Bottrop-Kirchhellen. Angebliche Subventionen für Bauern in sechsstelliger Höhe: Da kocht gerne die Volksseele hoch. Was dahinter steckt, erklärt jetzt ein Landwirt.
Auch am Montag zeigten wieder Landwirte aus Kirchhellen in Berlin, aber auch im Ort selbst mit Traktoren Flagge. Die Proteste der Bauern gegen die Subventionskürzung beim Agrardiesel und der – inzwischen von der Bundesregierung abgeblasenen – Besteuerung von landwirtschaftlichen Fahrzeugen gehen weiter. „Das macht zwar den Braten nicht fett, bringt aber das Fass zum Überlaufen“, wie Landwirt Philipp Maaßen betont.
Der 40-Jährige betreibt den Familienbetrieb an der Hackfurthstraße und mit dem Liesenfeldhof auch den letzten landwirtschaftlichen Betrieb im Süden der Stadt, in der Boy. Darüber hinaus ist er laut Infoportal agrar-fischerei-zahlungen.de, auf dem das Bundesamt für Landwirtschaft und Ernährung alle jährlichen Summen veröffentlicht, die an die jeden einzelnen Betrieb gehen, der Empfänger der höchsten Summe aus dem Subventionstopf aller Bottroper Landwirte.
Summen, über die bis zu den aktuellen Bauernprotesten kaum jemand gesprochen hat und die, wie so vieles im Bürokratie-Dschungel, einer detaillierteren Betrachtung bedürfen. Das hat auch Philipp Maaßen festgestellt, unter anderem als er jetzt mit Kollegen auf dem Bottroper Wochenmarkt Flagge zeigte und mit zahlreichen Menschen ins Gespräch kam.
„Wir hatten am Samstag schon das Gefühl, dass rund 80 Prozent der Leute, die mit uns sprachen und sich auf regionale Äpfel freuten, hinter uns Bauern stehen, weil sie im Land und regional erzeugte Lebensmittel einfach für wichtig halten“, so Maaßen. Aber eben auch 20 Prozent seien, wie viele Stimmen in sozialen Medien auch, gegen Subventionen, von denen viele ja gar keine sind, im engeren Sinne der Bedeutung.
Das Geld aus den EU-Programmen ist zumeist keine Subvention sondern Bezahlung von Leistungen
Maaßen erhielt für seine beiden Höfe im EU-Haushaltsjahr rund 301.000 Euro. Den Löwenanteil von rund 205.000 Euro allerdings für das „EU-Schulprogramm für Obst, Gemüse, Milch“. Damit sorgen er und Kollegen für frische, regionale Ernährung an Schulen. Maaßen beliefert so 70 Schulen und Kitas vor allem mit Obst und Gemüse aus eigenem Anbau, aber auch Milch. Dabei arbeitet er mit dem Milchbauer Schulte-Althoff aus Haltern zusammen.
Verpackung, Logistik: Alles läuft von Maaßens Hof aus. Dafür braucht er alleine rund 15 seiner insgesamt 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, von denen sieben festangestellt sind. Dazu kämen dann Infoveranstaltungen und auch Hofbesuche von Schülern. Subventionen? „Nein, das ist Bezahlung für Produkte, die wir produzieren oder Leistungen, die wir erbringen“, sagt Philipp Maaßen. Übrigens: von diesem EU-Topf profitieren nicht nur Landwirte, sondern auch Unternehmen, die sich für Ernährung in Schulen einsetzen, in Kirchhellen zum Beispiel der Bioladen Spickermann mit rund 29.000 Euro.
Investitionen haben Maaßens auf dem Liesenfeldfeldhof durchgeführt. Den hat die Familie 1969 gepachtet und vor einigen Jahren auch erworben. Dort wurden drei neue Hühnermobile für die Freilandhaltung errichtet. Damit ist der Hof verstärkt in die Eierproduktion eingestiegen.
Diese Investition erklärt auch die Fördersumme von rund 70.000 Euro aus dem Investitionstopf der EU, mit dem Anschaffungen unterstützt werden, die „zu einer wettbewerbsfähigen, nachhaltigen, umweltschonenden, tiergerechten und multifunktionalen Land- und Ernährungswirtschaft beitragen“, wie es in den Richtlinien heißt. Dies sei allerdings 2022 eine einmalige Zahlung an die Einrichtung auf dem Liesenfeldhof gewesen, so Maaßen.
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Natürlich bezieht auch Philipp Maaßen die Basisprämie, die jeder landwirtschaftliche Betrieb erhält. Die dient der „Einkommenssicherung und Risikoabsicherung“ für Bauern, und zwar im Angesicht der höheren „Umweltschutz-, Tierschutz- und Verbraucherschutzstandards“ im Vergleich zum Weltmarkt. Damit sie die Prämie aber auch behalten dürfen, müssen Landwirte Auflagen vor allem im Bereich Natur- und Landschaftsschutz erfüllen. Dazu kommen weitere Prämien wie Umverteilung (1900 Euro), Greening (7600 Euro), nicht genutzte Mittel der Krisenreserve (540 Euro).
Eine ganze Reihe von EU-Zahlungen erfolgten alleine deshalb, weil Bauern Vorschriften umsetzten, die eigentlich von bewährter Praxis abwichen oder andersherum betrachtet: Es ist ein Ausgleich für geleistete Arbeit oder im Fall der ab 2025 wieder geforderten Flächenstilllegungen für Eingriffe in das Privateigentum der Landwirte. „Von der Flächenstilllegung ist der Bund 2022 wegen des Kriegs in der Ukraine abgerückt, um die Ernährungslage zu sichern“, erklärt Philipp Maaßen.
Am Ende stelle sich für alle aber die Frage, woher wir unsere Nahrungsmittel beziehen wollen oder ob wir eine Situation, wie sie jetzt schon bei Medikamenten herrscht, haben wollen.
Bei Agrarprodukten hieße das aber auch: intransparente Erzeugung, unsichere Lieferketten. Und für Deutschland fragt sich Philipp Maaßen, Landwirt aus Überzeugung: „Möchte man sich wirklich Preise von großen Handelsketten diktieren lassen, die zuletzt oft unter den Erzeugerkosten lagen? Was ist uns unser Essen, die bäuerliche Landwirtschaft wert?“ Wie gesagt: Die Kappung der Dieselsubvention oder die Kfz-Steuer war nur das i-Tüpfelchen, das die Bauern auf die Palme brachte.