Bottrop. Sargträger sind längst eine aussterbende Spezies. Bestatter aus Bottrop erklären, warum der Nebenjob an Attraktivität und Interesse verloren hat.

Sie treten kaum in Erscheinung, sind stille Begleiter und gehören zur Zeremonie einer Beerdigung. Ihre Anwesenheit und ihre Tätigkeit haben Tradition: Sargträger. Aber deutschlandweit wird es für Bestatter immer schwieriger, welche zu finden. Da bildet Bottrop keine Ausnahme.

„Früher übernahmen oft Bergleute die Aufgaben eines Sargträgers“, sagt Sabine Theil-Lange von Wormland Bestattungen. Die Kumpel waren entweder früh in Rente gegangen, hatten morgens Zeit oder hatten sich damit nach der Nachtschicht ein Zubrot verdient.

Lesen Sie mehr aus Bottrop:

„Die Zeiten sind lange vorbei“, so die Bestatterin. Heutzutage haben nur noch die wenigsten Bestatter eigene Sargträger. Stattdessen greifen sie zurück auf Trägergemeinschaften. Bestatter können darüber Träger für Beerdigungen buchen. Die Kosten dafür werden dann über die Rechnung umgelegt. Der Vorteil für die Träger liegt auf der Hand. „Wenn sie für mehrere Bestatter arbeiten, kommen sie so auf ihre Stunden“, sagt Sabine Theil-Lange.

+++ Nachrichten aus Bottrop direkt ins Postfach: Hier für den kostenlosen WAZ-Newsletter anmelden ! +++

In der Gesellschaft ist die Tätigkeit eines Sargträgers angesehen, aber die Ausübung nicht unbedingt von Kontinuität geprägt. „Wie es unser Job nun einmal mit sich bringt. Als Sargträger kann man nicht richtig planen. Das Privatleben kann darunter leiden“, erklärt Sabine Theil-Lange.

Die Grafik zeigt den Vergleich zwischen Sarg- und Urnenbestattungen in Bottrop von 2018 bis 30. Juni 2023.
Die Grafik zeigt den Vergleich zwischen Sarg- und Urnenbestattungen in Bottrop von 2018 bis 30. Juni 2023. © funkegrafik nrw | Anda Sinn

Der Tod kennt keine Arbeitszeiterfassung. Mal gibt es Zeiten, wie die Bestatterin berichtet, in denen es mehr Beerdigungen und dann eben wieder Zeiten mit wenigen gibt. Folglich werden Sargträger unregelmäßig benötigt.

Heißt konkret: Reich wird man nicht. „Für Leute, die ein geregeltes Einkommen möchten, lohnt sich das nicht“, sagt Rüdiger Lehr von Omega Bestattungen. Zumeist erfolgt die Beschäftigung auf 520-Euro-Basis.

Auch interessant

Gewöhnlich werden zwischen vier und sechs Personen für eine Sargbestattung benötigt – meistens sechs. Diese verantwortungsvolle Aufgabe dürfen auch Angehörige, Freunde oder Nachbarn der oder des Verstorbenen übernehmen. „Auf dem Dorf ist so etwas durchaus üblich“, sagt Rüdiger Lehr.

Die Tätigkeit als Sargträger ist aber auch eine Frage des Alters und der körperlichen Fitness. „Der Sarg kann etwa um die 300 Kilo wiegen“, schätzt Sabine Theil-Lange. Eine Beispielrechnung: ein Mann zwischen 90 und 100 Kilo und dazu kommt noch das Gewicht des schwere Eichensargs.

Potenzielle Sargträger müssen körperlich fit sein und Zeit haben

Neben fehlendem Nachwuchs und geringem Einkommen gibt es Auswahlkriterien, die den Nebenjob nicht zwingend attraktiv für ältere oder jüngere Menschen macht. Sargträger sollten nicht auffallend tätowiert oder gepierct sein. Außerdem zählen Zuverlässigkeit, Flexibilität, gutes Benehmen und Pünktlichkeit zu den wichtigen Tugenden.

Potenzielle Sargträger müssen früh aufstehen. Auch das ist nicht jedermanns Sache. Denn Bestattungen finden morgens oder vormittags statt. Aufgrund dessen fallen einige Gruppen (Berufstätige, Studenten) generell schon aus dem Raster.

Und auf die leichte Schulter sollte man die Aufgabe auch nicht nehmen. Zum Beispiel kann der Weg von der Trauerhalle zum Grab lang und beschwerlich sein. Da ist Ausdauer gefragt. Zudem erfordert die Würde der Zeremonie Routine. Nur mit einer Hand wird der Sarg getragen. „Wenn jemand das Gewicht nicht halten kann, kann der Sarg herunterfallen“, so der Bestatter.

Auch interessant

Das nächste Risiko für Nichtgeübte droht am Grab. Die Träger lassen den Sarg mithilfe von Seilen hinab. „Wenn einer zu früh loslässt oder was auch immer, dann kann das böse enden“, sagt Sabine Theil-Lange. Rüdiger Lehr dazu: „Die Seilen könnten wegrutschen, der Sarg verkannten.“ Alles Dinge, die beim letzten Geleit in Anwesenheit der Angehörigen nicht passieren sollten.

Zahlen zu Bestattungen

Nach aktuellen Angaben der Stadtverwaltung entscheiden sich viele Angehörige in Bottrop eher für eine Urnenbestattung anstatt für eine Sargbestattung. Wurden im Jahr 2018 in Bottrop noch 640 Menschen in einem Sarg beerdigt, waren es im vergangenen Jahr insgesamt 588.

Zum Vergleich: Feuerbestattungen fanden 2018 insgesamt 862 statt. Im Jahr 2022: 993. Laut Stadt beziehen sich die Zahlen nur auf die städtischen Friedhöfe. Der kirchliche Friedhof in Feldhausen wurde nicht miteinbezogen.