Bottrop-Kirchhellen. Ein halbes Jahr lang war Problemwölfin Gloria abgetaucht. Jetzt hat sie wieder zugeschlagen, und das ziemlich blutig. Ein weitere Abschussgrund.

Der erste Nutztierriss der Saison am 2. September in Kirchhellen bekommt ein politisches Nachspiel. Das Landesumweltamt hat die Zahl der getöteten Tiere deutlich nach oben korrigiert und bestätigt: Problemwölfin Gloria hat in jener Nacht sieben Schafe gerissen und 23 weitere Tiere so schwer verletzt, dass sie getötet werden mussten. Damit hat sie ein weiteres „Surplus killing“ angerichtet, das nach den „Hinweisen“ von Umweltminister Oliver Krischer zur neuen Wolfsverordnung ein Grund für einen Abschuss sein kann.

Auch interessant

Der NRW-Umweltminister hat dem Landtag und den beteiligten Verbänden, Vorschläge zur Überarbeitung der NRW-Wolfsverordnung gemacht mit dem Ziel, den Abschuss eines Wolfes auf rechtlich sichere Grundlagen zu stellen. Dazu hat sein Ministerium die Rechtsprechung ausgewertet und Kriterien konkretisiert, etwa für den Schaden durch Wolfsrisse. Und vor allem für die „Auffälligkeit“ der Tiere, die eine zentrale Voraussetzung für einen Abschuss sind.

Bedeutung bekommt dabei der Begriff der Überschusstötung („surplus killing“), den Prof. Alexander Schink in seinem Rechtsgutachten als Abschusskriterium in den Fokus stellt. Das Ministerium argumentiert dazu etwas um die Ecke. „Tötet ein Wolf bei einem Rissvorfall zahlreiche Nutztiere, handelt es sich um ein natürliches Verhalten aller Beutegreifer, auch aller Wölfe.“

Kein Abschusskriterium also? Für sich allein nicht. Aber: Sie sei „in die Prognose zukünftigen Verhaltens mit einzubeziehen“. Und: „Hinzukommen muss ein Lernverhalten des Wolfes, das sich z.B. an der Überwindung des Grundschutzes zeigt.“ Dass Schutzzäune für Gloria kein ernsthaftes Hindernis sind, hat die Wölfin schon mehrfach bewiesen.

Wie schnell könnte eine Abschussgenehmigung kommen?

Wie schnell könnte eine Abschussgenehmigung für Gloria kommen? Frank Seidlitz, Sprecher des NRW-Umweltministeriums, gibt eine formale Antwort: „Die Landesregierung überarbeitet derzeit die Wolfsverordnung der Vorgängerregierung, um zu einem praxistauglicheren und rechtssicheren Vorgehen zu gelangen. Dies beinhaltet auch die Möglichkeit, in Einzelfällen verhaltensauffällige Tiere zu entnehmen. Ein entsprechender Erlass ist derzeit in der Verbändeanhörung, in der Umwelt-, Landwirtschafts- und Tierzuchtverbände Stellung nehmen können.“

Parallel zum Verordnungsverfahren in NRW hat Bundesumweltministerin Steffi Lemke einen ziemlich einfachen Vorschlag für ein Verfahren für einen Schnellabschuss gemacht. Kernsatz: Wenn ein Wolf bei einem Nutztierriss den vorhandenen Herdenschutz überwindet, kann er zum Abschuss freigegeben werden, wenn er binnen drei Wochen im Umkreis von einem Kilometer erneut auftaucht. Dieser Vorschlag soll Ende November von der Umweltministerkonferenz beschlossen und dann ab Januar angewendet werden können.

+++ Nachrichten aus Bottrop direkt ins Postfach: Hier geht es zum Bottrop-Newsletter +++

Vermutung: Gloria bringt jüngstem Wurf das Jagen bei

Nach Bundes- wie Landeskriterien könnte entscheidend für eine Abschussgenehmigung sein, welche DNA-Spuren das Senckenberg-Institut bei den letzten Wolfsrissen in Schermbeck findet. Dort gab es Risse am 27., September (ein totes Tier), am 2. Oktober (1) sowie in dichter Folge am 20. (3), 21. (1) und 24. Oktober (3). Beim letzten Riss sei ein vom Land geförderter Herdenschutzzaun überwunden worden, wie empfohlen 120 Zentimeter hoch und unter 3000 Volt Spannung. In den ersten beiden Fällen steht schon fest: Die Angreifer kamen aus Glorias Familie mit dem „Haplotyp“ HW 02.

Wenn Glorias DNA an den toten Tieren identifiziert wird, wären sowohl nach Bundes- wie nach Landesregelung ihr Abschuss zulässig. Aber vielleicht hat auch Peter Kleimann von der Kreisjägerschaft Recht mit seiner Vermutung: Gloria hat ihren jüngsten Wurf irgendwo im tiefen Wald großgezogen und bringt ihm jetzt das Jagen bei.

Lesen Sie weitere Berichte aus Kirchhellen:

Zweifel an einem schnellen Abschuss melden die Naturschutzverbände (Nabu) an, die sich im Wolfsgebiet zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossen haben. Sie zweifeln daran, dass Schnellabschüsse mit Europarecht vereinbar sind. Ähnlich sieht das die SPD-Fraktion im Landtag. „Zwar klingt der Vorschlag zunächst einfach und unbürokratisch. Umso erstaunlicher ist, dass er bislang nie in Erwägung gezogen wurde. Wir gehen zumindest davon aus, dass die von Bundesministerin Lemke vorgesehene Regelung juristisch durchaus anecken wird“, sagt der SPD-Landtagsabgeordnete René Schneider.