Bottrop. Tod in Zeiten der Pandemie: Zeitweise durften nur wenige Angehörige Abschied nehmen. So erlebt ein Bestatter die Zeit mit den Trauernden.

„Corona wird die Trauer und deren Bewältigung verändern.“ Davon ist Ingo Lora, Inhaber von Wormland Bestattungen, überzeugt. Die Pandemie hat Spuren hinterlassen. Nicht nur bei ihm, sondern in erster Linie bei den Trauernden. Seit 20 Jahren ist Lora im Geschäft. Den zweiten Lockdown vor einem Jahr bezeichnet er als die „schlimmste Zeit“.

Fast ein halbes Jahr lang dürfen Familienmitglieder und Freunde bei der Beerdigung nur in einem kleinen Kreis von ihren Liebsten Abschied nehmen. Bestatter wie Ingo Lora und erfahrene Mitarbeiter wie Sabine Theil-Lange sind bei der Organisation und Planung die Ansprechpartner.

Angehörige erleben Trauer in einer Extremsituation

Die Unsicherheit, die jeder im Alltag spürt, was gilt und was nicht gilt, kennen in dieser Zeit auch die Bestatter. „3G, 2G oder 2Gplus“, zählt Lora auf. Corona-Schutzverordnung folgt auf Corona-Schutzverordnung. Wie Sabine Theil-Lange erzählt, kommt es im zweiten Lockdown vor, dass sich bis zur Beisetzung die Regeln wieder geändert haben. Man kann sagen: Damals findet Trauerarbeit und Trauerbewältigung für alle Beteiligten in einer Extremsituation statt.

Wochenlang sind die Trauerhallen und Kapellen an den Friedhöfen geschlossen. Es gibt Phasen, in denen nur eine Handvoll Personen an einer Bestattung teilnehmen dürfen, beispielsweise Verwandte ersten Grades. Enkelkinder fallen nicht darunter. Familien stehen vor schwierigen Entscheidungen. Theil-Lange berichtet, dass bei Familien mit mehreren Kindern wegen der Begrenzung nicht alle Kinder an der Beerdigung ihrer Eltern oder Großeltern teilnehmen konnten. Familien quälen sich mit der Frage: Wer darf mit auf zur Beisetzung, wer nicht?

Familien stellen sich die Frage: „Wer darf zur Beerdigung?“

Sabine Theil-Lange wird in solchen Momenten häufig mit einer einzigen Frage konfrontiert: „Warum?“ Empathisch und ehrlich muss sie antworten: „Wir machen die Regeln nicht, wir müssen uns daran halten.“ Besonders schlimm muss es für die Menschen sein, deren Freund oder Verwandte mit einer Corona-Infektion verstorben sind. Die letzten Stunden ihres Lebens verbringen sie in einem Krankenhaus, nicht die gesamte Familie darf wegen strenger Hygiene-Regeln anwesend sein.

Ingo Lora und Katja Beyhoff-Wormland im August 2018 vor dem Geschäft an der Kirchhellener Straße. In dem Jahr feierte das traditionsreiche Bestattungsunternehmen seinen 120. Geburtstag.
Ingo Lora und Katja Beyhoff-Wormland im August 2018 vor dem Geschäft an der Kirchhellener Straße. In dem Jahr feierte das traditionsreiche Bestattungsunternehmen seinen 120. Geburtstag. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Kaum vorstellbar, was die Angehörigen in dieser ohnehin für sie schweren Zeit zusätzlich emotional durchleben müssen. Hinzu kommt: Der Sarg muss wegen der Corona-Infektion verschlossen bleiben. Diese Regelung gilt weiterhin. Der letzte Blick auf einen geliebten Menschen wird ihnen verwehrt.

Wormland gestaltet die Trauerfeier ganz individuell

Das Virus kennt keine Menschenwürde. Persönliche Grabbeigaben wie Lieblingskleidung, Briefe, Rose, Fotos oder Stofftiere dürfen von der Familie nicht selbst beigelegt werden. Diese Aufgaben übernehmen die Bestatter. Gefühlt ständig wechselnde Corona-Verordnungen zu vermitteln, ist kein leichter Job und bedarf teils sehr sensibler Gespräche mit den Trauerenden, wie die „Wormland“-Mitarbeiterin sagt: „Erklären Sie das doch mal einer Ehefrau oder einem Ehemann, die Jahrzehnte miteinander verheiratet waren.“ Nach dieser gemeinsamen Lebenszeit sind sie mitunter allein und überfordert mit der Situation.

Wormland an der Kirchhellener Straße geht gezielt auf die Wünsche der Trauernden ein. Ganz individuell sind die Trauerfeiern im Rahmen der geltenden Corona-Maßnahmen gestaltet. Angehörige werden, wenn sie möchten, bei der Umsetzung miteingebunden. Zum Beispiel bemalen Erwachsene und Kinder den Sarg oder die Urne mit Farben, hinterlassen ihre Handabdrücke oder persönliche Botschaften.

Aha-Regeln: Keine körperliche Nähe bei der Beerdigung

Der zweite Lockdown ist seit Sommer des vergangenen Jahres Geschichte. Mittlerweile herrscht fast schon wieder so etwas wie Normalität. Und trotzdem bleibt bei den Trauernden nach wie vor die Angst vor einer Corona-Infektion. Das zeigt sich insbesondere am Grab bei der Beisetzung, wie Ingo Lora beobachtet hat.

Die AHA-Regeln sind längst in Fleisch und Blut übergangen. Ganz selten nutzt jemand die Schulter zum Ausweinen. Die zarte Berührung am Arm fürs Trostspenden, das Zulassen von körperlicher Nähe mit einer Umarmung oder das Händeschütteln, um seine Anteilnahme zu zeigen, finden kaum statt. „Das wird auch noch lange Zeit so bleiben“, vermutet der Bestatter. Dabei würden gerade diese Berührungen helfen und für viele zur Trauerbewältigung dazugehören.

Corona-Regeln auf Friedhöfen

Innerhalb aller Räumlichkeiten auf den städtischen Friedhöfen gilt die Maskenpflicht und die Einhaltung des Mindestabstandes von 1,5 Metern zu fremden Personen, die nicht dem eigenen Haushalt angehören.

Für den Zutritt in die Trauerhallen gilt die 3G-Regel. Beim Trauerzug wird die Einhaltung des Mindestabstandes insbesondere zu fremden Personen und das Tragen einer medizinischen Maske empfohlen.

Die offene Aufbahrung oder die Verabschiedung von Verstorbenen am offenen Sarg ist möglich. Bei Corona-positiven oder an anderen ansteckenden Infektionskrankheiten infizierten Verstorbenen dürfen diese nur am geschlossenen Sarg stattfinden.