Bottrop. Im Sommer fährt Jonas Kaufmann (10) mit dem Rad zum Gymnasium. Im Winter wird das allerdings gefährlich und sein Vater würde ihm gerne die Busfahrkarte bezahlen. Aber der VRR bietet das Schokoticket für Schüler nur im Jahresabo an. Das Ticket kostet für Selbstzahler knappe 31 Euro im Monat.
Dass der Schulweg aus Grafenwald zum Vestischen Gymnasium für Jonas (10), seinen Ältesten, gefährlich werden kann, ist Markus Kaufmann vor ein paar Tagen deutlich geworden, als es zum ersten mal Frost gab. Prompt ist der Junge mit dem Rad gestürzt und hat sich ein Knie blau geschlagen, etlichen Mitschülern sei es ebenso gegangen.
Bei der Recherche nach Hintergründen entdeckte Kaufmann in den Tarifen für den Schülertransport eine Winterlücke: Für Kinder, die keinen Anspruch auf ein Schokoticket haben, gibt es im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) keine Monatskarten. Als Fünftklässler trifft die Familie das Problem zum ersten Mal.
Gefährliche Winterlücke
Gut 5000 Kinder und Jugendliche auf weiter führenden Schulen in Bottrop haben keinen Anspruch auf Schulfahrten. Die Eltern müssen also irgendwie zusehen, wie sie ihre Sprösslinge zum Unterricht schaffen. In neun Monaten im Jahr ist das Rad sicher das Verkehrsmittel der Wahl.
In den Matschmonaten wäre mir als Vater allerdings auch mulmig zumute, wenn ich unsere Tochter zweimal täglich auf ein drei Kilometer langes Winterabenteuer schicken müsste.
Die Frage, warum es keine Monatskarten für Schüler gibt, kann der VRR meines Erachtens nicht plausibel beantworten. Da klafft eine (gefährliche) Lücke im Tarif. Zu meiner Zeit als Pennäler – in den 1980ern – gab es diese Monatsmarken noch. Und wir haben’s damals genau so gemacht: Im Sommer mit dem Rad, im Winter mit dem Bus zur Schule.
Von gut 7000 Kindern und Jugendlichen auf Gymnasien, Real- und Gesamtschulen wohnen knapp 2000 mehr als dreieinhalb Kilometer von ihrer Schule entfernt und haben Anspruch auf das subventionierte Schokoticket. Das kostet fürs erste Kind im Monat zwölf, fürs zweite sechs Euro und ist für alle weiteren gratis. Knapp 800.000 Euro fließen dafür in diesem Jahr aus der Stadtkasse an die Vestische. Nur als buchhalterische Ergänzung an dieser Stelle: Weitere 250.000 Euro kostet der Spezialverkehr für integrative Kinder. Für Selbstzahler, die keinen Anspruch haben auf die subventionierte Karte – wie Jonas – ist das Dauerticket viel teurer: Es kostet dann 30,95 Euro im Monat.
Schokoticket ist ein Solidarmodell
Für Kaufmann wäre das akzeptabel. Wenn er das Schokoticket monatlich kaufen könnte, also nur im Winter. Denn bei gutem Wetter sind die drei Kilometer Schulweg kein Problem mit dem Drahtesel. Allerdings gibt’s diese Schülerkarte ausschließlich im Jahresabo. Vorzeitige Kündigung ist zwar möglich, aber das kostet extra.
Normale Monatstickets (wie für Pendler oder Azubis) gibt es im VRR für Kinder und Jugendliche tatsächlich nicht, bestätigt VRR-Sprecherin Sabine Tkatzik. Das Schokoticket gebe es nur im Jahresabo, weil es mit den öffentlichen Zuschüssen anders kalkuliert werde. „Das ist ein Solidarmodell.“
Kaufmann sieht den nahen Winter darum mit Sorge. Zumal sein Sohn für die Radfahrt von Grafenwald zum Gymnasium Wege benutzen muss, die im Winterdienst nicht als vordringlich gelten und erst spät geräumt werden. Mit dem Auto bringen will er den Jungen möglichst nicht. Die allmorgendliche Blechlawine aus Mama-Taxis an Schulen gefällt dem Grafenwälder nämlich auch nicht.