Bottrop. Brabus-Geschäftsführer Constantin Buschmann (39) spricht über die Grenzen der Superlative und die Schwächen der deutschen Wirtschaftspolitik.

Constantin Buschmann empfängt zum Gespräch in seinem großflächig verglasten Büro, trägt weiße Sneaker, schwarze Faltenhose, schwarzen Hoodie und glitzernde Armbänder. An der Wand hängen Bildschirme, um die neusten Entwürfe und Kreationen von Brabus zeigen zu können, hinter seinem Schreibtisch steht ein kleiner Doppelbock.

Hier, wo heute Brabus-Allee auf dem Straßenschild steht, hat Constantin Buschmanns Vater Bodo Buschmann das Unternehmen aufgebaut. Nach dem plötzlichen Tod seines Vaters vor sechs Jahren hat der heute 39-Jährige die Firma übernommen, ausgebaut und weiterentwickelt.

Herr Buschmann, Sie bauen die Brabus-Zentrale um, haben die Abläufe digitalisiert, veredeln längst nicht mehr nur Mercedes-Modelle. Wie rasant verändert sich die Marke Brabus derzeit?

Constantin Buschmann: Wenn Sie mich vor zehn Jahren gefragt hätten, wer sind wir, hätten wir gesagt: Wir sind der größte Hersteller-unabhängige Veredler für Mercedes-Benz der Welt. Nachdem mein Vater leider an einem Schlaganfall verstorben ist und ich dann hier vor der Mannschaft stand, mussten wir viele Dinge neu definieren. Das Unternehmen hat sich seitdem super-dynamisch entwickelt. Auf einmal kam der große Knall, ein klarer Neustart in die nächste Generation. Nach einem halben Jahr haben wir angefangen, die Frage, wer wird sind, neu zu stellen. Was dabei herausgekommen ist: Brabus – one second wow. Es gibt keine zweite Chance für den ersten Eindruck. Unser Anspruch ist, dass man, wenn man eines unserer Produkte sieht, es sofort als Brabus-Produkt erkennt und es einen emotional berührt. Darin steckt auch ein Emotion-getriebener Maßstab für unsere Arbeit – ein implizites Qualitätsversprechen.

Wie spiegelt sich dieser Wandel am Bottroper Standort wider?

Wir reißen Brabus jedes Jahr ab und bauen es neu auf.

Das klingt ineffizient.

Nein, ich bin davon überzeugt, dass es bei der Führung eines Unternehmens immer um Dynamik geht. Haben wir die Energie, immer wieder eine andere Lösung zu suchen? In der Industrie wartet keiner auf uns, kein Kunde wartet auf uns. In China oder den USA wartet keiner auf Deutschland. Wenn wir konkurrenzfähig bleiben wollen, müssen wir selbst dafür sorgen. Wir haben gerade eine neue, moderne Fertigung eingeweiht, renovieren und modernisieren die Büros. Wir werden das Hauptgebäude, das alte ursprüngliche Autohaus, komplett abreißen und neu gestalten. Ich finde es total schön, dass sich darin auch die digitale Veränderung, die wir durchlaufen haben, widerspiegelt.

Fast bereit zum Verkauf: Blick in eine der neuen Werkshallen von Brabus in Bottrop.
Fast bereit zum Verkauf: Blick in eine der neuen Werkshallen von Brabus in Bottrop. © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

Zu der digitalen Veränderung gehören auch die sozialen Medien, die Sie intensiv bespielen. 2,3 Millionen Menschen folgen bei Instagram der Marke Brabus, 246.000 Follower hat ihr persönlicher Account. Macht Ihnen das Spaß, sich in den sozialen Medien darzustellen?

Es hat weniger mit Spaß zu tun, sondern ist für uns als Marke existentiell wichtig. Du musst, wenn du in einer Industrie ernsthaft vorne mitspielen willst, immer wieder die Arschbombe vom Zehner machen und mitten rein in die Materie. Wir können nicht vom Rand aus passiv auf den Markt schauen, sondern wir müssen Teil davon sein. Soziale Medien geben uns die Chance, mit vielen Menschen immer wieder sehr direkt zu kommunizieren. Immer mehr Menschen haben sich mit der Zeit dann neben den Produkten auch dafür interessiert, was hinter den Kulissen passiert. Deswegen gibt es nicht nur den offiziellen Brabus-Kanal, sondern auch meinen, auf dem ich einen tieferen Einblick gebe. Instagram ist inzwischen wie unsere Visitenkarte mit 1000 Bildern und Videos – einer unserer wichtigsten Kontaktpunkte mit der Welt da draußen.

Brabus hat seine Marketing-Abteilung auf über 30 Mitarbeiter ausgebaut. Das Social-Media-Team ist bei allen Terminen dabei, interne Kameraleute sind an mehreren Stellen im Unternehmen permanent unterwegs und begleiten oft auch Constantin Buschmann. Blogger und Influencer sind regelmäßige Gäste in Bottrop und werden, wenn nötig, auch mal durch einen Brabus Kameramann unterstützt. Das Unternehmen produziert fast jede Werbung und jedes Reel komplett selbst.

Sie haben gerade eine neue Boutique in Dubai eröffnet. Kommt dort ihre Kernzielgruppe her?

Dubai ist ein guter Markt, es hätte aber auch Los Angeles sein können oder Monaco oder Zürich oder New York. Unser Kunde ist zu 95 Prozent der Fälle ein Mann. Er ist mit einer hohen Wahrscheinlichkeit erfolgreich und selbstständig. Und diese Kunden verteilen sich über die ganze Welt. Die USA sind ein sehr relevanter Markt für uns, aber auch Europa und Deutschland, weil es hier unglaublich viele Menschen gibt, die bereit sind, für Qualität Geld auszugeben. Natürlich ist auch die arabische Welt ein großer Markt. Ich denke, dass es in Deutschland noch immer zu viele Stereotypen über Dubai gibt.

Wenn wir in Deutschland die Infrastruktur in den nächsten 20 Jahren auf dem besten Weg entwickeln, können wir vielleicht da ankommen, wo Dubai heute ist. Wir sind wirtschaftlich im Tiefschlaf und setzen uns moralisch auf einen Thron, der uns in der Irrelevanz versinken lässt. Gegenüber den Hotspots der Welt machen wir uns in Deutschland mit unserer aktuellen Wirtschaftspolitik zur absoluten Provinz – so können wir nicht gewinnen.

Sie schwärmen von Städten, die mit Ihrer Heimatstadt wenig zu tun haben. Wie viel Bottrop steckt noch in Brabus?

Ganz viel. Das ist ganz wichtig für uns. Ich bin zuallererst für die Kultur des Teams hier verantwortlich. Kultur ist der Plural von Persönlichkeit. Die Persönlichkeit des Unternehmens definieren hier alle immer gemeinsam. Wir sind ein sehr gutes Team, allerdings ist es auch nicht immer nur das Paradies, wo Milch und Honig die Wände herunterlaufen. Hier wird gearbeitet und es müssen Ziele erreicht werden. Meine Aufgabe ist, mit allen so zu arbeiten, dass sie gerne zur Arbeit kommen und wir zugleich die vorhin angesprochene Dynamik erzeugen und erfolgreich sind. Die Kultur, die wir haben, hat ganz viel damit zu tun, dass wir aus dem Ruhrgebiet kommen, dass wir aus Bottrop kommen.

Apropos Kultur. Auf der Arbeitgeber-Bewertungsplattform Kununu kommt Brabus relativ schlecht weg.

Bevor ich mit dem Bullshit, der auf diesen Plattformen gepostet wird, beschäftige, produziere ich lieber mit unserem Team gemeinsam die nächsten 100 Youtube-Videos, in denen eindeutig festzustellen ist, wie wir miteinander umgehen. Die Plattformen werden fast ausschließlich von den Menschen genutzt, die entweder nicht die Qualifikation hatten, um in unserem Unternehmen zu überzeugen oder für die es einfach nicht funktioniert hat und die dann da ihren Frust rauslassen. Wenn wir uns mit dieser Negativität auseinandersetzen würden, würden wir den Blick fürs Wesentliche verlieren, nämlich hier gemeinsam in einer Kultur zu arbeiten, die dafür sorgt, dass der ganz große Teil unserer Mitarbeiter seit mehreren Dekaden in diesem Laden arbeitet.

Vor allem die Bezahlung wird kritisiert. Zahlen Sie wirklich so schlecht?

Nein. Wir zahlen leistungsadäquat. Wir haben jede Corona-Prämie gezahlt, wir haben Sprit-Geld-Prämie gezahlt, wir zahlen Inflationsausgleich. Auf viele Stellen bekommen wir unzählige Bewerbungen. Wir waren noch nie beliebter als Marke und als Unternehmen als heute.

Constantin Buschmann führt seit sechs Jahren die Brabus GmbH als Geschäftsführer.
Constantin Buschmann führt seit sechs Jahren die Brabus GmbH als Geschäftsführer. © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

Wie oft sind Sie persönlich in Bottrop?

Ich bin seit den letzten zwei Jahren immer mehr unterwegs auf der Welt, aber ich würde sagen, 60 Prozent der Zeit bin ich hier vor Ort.

Leben Sie noch hier in Bottrop?

Ja.

Gehen Sie auch hier aus?

Ja, klar.

Wie reagieren die Menschen auf Sie?

Man bekommt total unterschiedliche Rückmeldungen. Der Großteil ist dankbarer Weise sehr positiv. Ich glaube, der Ansatz, die Leute mit auf die Reise zu nehmen, funktioniert. Und wenn konstruktive Kritik kommt, setzen wir uns offen damit auseinander.

Brabus ist eine Luxusmarke, deren Produkte für den normalen Bottroper gar nicht erreichbar sind. Werden Sie auch damit konfrontiert, dass Leute sagen: Das ist mir zu abgehoben geworden?

Wir arbeiten seit fast 25 Jahren mit Smart zusammen. Es gibt Produkte von uns, die deutlich mehr Menschen sich leisten können. Aber klar, die Fahrzeuge, die sich Menschen vorstellen, wenn sie an Brabus denken, sind selten und für viele keine Daily-Driver.

Ihre Freundin hat Silvester ein Foto von einer Weinflasche bei Instagram gepostet, die 4500 Euro kostet. Muss man den Luxus so zur Schau stellen?

Silvester waren wir mit Kunden unterwegs und die bestellten irgendwann diese Flasche. Wir waren davon so fasziniert, weil das so schräg ist, deswegen haben wir die Flasche fotografiert. Ich wollte die Kunden an dem Abend einladen, bin zum Kellner gegangen, um die Rechnung zu bezahlen und habe einen milden Herzinfarkt erlitten. Die Rechnung musste ich trotzdem übernehmen. Ich selbst trinke übrigens aus Überzeugung überhaupt keinen Alkohol.

Sie haben gerade das erste Auto mit über 1000 PS herausgebracht, der Mercedes G 6x6 von Brabus kostet über 1,3 Millionen Euro. Gibt es eine Grenze der Superlative?

Wir sind von der Grenze noch weit entfernt, die definieren andere in völlig anderen Regionen, als wir unterwegs sind. Wenn Sie heute fünf Millionen Euro für ein Auto auszugeben bereit wären, dann würden Sie das schaffen. Wir brauchen auch in Zukunft Produkte, die die Marke Brabus repräsentieren. Und hier steigen die Kosten aufgrund von Technologie und Komplexität eher, als dass sie sinken.

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Gibt es da auch einen Raum für E-Mobilität?

Natürlich. Aber: Wir sind so weit weg davon, die Veränderung der Mobilität insgesamt entscheiden zu können. Dieses Spiel wird zwischen Tesla, BYD, Volkswagen, Geely, Mercedes-Benz und BMW entschieden. Das sind Konzerne, die jeweils mit vielen Milliarden Euro pro Jahr zum Thema technologische Entwicklung konkurrieren. Unsere Aufgabe ist es, immer wieder die Frage zu stellen: Wo können wir punkten? Und uns dann richtig zu positionieren.

Wir werden auch in Zukunft eine heterogene Antriebslandschaft haben. Der Verbrenner wird in unserem Segment aber noch eine ganze Weile ein sehr aktuelles Antriebskonzept bleiben. Die Emotion vom Verbrenner auf den Elektromotor zu transferieren, ist und bleibt eine Herausforderung. Bei unseren Kunden sehen wir die Bewegung, dass sie bereit sind, die Vorteile von Hybriden zu nutzen, aber nicht bereit sind, die Nachteile von E-Mobilität zu akzeptieren. Die Kunden möchten aktuell ganz klar einen Verbrennungsmotor.

Und damit sie ein reines Gewissen haben, werden zum Ausgleich Bäume gepflanzt, wie für jeden verkauften Mercedes G 6x6?

Wir haben damals im Gesellschafterkreis gesagt: Den 6x6 wird es nicht geben, wenn wir keine ernsthafte und einfach nachprüfbare Antwort auf das Thema Emissionsneutralität haben. Für mich ist das Thema Emission bei so einem Fahrzeug eines, das Drama- und Ideologie-befreit zu lösen ist. Wir wollten nicht einfach irgendwelche Zertifikate kaufen, weil ich denen nicht traue. Deswegen pflanzen wir für jedes dieser Autos auf zehn Jahre und 10.000 Kilometer Nutzung lokal Bäume. Unser Partner für die Umsetzung ist eine Mülheimer Stiftung, die eine Fläche bei Lüdenscheid aufforstet, die stark von Orkanen betroffen war. Außerdem haben wir seit letztem Jahr zwei Kollegen, die sich in Vollzeit um Nachhaltigkeit kümmern.