Duisburg. Soziologie-Studenten der Uni Duisburg-Essen erforschen das zumeist negative Image des Stadtteils. Warum Medien mitverantwortlich sind:

No-Go-Area, Problemviertel, Angstraum – Begriffe, mit denen Marxloh bundesweit betitelt und beschrieben wird. Doch wie ist das weit verbreitete negative Image des Stadtteils entstanden, das oftmals vor Klischees trieft und Vorurteile schürt? Das haben Soziologie-Studenten der Universität Duisburg-Essen (UDE) untersucht. 17 Studenten arbeiteten ein Jahr lang am Forschungsprojekt „Die Herstellung eines Problemviertels“. Um einen genaueren Blick auf das Stadtteilimage zu werfen, werteten sie Zeitungsberichte lokaler und überregionaler Redaktionen aus und führten Interviews. Am Mittwochabend stellten sie ihre Ergebnisse in Duisburg vor:

Marxloh-Image war einst positiv besetzt

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Welche Auswirkungen ein Image auf die Wirklichkeit hat, zeigt Masterstudentin Franziska Loos direkt zu Beginn auf: „Leute erwägen nicht mehr dort hinzuziehen, Marxloh zu besuchen oder eine Firma zu gründen“, sagt sie. Einen negativen Eindruck auszugleichen sei zwar möglich, „aber es dauert extrem lange.“

Die vielen Brautmodengeschäfte trugen zwischenzeitlich zu einem besseren Image.
Die vielen Brautmodengeschäfte trugen zwischenzeitlich zu einem besseren Image. © WAZ FotoPool | Lars Fröhlich

Dabei war Marxlohs Image nach Recherchen der Studenten einst positiv besetzt. Im Zuge der Industrialisierung gab es viel Beschäftigung, die Wirtschaft boomte, Marxloh wuchs. Doch mit dem Rückgang der Schwerindustrie in den 1950er und 60er-Jahren stieg die Arbeitslosigkeit, Läden schlossen.

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Besuch des Brautmodengeschäftes
Von Hubert Wolf und Fabienne Piepiora

Dann geschah ein nach Ansicht der Forschungsgruppe Entscheidendes: Als die Gastarbeiter – vorwiegend Türken – anfingen, sich selbstständig zu machen und die Ladenlokale wieder zu nutzen, war das bis heute prägende Image umstritten. „Die einen sprachen positiv über den Einsatz der Türken, sich beruflich zu verwirklichen, die anderen nutzten Narrative wie ‚Türkenstadtteil‘, ‚Parallelgesellschaft‘ oder ‚integrationsunwillig‘“, berichtet Franziska Loos.

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Einen vorübergehenden Stopp des Negativ-Trends erlebte Marxloh, als die Brautmodenmeile sich als wirtschaftlich erwies. „Doch spätestens seit dem öffentlichen Diskurs um zugezogene Osteuropäer in dem Stadtteil ist das Image wieder deutlich und überwiegend negativ besetzt“, sagt die Studentin.

Je mehr eigene Erfahrungen, desto positiver das Marxloh-Bild

In Interviews mit Vertretern aus Politik, Wirtschaft, Religion, Vereinen und Initiativen aus Marxloh wollten die angehenden Soziologen herausfinden, welchen Eindruck die Betroffenen von ihrem Stadtteil haben. Das Ergebnis: „Je mehr sich die Interviewten in Marxloh einbringen und selbst Erfahrungen sammeln, desto positiver ist die Sicht auf ihren Stadtteil“, urteilt Projektleiterin Glaucia Peres da Silva.

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Je weniger die befragten Personen von Marxloh wissen, desto mehr machen sie sich ein Bild vom Stadtteil, das ihnen die Medien ihnen vermitteln.

Verschmutzung und Armut: Solche Bilder werden oft mit Marxloh in Verbindung gebracht.
Verschmutzung und Armut: Solche Bilder werden oft mit Marxloh in Verbindung gebracht. © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

Die Berichterstattung unterscheidet sich nach Ansicht von Samir El Faramawy, ebenfalls Student, erheblich. Und zwar zwischen überregionalen und lokalen Zeitungen. „Medien und Wirklichkeit beeinflussen und bedingen sich gegenseitig“, erklärt El Faramawy, „ein bestimmtes Image wird erzeugt, in manchen Fällen wiegt die Sensation eben mehr als der Nachrichtenwert.“

Überregionale Medien zitieren vermehrt Ortsfremde, selten Migranten

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Die Akademiker untersuchten hunderte Artikel von Süddeutsche Zeitung (SZ), Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), Bild-Zeitung, Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) sowie des Anzeigenblatts Stadt-Panorama. „Besonders die SZ und Bild schreiben im Zusammenhang mit Marxloh vermehrt über Migranten, Polizei und Politiker.“ Dabei werden meist ortsfremde Polizisten und Bundespolitiker zitiert, Migranten kommen gar nicht zu Wort.

In lokalen Medien kommen diese Themen zwar ebenfalls vor: „Dafür mit zitierten Bürgern als ‚Einschätzern‘ vor Ort“, berichtet der Student. Ein wesentlicher Unterschied ist jedoch die durchaus differenziertere Berichterstattung: Über Vereine, Initiativen und Immobilien werde in der lokalen Presse ebenfalls berichtet. Da mehr Menschen überregionale Nachrichten lesen, verfestige sich vor allem außerhalb von Duisburg dennoch das negative Marxloh-Image.

Marxloh-Dilemma: Wenn Engagierte das Image reproduzieren

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Ein regelrechtes Marxloh-Dilemma der medialen Darstellung: Wenn engagierte Menschen mit hehren Zielen das Narrativ vom Problemviertel benutzen, um es umzukehren, so die Studenten, verstärke dies sogar den allgemeinen Eindruck: „Damit reproduziert man regelmäßig das Image, das man eigentlich los werden möchte.“