Bottrop. Ergin Baytemür war Hauptschüler und Kfz-Mechaniker, heute führt er in Bottrop ein erfolgreiches Unternehmen. „Deutschland hat uns gut behandelt.“
„Ich bin der Junge vom Schrottplatz“, sagt Ergin Baytemür über sich. Diese Aussage ist bei näherer Betrachtung untertrieben. Er ist ein erfolgreicher Geschäftsmann. Bescheiden, bodenständig und dankbar wirkt der 52-Jährige im Gespräch mit der WAZ.
Sein Vater Mustafa legt den Grundstein. Ende der 60er-Jahre wird er in Istanbul für die Zeche angeworben. „Die Eintrittskarte nach Deutschland“, sagt sein Sohn Ergin. Mustafa Baytemür malocht in Gelsenkirchen schwer und hart auf dem Pütt als Bergmann unter Tage. Die Familie lebt an der Gungstraße in Welheim.
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Ergin erinnert sie noch an die Worte seines Vaters: „Wir wurden mit offenen Armen empfangen. Das ist nicht selbstverständlich auf der Welt. Deutschland hat uns gut und ehrlich behandelt.“ Sein Vater habe zum Beispiel den gleichen Lohn wie alle anderen erhalten. Er erhielt Kindergeld. Seine Kinder durften auf dieselben Schulen gehen wie deutsche Kinder.
Diese Aussagen haben den 52-Jährigen geprägt. „Wir wollen diesem Land etwas zurückgeben“, sagt er. Die Haltung seines Vaters versucht er, an seine Kinder weiterzugeben. „Wenn einem etwas Gutes widerfährt, dann soll man das nie vergessen.“ Eine Gesellschaft mit verschiedenen Kulturen funktioniert nur mit einem „Miteinander und nicht mit einem Gegeneinander“, meint Ergin Baytemür. „Mein Vater es uns vorgelebt. Man soll keine Vorurteile haben, sondern sich selbst eine Meinung bilden.“
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Sein Vater, Türke, freundet sich in Welheim mit Jannis Tasikas, einem Griechen, an. Beide Länder sind sich nicht immer wohlgesonnen. Ganz anders die beiden Männer. Tasikas betreibt zu der Zeit einen kleinen Schrottplatz „Am Kämpchen“. Er fragt, ob Mustafa Baytemür den Betrieb übernehmen will? Er will.
Auf 2000 Quadratmetern beginnt 1986 der Aufstieg der Familie Baytemür. Unfallautos werden gekauft, die Einzelteile verwertet. Nichts ist auf dem Grundstück asphaltiert. Es gibt keine Strom- und Wasserleitung und nur ein kleines Gebäude. „Meine Mutter hat für uns und für die Mitarbeiter gekocht“, erinnert sich Ergin Baytemür.
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Als Kind und Jugendlicher wächst er auf dem Schrottplatz auf. Später besucht er die Hauptschule. Nach dem Abschluss der 10. Klasse fragt sein Vater: „Ergin, möchtest du nicht eine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker machen?“ Ergin will.
Ausbildung: Ergin Baytemür ist bester Kfz-Mechaniker in NRW
1988 beginnt er mit der Ausbildung bei ehemals Opel Müller (heute: Autohaus Borgmann) auf der Kirchhellener Straße. Er schließt sie als bester Kfz-Mechaniker von NRW ab. Rückblickend sagt er: „Diese Ausbildung war das Fundament. Der Schlüssel meines Erfolgs.“ Von seinen früheren Lehrmeistern schaut er sich die handwerklichen Kniffe im Beruf und den Umgang mit Menschen im Alltag ab. „Alles, was ich da gelernt habe, versuche ich in meinem Unternehmen umzusetzen.“
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Zum Beispiel lernt er bei Opel Müller so etwas Banales wie Ordnung. Ein unverzichtbares Gut auf einem Schrottplatz. Ohne eine Sortierung würde Chaos herrschen. 1995 übernimmt er schließlich das Geschäft von seinem Vater, da ist er erst 24 Jahre alt.
Inzwischen steht der Name Baytemür nicht mehr nur für Autoverwertung. „Am Kämpchen“ existieren auf einem Areal von 25000 Quadratmetern verschiedene Betriebe. Die Verwertung ist geblieben. Aufgeteilt in die Abteilungen: deutsche Autos (Mercedes, Audi, Opel, etc.), EU-Autos (Renault, Peugeot, Fiat, etc.) und Autos aus Asien (Toyota, Hyundai, Mazda, etc.). Dazu noch Lager für Reifen und Felgen, eine Anlaufstelle für Neuteile und eine Werkstatt für Kunden. Und noch viel mehr.
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Die Dekra hat zudem auf seinem Grundstück eine Prüfstelle eingerichtet für Pkw und Lkw. Auf dem hinteren Areal, wo sich die Spedition Hennig befand, ist seit knapp drei Jahren eine weitere Werkstatt ausschließlich für die Verwertung und Reparatur von Transportern angesiedelt. „Ich bin nicht mehr nur Verwerter, sondern auch Dienstleister.“ Nicht zu vergessen die Tankstelle mit Bistro. „Das Sahnehäubchen“, wie Ergin Baytemür sie nennt.
Automol in Bottrop: Autoteile Böttger und Baytemür haben fusioniert
Er verkörpert die zweite Generation, die dritte ist auch schon an Bord. Sohn Fatih ist Maschinenbauingenieur und leitet das „Bosch-Car-Service“ an der Prosperstraße (früher Ford Schwaak).
Im vergangenen Jahr übernahm Baytemür das ehemalige Lueg-Gelände an der Karl-Englert-Straße. Der Name der Firma lautet Automol, eine Anlaufstelle für Gebrauchtwagen, Autoteile und Zubehör. Hierfür fusionierte Autoteile Böttger von der Peterstraße mit Baytemür. Die Mitarbeiter hat er übernommen.
Ergin Baytemür aus Bottrop: „Was wir machen, machen wir mit Herz“
Mit „Automol“ schafft sich der Geschäftsmann das nächste Standbein. „Als Großhändler wollen wir von dort aus die Werkstätten in der Umgebung beliefern“, sagt Baytemür. Zusätzlich sollen Autos nach dem Motto „Wir kaufen ihr Auto“ bewertet, gekauft und verkauft werden. Kunden können außerdem ihre Fahrzeuge in der hauseigenen Werkstatt auf Herz und Nieren prüfen lassen.
Mittlerweile zählt Baytemür, verteilt auf die Standorte in Bottrop, rund 70 Angestellte. Tendenz steigend. Er ist auch Ausbildungsbetrieb für künftige Groß- und Außenhandelskaufleute, Einzelhandelskaufleute und Kfz-Mechaniker. Das Erfolgsrezept: „Egal, was wir machen, wir machen es mit Herz.“ Wenn er mit muslimischen Mitbürgern spricht, sagt er ihnen: „Man muss Gas geben, um erfolgreich zu sein. Denn mit Fleiß kann man viel erreichen.“