entfaltet. Als Symbol fände ich es gut, wenn die Stadt bei nächster Gelegenheit den Hebesatz senken würde – der Stärkungspakt läuft ja 2020 aus. Ganz aktuell erwarten wir, dass die Reform der Grundsteuer nicht dazu führt, dass die Stadt die Unternehmen noch stärker zur Kasse bittet.
Was hält Unternehmen noch davon ab, nach Duisburg zu kommen?
Erstens: Man braucht Büro- und Gewerbeflächen. Für Logistiker gibt es keine Gewerbeflächen mehr. Die muss man schaffen. Zweitens: die Gewerbesteuer. Drittens: Beim Ruf hat Duisburg natürlich noch Luft nach oben …
… auch innerhalb von Duisburg.
Die Duisburger neigen nicht dazu, die Stärken der Stadt zu betonen. Wenn man Gästen den Innenhafen, den Landschaftspark, Tiger & Turtle, die Stahlwerke zeigt, sagen sie: beeindruckend, das hat einen robusten Charme. Man muss das, was wir haben – mit Ruhrgebietscharme – darstellen. Den Slogan „Stadt von Feuer und Wasser“ fand ich eigentlich ganz packend. Man muss aus den Charakteristika systematisch die richtige Story basteln.
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Ist das Duisburg-Image wirklich ein Grund, warum Firmen sich nicht mit Duisburg beschäftigen?
Die Reihenfolge ist: Flächen, Gewerbesteuer, Wirtschaftsfreundlichkeit, Image bzw. Attraktivität für Arbeitnehmer. Meiner Wahrnehmung nach hat sich die Stadt früher durchwachsen um Firmen bemüht. Eine Stadt muss Firmen auch praktisch helfen: bei Baugenehmigungen, Erweiterungsflächen, Glasfaseranschluss. Da ist in jeder Stadtverwaltung Luft nach oben, auch in Duisburg.
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Auf einer Skala von 1 bis 10. Wie wirtschaftsfreundlich ist die Stadt Duisburg aktuell?
6, das ist positiv. Ich muss unseren OB schon loben, wie er sich in den letzten Jahren für die Wirtschaft eingesetzt hat.
Die Arbeitslosenquote in Duisburg ist so niedrig wie seit 20 Jahren nicht mehr: 10,4 Prozent im Oktober (26.835 Arbeitslose). Vor drei Jahren waren 12,6 Prozent (31.310). Liegt das an Duisburg oder an der Großwirtschaftslage?
Dr. Stefan Dietzfelbinger und die IHK
Die Niederrheinische Industrie- und Handelskammer vertritt die Interessen von rund 68.000 Mitgliedsunternehmen aus Industrie, Handel und Dienstleistungen. Zum Gebiet der Kammer gehören die kreisfreie Stadt Duisburg sowie die Kreise Wesel und Kleve. Die Hauptgeschäftsstelle der IHK liegt in Duisburg gegenüber vom Hauptbahnhof an der Mercatorstraße 22-24.
Dr. Stefan Dietzfelbinger wurde 1963 als Sohn eines Auslandspfarrers und Enkel Hermann Dietzfelbingers in Rom geboren. Sein Großvater war von 1967 bis 1973 Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland. Nach dem Abitur in Nürnberg und dem Physik-Studium in Freiburg und Sussex promovierte er 1982 an der Uni Köln.
Danach übernahm der Doktor der Naturwissenschaften Aufgaben als Berater der IHK-Unternehmens- und Technologie-Beratung Karlsruhe GmbH. 1998 wechselte der Vater zweier Töchter, der mit seiner Frau in Kaarst lebt, als Vize-Chef zur IHK Mittlerer Niederrhein (Krefeld, Neuss, Mönchengladbach). Seit 2005 ist er Hauptgeschäftsführer der niederrheinischen IHK.
Es gehört zur Wahrheit dazu: Duisburg hat in den vergangenen Jahren vom Wachstum profitiert, aber nicht so stark wie andere Städte. Manche aber haben gar nicht profitiert, insofern ist das ein Lichtblick. Die Langzeitarbeitslosigkeit ist ja in Duisburg noch ein besonderes Thema. Es ist ein schwieriger, wichtiger Prozess, diesen Menschen zu helfen. Es sind für eine Großstadt gar nicht so viele Langzeitarbeitslose, aber uns fehlt die Wirtschaftskraft, das kompensieren zu können.
Was sind erfolgreiche Strategien Ihrer Mitglieder, an Fachkräfte zu kommen?
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Ausbilden! Das wird von den Unternehmen auch umgesetzt. Aber wir haben einen Akademisierungstrend. Ausbildungen werden von jungen Leuten und gesellschaftlich eher abgelehnt. Bis 2030 haben wir am gesamten Niederrhein, nicht nur in Duisburg, einen Fachkräftebedarf von 50.000 Menschen – weil wenige junge Leute hierhin kommen und die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand gehen. 90 Prozent dieser 50.000 müssen Leute sein, die anpacken können, keine Akademiker. Was produzieren wir? Bachelor- und Master-Absolventen. Das wird ein Problem für die Leute, die auf den Arbeitsmarkt kommen, aber auch für die Unternehmen, die Mechatroniker und Kaufleute suchen. Ein junger Mensch kann heute schon frei auswählen. Die Betriebe werben ja richtig.