Bottrop-Kirchhellen. Seine Familie flüchtete mit ihm vor einem Jahr aus der Ukraine nach Bottrop. Zuletzt hatte er eine lebenswichtige OP. Wie es ihm seitdem geht.

Ruslan hat ein großes Kämpferherz. Der 13-Jährige leidet an einer spinalen Muskelatrophie. Die Sterberate bei Kinder und Jugendliche, bei denen eine solche Erkrankung diagnostiziert wird, ist hoch. Aber Ruslan liebt das Leben und lässt sich nicht unterkriegen.

Seine Familie flüchtete mit ihm vor etwas mehr als einem Jahr aus der Ukraine. Wie die WAZ im April des vergangenen Jahres berichtete, verließen seine Eltern, Swetlana und Konstantin Shcherbakov, ihre Heimatstadt Saporischschja.

Mit einem eigens für ihn umgebauten Kleintransporter flüchteten sie vor den russischen Bomben und fuhren fast 1400 Kilometer durch die Ukraine. Zuflucht fanden sie letztlich in einem Hotel in Kirchhellen.

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Elina Abou Chazz kennt die Familie seit 2014. Schon lange vor dem Krieg hielten sie miteinander Kontakt über Facebook. Nach der Ankunft in Kirchhellen kümmerte sie sich um die Familie.

Im Sommer des vergangenen Jahres mussten sie ein neues Zuhause finden. Was sich einfach anhört, entpuppte sich als schwere Aufgabe. „Die Mutter hat damals geweint, weil sie nicht wussten, wo sie bleiben sollten“, erinnert sich Elina Abou Chazz.

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Es drohte die Obdachlosigkeit. Auf die Schnelle eine Wohnung finden bei dem überhitzten Wohnungsmarkt? Dazu noch mit einem bettlägerigen Kind, das täglich Pflege benötigt? Eigentlich unmöglich. Doch dank persönlicher Kontakte von Elina Abou Chazz konnte eine Wohnung in Gladbeck gefunden werden. Dort wohnt die kleine Familie seit Juli des vergangenen Jahres.

Ruslan (13) mit seinen Eltern Swetlana und Konstantin Shcherbakov. Die Familie ist aus der Ukraine geflüchtet, lebte übergangsweise in Kirchhellen und seit einem Jahr in Gladbeck.
Ruslan (13) mit seinen Eltern Swetlana und Konstantin Shcherbakov. Die Familie ist aus der Ukraine geflüchtet, lebte übergangsweise in Kirchhellen und seit einem Jahr in Gladbeck. © Elina Abou Chazz

Alle drei fühlen sich wohl. Einziges Manko: Die Wohnung ist nicht barrierefrei. Ruslan verfügt über einen Spezialrollstuhl, den er darin sitzend über einen Joystick selbstständig lenken kann. Aber ohne eine Rampe kann er mit dem schweren Gerät nicht nach draußen. Diesmal half der Verein „Intensiv Leben“. Ein Verein, der sich für beatmete und intensivpflichtige Kinder und Jugendliche einsetzt. „Intensiv Leben“ finanziert die Rampe für mehrere Tausend Euro.

Nach seiner Ankunft in Gladbeck muss sich Ruslan einer Operation in einer Spezialklinik in Hamburg unterziehen. Seine Wirbelsäule ist wegen der spinalen Muskelatrophie stark verkrümmt. In der Spezialklinik wird versucht, die verformten Wirbelkörper auseinanderzuziehen und die Fehlstellung zu korrigieren.

Yelda Tuncali ist Expertin für Beatmung bei der Intensivpflege „Innovativ Care Concept“ (ICC) aus Gelsenkirchen und kümmert sich um Ruslan.
Yelda Tuncali ist Expertin für Beatmung bei der Intensivpflege „Innovativ Care Concept“ (ICC) aus Gelsenkirchen und kümmert sich um Ruslan. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Die spinale Muskelatrophie ist eine Erkrankung bestimmter Nervenzellen, verbunden mit Muskelschwund. Lähmungen und fehlende Muskelspannungen sind die Folge. Die motorischen Nervenzellen geben keine Signale an die Muskeln weiter.

„Die Erkrankung ist progressiv“, sagt Elina Abou Chazz. Das heißt, sie schreitet immer weiter voran. Das für die Nervenzellen benötigte Eiweiß wird nicht produziert. Deshalb muss Ruslan täglich das Medikament Evrysdi mit dem Wirkstoff Risdiplam immer zur gleichen Uhrzeit zu sich nehmen. Und es hilft. „Er kann jetzt besser atmen“, übersetzt Elina Abou Chazz für seine Mutter Swetlana.

Elina Abou Chazz kennt die Familie seit 2014 und ist eine wichtige Ansprechpartnerin. Sie sagt über die Reise der Familie nach Italien: „Ruslan wollte unbedingt einmal das Meer sehen.“
Elina Abou Chazz kennt die Familie seit 2014 und ist eine wichtige Ansprechpartnerin. Sie sagt über die Reise der Familie nach Italien: „Ruslan wollte unbedingt einmal das Meer sehen.“ © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Auch die Operation an der Wirbelsäule zeigt Wirkung. Körperlich macht er Fortschritte. Er ist gewachsen, hat sieben Kilo an Gewicht zugelegt. Weil die Wirbelsäule weniger gekrümmt ist, können seine Organe besser arbeiten. Im September fährt er mit seiner Familie erneut nach Hamburg, dann steht die nächste Operation an.

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Seine Eltern sind inzwischen in Gladbeck heimisch geworden. Man hat sich integriert. „Sie sind sehr aktiv und haben schnell Anschluss gefunden“, sagt Elina Abou Chazz. Ruslans Vater hat seit September eine Arbeitsstelle in Vollzeit. Seine Mutter besuchte Deutschkurse im sozialpastoralen Zentrum K 4. Demnächst nimmt sie an Deutschkursen an der Volkshochschule teil. Der Pflegedienst „Innovativ Care Concept“ aus Gelsenkirchen kümmert sich jeden Tag intensiv um Ruslan.

Erst kürzlich machte die Familie gemeinsam Urlaub. Der erste nach den zuletzt stressigen Monaten. In dem Kleintransporter mit dem sie aus der Ukraine nach Deutschland kamen, fuhren sie nach Italien. Dort trafen sie sich mit drei ukrainischen Familien mit Kindern, die in Italien ebenfalls mit den Folgen einer spinalen Muskelatrophie leben. Für Ruslan ging mit der Reise ein Traum in Erfüllung: „Er wollte unbedingt einmal das Meer sehen“, sagt Elina Abou Chazz.

Kontakt zur Selbsthilfegruppe

Elina Abou Chazz engagiert sich in der Selbsthilfegruppe für russischsprachige Eltern von Kindern mit Beeinträchtigungen („Die Sputniks“) für den Bereich Bottrop-Gladbeck: www.die-Sputniks.de

Die Gruppe trifft sich jeden dritten Samstag im Monat von 11 bis 14 Uhr im sozialpastoralen Zentrum K 4 in Gladbeck (Kirchstraße 6).